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Christina Huber Keiser über die Wertschöpfung

Was heisst denn eigentlich «bürgerlich»?

Wie steht es um die ökonomische Wertschöpfung in der Stadt Zug?

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Was ist gemeint, wenn von der Stärkung der wertschöpfenden Kräfte die Rede ist? Christina Huber Keiser denkt nach über den ökonomischen Sinn der Wertschöpfung. Welche Art von Wirtschaftsunternehmen sie verurteilt, lesen Sie in ihrem ersten Beitrag.

In der Stadt Zug existiert unter dem Kürzel «BS14!» ein Verein, dessen erklärtes Ziel es ist, bei den Wahlen 2014 eine bürgerliche Mehrheit im Zuger Stadtrat zu erreichen. Doch was heisst denn eigentlich «bürgerlich»?

«Bürgerlich sein ist für uns ganz einfach die Einsicht, dass eine Gemeinschaft nur dann sozial wirken kann, wenn sie die wertschöpfenden Kräfte stärkt. Das gilt im privaten wie dem staatlichen Bereich. Wirtschaftsfreundlich ist deshalb immer auch bürgerfreundlich und grundlegende Voraussetzung für die Unterstützung von Schwächeren», schreibt der Verein auf seiner Webseite. Doch was heisst dies genau?

Was ist etwa gemeint, wenn von der Stärkung der wertschöpfenden Kräfte die Rede ist? Im ökonomischen Sinn meint Wertschöpfung die positive Differenz zwischen einer Leistung und den zu dieser Leistung benötigten Vorleistung. Wenn ich einen Kuchen backe und diesen verkaufe und dann von den Einnahmen abziehe, was ich für Zucker, Mehl und Eier ausgegeben habe, bleibt etwas übrig. – Das ist dann Wertschöpfung. Ein Wert, der über Arbeitsleistung geschöpft wurde. Kann daraus gefolgert werden, dass die Stärkung der wertschöpfenden Kräfte darin besteht, dass wir Arbeitskräfte stärken? Heisst dies, dass sich «Bürgerliche» für faire Arbeitsbedingungen einsetzen?

Ich denke nein, denn im dritten Satz ist die Rede davon, dass Wirtschaftsfreundlichkeit die grundlegende Voraussetzung für die Unterstützung von Schwächeren sei. Und was unter «wirtschaftsfreundlicher» Politik zu verstehen ist, erschliesst sich uns, wenn wir die «bürgerliche» Politik der letzten Jahre anschauen. Es geht hier nicht um Freundlichkeit gegenüber der Wirtschaft, denn zu dieser zählen Arbeitskräfte und Konsumenten genauso wie Arbeitgeber und Anbieter. Faktisch geht es einzig und allein um politische Freundlichkeit gegenüber Unternehmen, bestimmten Branchen oder Firmen, z.B. gegenüber der Rüstungsindustrie (vgl. Handelszeitung, Ständeräte für erleichterte Waffenexporte), der bürgerliche Ständeräte unter dem Stichwort «Wirtschaftsfreundlichkeit» mehr Exporte ermöglichen wollte, indem man die Kriterien für Exportverbote in der aktuellen Kriegsmaterialverordnung aufweichen wollte. Weitere Beispiele von «Wirtschaftsfreundlichkeit» und ihren Folgen finden sie übrigens auch im letzten Politblog von Stefan Gisler.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nicht grundsätzlich gegen Wirtschaftsunternehmen und Politikerinnen und Politiker, die sich für Wirtschaftsunternehmen einsetzen. Aber ich verurteile Wirtschaftsunternehmen, die jegliche Ethik vermissen lassen und die ihre Wertschöpfung primär auf Kosten Anderer betreiben. Und ich wehre mich gegen eine Politik, die solche Wirtschaftsunternehmen aktiv unterstützt.

Für mich ist es nicht in Ordnung, wenn sich wirtschaftliche oder politische Akteure ein soziales Mäntelchen umhängen, indem sie soziale Projekte mit Mitteln unterstützen, die auf fragwürdige Art und Weise erworben wurden. Mir sind Unternehmen lieber, bei denen das soziale Moment vor der ökonomischen Wertschöpfung steht. Unternehmen, die etwa Wert auf faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen legen, die sich bereit erklären Menschen mit Behinderungen zu integrieren, die Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legen.

Die Autorin eines anderen Blogs bringt es treffend auf den Punkt: «Wertschätzung kommt vor Wertschöpfung» – und nicht umgekehrt (vgl. Rebel-Management-Training). Wenn «bürgerliche» Politik heisst, dass Wertschöpfung vor Wertschätzung steht, dann kann ich nur hoffen, dass der Verein BS14! sein Ziel bei den Wahlen 2014 nicht erreicht.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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