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Aus guten Handwerkern werden mittelmässige Akademiker

Sind die Schülerinnen im Kanton Zug schlauer?

Im Kanton Zug ist die Maturitätsquote überdurchschnittlich. (Bild: Fabio Iten)

Das Zuger Kantonsparlament debattiert bald über eine Gymnasialquote. Braucht es eine stärkere Regulierung für den Zugang zur Matura oder werden unsere Kinder im Kanton Zug immer schlauer?

Mittlerweile liegt der Anteil aller Zuger Schüler, die nach der Primarschule ans Langzeitgymnasium wechseln, bei 25,5 Prozent (zentralplus berichtete). Zählen wir die Schülerinnen der Privatschulen im Kanton Zug dazu, steigt die Quote sogar auf 28,4 Prozent.

Ein Blick zurück zeigt, dass die Maturitätsquote im Kanton Zug im Jahr 1990 noch bei 11,7 Prozent lag, 2017 bei 18,8 Prozent. Ist es möglich, dass innert derart kurzer Zeit so viele Schüler neu zur Gruppe der überdurchschnittlich leistungsstarken Schülerinnen zählen, für welche am Ende der Primarschule der Weg übers Langzeitgymnasium vorgesehen ist?

Die Bildungsexpansion im Ausland

In den meisten Staaten hat sich der Anteil der Kinder, die einen höheren Bildungsabschluss erwerben als ihre Eltern, über die letzten Jahrzehnte massiv erhöht. Sehr viele Länder haben fatalerweise ihre Bildungsexpansion zu einseitig vorangetrieben. Dabei haben sie eine Maturitätsquote von weit über 50 Prozent erreicht. Diese Forcierung führt zu einer Belastung der Universitätsbildung. Denn es ist kaum möglich, derart viele zusätzliche Studierende auszubilden, ohne bei der Qualität Abstriche zu machen.

Gleichzeitig existieren nicht genügend qualifizierte Jobs und die Absolventen sehen sich gezwungen, kaum bezahlte Praktika aneinanderzureihen. Zudem werden mit einer solchen Bildungsexpansion andere Chancen, die stärker auf Praxis setzen, vernachlässigt. Viele Länder bereuen diesen Schritt heute. Beispiele dafür sind das Programm «Modern Apprenticeships» in Grossbritannien oder die von der Stadt New York lancierte Initiative «Next Generation Career & Technical Education».

Mit staatlicher Förderung will man die Berufslehre wieder etablieren. In der Schweiz gab es diese Fehlentwicklung glücklicherweise (noch) nicht. Denn rund 75 Prozent der Jugendlichen absolvieren eine Lehre oder machen einen anderen Berufsbildungsabschluss. Für den gymnasialen Weg entscheiden sich in der Schweiz im Durchschnitt rund 22 Prozent.

Warum liegt die Maturitätsquote im Kanton Zug so hoch?

Der Kanton Zug liegt klar über diesem schweizweiten Durchschnitt und belegt hinter Basel-Stadt einen Spitzenplatz der Deutschschweizer Kantone. Nicht nur kantonal sind die Unterschiede frappant. Auch im kleinen Kanton Zug ist es verwunderlich, dass beispielsweise in der Gemeinde Hünenberg rund 32 Prozent der Schülerinnen ans Langzeitgymnasium wechseln, während es in Oberägeri nur 16 Prozent sind.

Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass Eltern mit einer Hochschulbildung dasselbe für ihre Kinder anstreben. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Ausländer bei ihren Kindern auf eine gymnasiale Ausbildung drängen. Dies, weil die Berufslehre in ihren Herkunftsländern fälschlicherweise mit Abstieg gleichgesetzt wird.

Die Verakademisierung unserer Berufslehre

Doch auch bei den Absolventen einer Berufslehre ist eine Verakademisierung zu spüren. Viele bestreiten den Weg der Lehre, absolvieren danach die Berufsmatura und folglich das Fachhochschulstudium. Den jungen Leuten wird bereits früh eingeredet, dass nur ein Studium die Zukunftsaussichten wahrt. Aus guten Handwerkern werden mittelmässige Akademiker geformt.

Wir preisen unser duales Ausbildungssystem mit der Lehre als Erfolgsmodell im Ausland an. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir unser System im eigenen Land nicht zu Grabe tragen, weil viele eine immer höhere Maturitätsquote fordern.

Fakt ist wohl, dass unsere Kinder heute nicht überdurchschnittlich schlauer sind als früher und damit eine ständig steigende Maturitätsquote gerechtfertigt werden könnte. Ob eine isolierte Übertrittsprüfung ans Langzeitgymnasium das Gelbe vom Ei sein wird, bezweifle ich. Allerdings kann es eine Möglichkeit in Kombination mit weiteren Massnahmen sein, um der steigenden Quote Einhalt zu gewähren.

Die Diskussion müssen wir im Kanton Zug auf jeden Fall führen. Und ich fordere die Regierung auf, diverse Massnahmen zu präsentieren, um abschliessend eine optimale Lösung für unser Bildungssystem zu finden.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 07.07.2022, 13:51 Uhr

    Die heutigen Kinder wollen mit weniger Arbeit mehr Geld verdienen, dafür ist die Berufslehre ungeeignet. Das Problem ist hausgemacht; die Berufslehre muss attraktiver werden. Handwerkerlöhne müssen an die Akademikerlöhne angeglichen werden. Der zukünftige finanzielle Anreiz eines Studiums ist zu hoch; wir haben in den letzten drei Jahrzehnten zu viele «ewige Studenten» herangezüchtet.

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    • Profilfoto von Spama Lotto
      Spama Lotto, 07.07.2022, 17:54 Uhr

      Ist in der Umsetzung wohl nicht so einfach:
      Klar kann der Staat den Gymischülern monatlich ca. 1500 Fr. und den Studis 4500 Fr. Lohn zahlen. Wird halt teuer, aber wir leisten uns ja auch die Patrouille Suisse.
      Schwieriger wird wohl die Einführung des Kommunismus werden. Haben schon ein paar Länder versucht, hat noch nirgends so richtig gut geklappt. Aber wieso nicht noch ein weiterer Versuch? Jeder kann wählen, ob und was er arbeiten will und erhält dafür gleich viel Geld wie alle andern. Was kann dabei schon schiefgehen….?

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