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«Andere sind besser als ich»

So empfinden meine Kinder die Noten an der Schule

Das kleine «Frölein» erledigt konzentriert die Hausaufgaben (Bild: Nadja Stadelmann)

Viele Kinder haben sie schon erhalten, einige stehen noch aus: Die Schulzeugnisse. Die (An-)Spannung ist gross. Unser kleines «Frölein» hat dieses Jahr zum ersten Mal Noten, und unser grosses «Frölein» ging durch den Übertritt. Und wir mit ihnen. Wie wir das Jahr erlebt haben, liest ihr weiter unten.

Die ersten zwei Schuljahre sind in der Schweiz notenbefreit. Buchstaben lernen, in die Welt der Wörter eintauchen, mit Zahlen jonglieren und ankommen in der Schule. Die Lernentwicklungsgespräche in der ersten und zweiten Klasse des kleinen «Fröleins» waren herzerwärmend und so wohlwollend. Bei einem «Teekränzli» an einem Tisch mit besticktem Tischtuch blickten Lehrerin, Schülerin und ich als Mutter zurück auf das Schuljahr.

Was waren die goldenen Momente, die ins Buch der «Goldstücke» kamen? Was hat meine Tochter gelernt? Was gelingt schon sehr gut und wo kann sie noch etwas üben? Die Nervosität meiner Tochter, dem kleinen Frölein, zu Beginn des Gesprächs wandelte sich währenddessen in Stolz um. Das Schulhaus verlassen hat sie mit dem bestärkenden Gefühl «ich kann alles schaffen!».

Ab der dritten Klasse kommt es neben der ersten Fremdsprache auch zur Benotung. Und damit geht einher, dass alle Kinder das Gleiche leisten müssen. Mir scheint, dass ab dann eine gewisse Leichtigkeit verloren geht. Wir als Eltern versuchen, diesen Noten nicht ganz so viel Gewicht zu geben.

Gratmesser unter dem Schuljahr

Wir sind da und begleiten die Kinder – so gut es geht. Sind abwechslungsweise präsent, wenn sie von der Schule heimkehren. Dies schätze ich enorm. So fokussieren sich die Hausaufgaben oder das Lernen auf Prüfungen hin nicht auf einen Elternteil. Denn ganz ehrlich: Manchmal habe ich auch keine Lust drauf. Wir verhandeln in solchen Momenten, was jetzt gerade gut tun würde; zum Beispiel ein feines Zvieri, eine Viertelstunde Bälle in den Korb werfen, chillen auf dem Sofa oder in der Hängematte liegen und dann ans Lernen gehen.

Die Prüfungen müssen die Kinder unter dem Jahr von einem Elternteil unterschrieben lassen. Unsere jüngere Tochter präsentiert diese jeweils grad beim Nachhause kehren. Sie mag es, wenn wir die Prüfung gemeinsam durchgehen und gucken, was sie wo geschrieben hat. Noch. Dessen bin ich mir bewusst. Dies war beim grossen Frölein auch mal so. Mit zunehmendem Alter zeigt sie die Prüfungen meist am Morgen – zwischen Brotbrösmeln vom Zmorge – und schon mit der Klinke in der Hand zum Unterschreiben. Logisch, in solchen Momenten können die Eltern gar nicht ausgiebig darauf gucken. Vertrauen und loslassen ist da unsere Strategie.

Braucht es Zeugnisse überhaupt noch?

Diesem Mäppli in den Farben des Kantonswappen wird viel Gewicht zugestanden. Bei den Noten geht es darum, das Kind in der Schule einzuschätzen. Wo das Kind schulisch steht. Wo es noch ein Müh lernen sollte. Die einzelnen Kinder können auf diese Weise miteinander verglichen werden. Aber die Kinder sind so viel mehr als diese Noten.

Frage ich meine Töchter warum es diese Noten überhaupt brauche, sagen sie, dies hätte mit der Berufswahl zu tun. Hmmm, also gar nicht mit dem Jetzt? «Doch, das ist jetzt schon auch wichtig für die Lehrpersonen, damit sie wissen, ob ein Kind eine Klasse wiederholen müsse.» Ah, ein Gratmesser also. Mir persönlich ist die rechte Seite so viel wichtiger: Das Sozialverhalten, die Selbstständigkeit, der Umgang mit den Mitschülern.

Ich habe damals in der Schule die Erfahrung gemacht, dass sämtliche Fächer, in denen ich gut war, nicht zum Durschnitt zählten. Daher auch weniger wert hatten. Handarbeit, Zeichnen, Werken, Musik, Turnen… wichtig waren «nur» Deutsch, Mathi, M + U (Mensch und Umwelt). Zeigte ich das Schulzeugnis nebst meinen Eltern noch der Grossmutter, bekam ich einen Fünfliber dafür. Aber eben, seither sind über 30 Jahre vergangen. Dass sich unser System laufend wandelt, begrüsse ich. Ebenso, dass sich eine Arbeitsgruppe im Kanton Luzern zum Ziel gesetzt hat, das Beurteilungssystem an Luzerner Schulen zu verbessern (zentralplus berichtete). Es lohnt sich in alle Richtungen zu denken.

Vergleichen ist normal

Natürlich wird untereinander verglichen. Bereits auf dem Heimweg werden die Noten unter den Freundinnen besprochen. «Andere sind besser als ich.» Zeugnisse sind eine Momentaufnahme. Dies finde ich okay, muss man auch nicht überbewerten. Für mich ist es tröstlich zu wissen, dass so viel mehr zählt im Leben als ein Schulzeugnis. Noten sind weder Gradmesser für Glück und Erfolg im Leben, noch führen sie automatisch zum Traumberuf mit Karrierechancen.

Lasst uns trotzdem feiern. Nicht in erster Linie das Zeugnis, sondern vor allem, dass ein Jahr Schule so gut geschafft ist. Ein Jahr, in dem das Kind das Beste gegeben hat. Manchmal ging dies recht ring und manchmal zäh. Ein Jahr, mit vielen neue Erkenntnissen und so viel Gelerntem. Ein Jahr, in dem es sich auf so viele neue Situationen eingestellt hat. Wenn das keine Meisterleistung ist, weiss ich auch nicht. Man stelle schon mal den Rimuss kalt!

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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