Zentralschweizer Gebäude dabei

Klotz oder Kunst? Projekt für bemerkenswerte neuere Bauten

Der Stadthof in Sursee ist zwar erst 20 Jahre jung – sei aber trotzdem schon von baukulturellem Wert, so Regula Steinmann vom Schweizer Heimatschutz. (Bild: Janid Scheidegger, Schweizer Heimatschutz/Sophie Stieger)

Dass modernere Architektur anecken kann, beweist nicht zuletzt der Entwurf für das neue Luzerner Theater. Schnell wird der Ruf nach einem Abriss laut. Der Schweizer Heimatschutz möchte mit einer Plattform nun auf die Bedeutung jüngerer Architektur hinweisen.

«Ist das Kunst oder kann das weg?» Gerade bei Gebäuden ist diese Frage sehr polarisierend. Denn während ein Gemälde einfach abgehängt werden kann, steht der Bau dann über Jahrzehnte am gleichen Fleck. Und mausert sich vielleicht ins kollektive Gedächtnis als Bausünde (zentralplus berichtete).

Doch in Zeiten der Klimamassnahmen, Wohnungsnot und Verdichtungen fahren Gemeinden eher mal die Abrissbirne auf. «Der gesamte Baubestand gerät immer mehr unter Druck», sagt Regula Steinmann, Projektleiterin Baukultur beim Schweizer Heimatschutz, auf Anfrage.

Während ältere Gebäude jedoch oft durch den Denkmalschutz geschützt sind, trifft das auf neuere Gebäude noch nicht zu. «Jüngere Bauwerke haben quasi noch keinen Anwalt, sie sind noch nicht inventarisiert. Auch sind sie noch kaum wissenschaftlich aufgearbeitet.» Mit einem Projekt will der Schweizer Heimatschutz verantwortliche Fachpersonen wie Architekten, Bauingenieurinnen und die Denkmalpflege sensibilisieren, auch den Wert jüngerer Gebäude abzuklären, bevor sie diese abreissen.

Der Wert der architektonischen Millennials

In der neuen Kampagne rückt der Heimschutz die Bauperiode von 1975 und 2000, also zwischen Ende der Boomjahre und der Jahrtausendwende, in den Fokus. Nach dem Aufbau eines Instagram-Kanals hat die Organisation nun auch eine Plattform lanciert, die 100 Schweizer architektonische Millennials vorstellt.

Haben es Forscher versäumt, diese Bauperiode zu erforschen? Nein, so Steinmann, das sei ganz normal. «Es braucht zur wissenschaftlichen Aufarbeitung einen gewissen zeitlichen Abstand. Wenn man zu nahe dran ist, kann der Wert für die Nachwelt noch nicht abgeschätzt werden.»

Und architektonischen Wert böten die Jahre zwischen 1975 und 2000 allemal. In dieser Bauperiode hätten Planer wieder mehr Sorgfalt an den Tag gelegt, so die diplomierte Architektin. In den Boomjahren hatten Bauunternehmen volle Auftragsbücher, schnelle Produktion stand an oberster Stelle. «Nach der Ölkrise hat man sich wieder mehr auf Qualität und Geschichte besinnt. Das merkt man bei den Gebäuden.» In dieser Bauperiode seien qualitativ hochwertige Bauten entstanden, sowohl in Bezug auf Material als auch Entwurf.

Die Entwürfe wurden verspielter, sowohl in Form- als auch Farbgebung. «Die Bauten waren nicht mehr einfach grau in grau, sondern beispielsweise auch in Pastellfarben.»

Diese Zentralschweizer Gebäude hebt der Heimatschutz hervor

Gerade bei Bauten gehen die Meinungen jedoch stark auseinander. Während die einen die Zuger Sporthalle Herti als Klotz in der Optik einer Wellblech-Hütte betrachten, mögen andere die Halle wegen des Farbkontrasts. Auch in der Redaktion scheiden sich die Geister über die hervorgehobenen Bauten in der Zentralschweiz. Das sagt der Heimatschutz dazu:

«Ob jemand ein Gebäude hässlich findet oder nicht, ist sehr subjektiv», meint Steinmann dazu. Häufig wachse jedoch mit dem Wissen über ein Gebäude auch das Verständnis dafür. «Jugendstil-Wohnungen werden heute zu Höchstpreisen verkauft, in den 70er-Jahren wollte man diese noch ausräumen und abreissen.» Sie fügt an: Auf das Projekt habe der Heimatschutz durchwegs positive Rückmeldungen erhalten, auch von Laien.

Genau das sei das Ziel: «Mit dem Projekt wollen wir das Wissen der Leute erweitern, dass auch die jüngeren Perioden zur Geschichte gehören.» Nur sei jetzt der Moment gekommen zu entscheiden, welche für die Nachwelt erhalten bleiben. Steinmann betont jedoch: «Wir wollen keine Geschmacks-Polizei sein.» Vielmehr wolle der Heimatschutz positive Beispiele zeigen und den Leuten so Lust machen, die Bauperiode selbst zu entdecken.

Wer darauf Lust bekommen hat, kann das hier tun.

Verwendete Quellen
  • Website zum Projekt des Schweizer Heimatschutzes
  • Telefonat mit Regula Steinmann, Projektleiterin Baukultur beim Schweizer Heimatschutz
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon