Das will Albert Schwarzenbach bewegen

Unterwegs mit dem höchsten Luzerner: Ein Stadtrundgang in fünf Akten

Albert Schwarzenbach, ab Donnerstag höchster Luzerner, macht an der Grabenstrasse den ersten Halt seines Stadtrundganges. (Bild: Bild: Raphael Zemp)

Albert Schwarzenbach (66) wird am Donnerstag zum neuen Grossstadtratspräsidenten gewählt. Dies ist der vorläufige Höhepunkt der Politkarriere, die zwar spät begann – der es aber bisher weder an Highlights noch an ambitionierten Zielen mangelte.

Das Café Heini am Falkenplatz ist noch fast leer, kurz nach acht Uhr morgens. Albert Schwarzenbach nippt an einer Tasse Café Crème und fischt ein Blatt Papier aus einem prall gefüllten Klarsichtmäppchen hervor. Fünf Hauptpunkte sind dort aufgelistet, unterfüttert jeweils mit etlichen Stichworten. Das ist das Programm des heutigen Morgens: Schwarzenbachs ganz persönliche Tour durch die Stadt Luzern.

Erster Halt: Café Heini, am Grendel

Dass die Tour hier beginnt, ist kein Zufall. Denn ohne Grendel, Falkenplatz und vor allem Löwengraben sässe Schwarzenbach nicht im Grossstadtrat und würde diesen noch weniger präsidieren.

Es ist kurz nach der Jahrtausendwende, als die Stadtbehörden erste Pläne vorlegen für eine Neugestaltung eben jener Strassenzüge – und damit nicht zuletzt das Gewerbe in der Altstadt aufschrecken. Verschwinden nun Parkplätze? Wird der Verkehr geschäftsschädigend eingeschränkt?

Diese Befürchtungen mobilisieren. Es bildet sich die IG Löwengraben, die von keinem Geringeren präsidiert wird als Schwarzenbach. Wer würde sich besser eignen als der bestens vernetzte und bekannte ehemalige LNN-Journalist, der zwar in der Agglomeration Berns aufgewachsen ist, aber bereits seit Mitte der 80er-Jahre in der Luzerner Altstadt wohnt, in unmittelbarer Nähe zum Löwengraben?

«Veränderung ja, aber nicht zu jeder Bedingung.»

Albert Schwarzenbach, Präsident des Luzerner Grossstadtrates

Auch dank Schwarzenbachs Zutun schickt die Stimmbevölkerung die Umgestaltungspläne der Stadt 2003 schliesslich bachab. Zugleich ist dessen Interesse an der Stadtpolitik jedoch nun definitiv geweckt. Der gebürtige Berner Protestant wird Parteimitglied der CVP («der Werte wegen», weil «offen und konsensorientiert») und rutscht bereits 2007 in den Grossstadtrat nach, wo er sich schon bald mit Beharrlichkeit und mehreren Vorstössen einsetzt – für die Umgestaltung ebenjener Altstadtachse Grendel-Falkenplatz-Löwen.

«Veränderung ja, aber nicht zu jeder Bedingung», sagt Schwarzenbach dazu. Egal, was sich in Luzerns Altstadt tut, sie soll ein lebendiger Ort bleiben. Davon ist er überzeugt. Und deshalb setzt er sich als Grossstadtrat für den Verbleib der Grabenhof-Schule und der Post in der Altstadt ein, aber auch für Veloparkplätze – und eben auch für die Aufhübschung zentraler Strassenbereiche, solange dies «einem gesunden Gewerbemix» nicht zuwiderlaufe.

Zweiter Halt: Kapellplatz

Vorbei an ausladenden Schaufenstern und mit Regenschirmen überspannten Menschentrauben geht es weiter zum nächsten Halt, dem Kapellplatz. Nicht weil sich Schwarzenbach als eingefleischter Fasnächtler zu erkennen geben will – er mag die schönsten Tage des Jahres zwar sehr. Sondern weil hier jeden Winter das Venite stattfindet – «das internationale Weihnachtsforum Luzern».

Ein Anlass, der heuer schon zum 16. Mal durchgeführt wird und Weihnachtstraditionen aus aller Herren Ländern präsentiert; an Ständen, in Darbietungen. Ein Anlass, der vor drei Jahren erst von der Kirche ausgezeichnet worden ist – und nun auch von der Stadt Luzern. Und ein Anlass, den Schwarzenbach als Initiator und OK-Präsident massgeblich mitgeprägt hat.

Hier findet jeweils das internationale Weihnachtsforum Luzern statt: Schwarzenbach ist dessen Initiator und OK-Präsident. (Bild: Raphael Zemp)

Weihnachten bedeutet für ihn in erster Linie ein Fest der Familie. Als Weihnachtsfan würde er sich aber nicht bezeichnen. Sein Engagement für Weihnachtsprojekte rührt vielmehr von seinem ehemaligen Arbeitgeber her: der Messe Luzern. Aber auch von der Überzeugung, dass es auch im Winter Gäste an den Vierwaldstättersee ziehen soll. Mit attraktiven Events, ausgerichtet auf einen qualitativen statt quantitativen Tourismus.  

Noch ist die Adventszeit in weiter Ferne – und der Kapellplatz gleich von mehreren Touristenrudeln in Beschlag genommen. Zeit, weiterzuziehen. In kurzen Schritten trippelt Schwarzenbach voraus, hinunter an die Reuss, über den Rathaussteg zum nächsten Etappenziel. 

Dritter Halt: das Luzerner Theater

Hier hält sich Schwarzenbach oft auf. Weil er ein Premieren-Abo besitzt und sich generell für Kunst und Kultur interessiert. Für den Zwischenhalt gibt es aber noch einen tieferliegenden Grund: Das Luzerner Theater steht auch für Enttäuschung, für eine vertane Chance. Denn an seiner Stelle könnte heute ein nigelnagelneuer multifunktionaler Kulturraum stehen: die Salle Modulable.

Salle Modulable statt Luzerner Theater: Schwarzenbach wollte wissen, wer hinter der Spende von 100 Millionen steckte. (Bild: Raphael Zemp)

100 Millionen Franken wurden dafür der Stadt versprochen. Die Quelle dieses Geldes aber blieb lange unbekannt – und veranlasste den frischgebackenen Grossstadtrat Schwarzenbach zu seiner ersten Interpellation. Wer denn hinter diesem Geld stecke, wollte er wissen und sorgte damit schweizweit für Schlagzeilen – aber auch Unverständnis. Einem geschenkten Gaul schaue man nicht ins Maul, mahnten Kritiker. Schwarzenbach findet aber noch heute: «Transparenz muss oberste Priorität haben – gerade in der Politik.»

Vierter Halt: Bahnhof Luzern

Das nächste Ziel ist für viele ebenso unverzichtbar wie alltäglich: der Bahnhof Luzern. Hier fahren unablässig Züge ein und aus, spucken Zigtausende Passagiere auf die Perrons, nur um sich wieder neue einzuverleiben.

«Eine unabhängige Mitte, die keinem Block verpflichtet ist, hat Zukunft.»

Für den Velo- und Zugfahrer Schwarzenbach steht dieser Ort symbolisch für kürzere Ausflüge und längere Reisen. Denn so sehr er die «kleine Welt» und auch das Politisieren darin liebt, so gerne brach und bricht er aus dieser aus. So als überzeugter Pfadfinder, der sich national engagierte. Als Journalist, der den Blick über die Region hinaus nicht scheute. Und nicht zuletzt als Geschäftsmann.

Denn sieben Jahre war Schwarzenbach als Projektleiter für den Ringier-Verlag in Osteuropa tätig, erst in Tschechien, danach in Rumänien. «Die verrückteste, spannendste, aber zugleich auch die schwierigste Zeit meines Lebens», resümiert er: Neuer Job, ungewohntes Umfeld, fremde Sprachen; Schwarzenbach köpfelte beherzt in die neue Realität und wurde belohnt: mit unvergesslichen Erlebnissen und dauerhaften Freundschaften.

Schwarzenbach will die städtischen CVP-Sektionen besser vernetzen: Parteiexponenten sollen sich per Bahn besuchen. (Bild: Raphael Zemp)

Dass der Bahnhof Luzern Teil dieser Tour ist, hat aber auch einen politischen Grund: Schwarzenbach will die städtischen CVP-Sektionen besser vernetzen und so stärken. «Eine unabhängige Mitte, die keinem Block verpflichtet ist, hat Zukunft», ist er überzeugt. Damit die Vermittlungskünste der CVP künftig in den Schweizer Stadtparlamenten tatsächlich zum Zug kommen, sollen sich Parteiexponenten untereinander intensiver austauschen – etwa in persönlichen Besuchen per Bahn.

Auch wir steigen ein in eine Bahn. Sie bringt uns in wenigen Minuten zur letzten Sehenswürdigkeit dieses Vormittags.

Fünfter und letzter Halt: die Luzerner Allmend

Es gibt gleich mehrere Gründe, warum uns Schwarzenbach in diese Ecke der Stadt entführt. Zum einen ist es seine Verbindung zum FCL. Schwarzenbach ist Mitglied des Club 94 – und als solches ein oft gesehener Tribünengast in der Swissporarena. Hier lebt er eine Leidenschaft aus, die sich schon in jungen Jahren Bahn brach, als der «Giu» Schwarzenbach ein erstes Mal mit seinem Vater ins Wankdorf pilgerte, um YB gewinnen zu sehen.

«Der Begriff Fusion schürt bloss unnötige Ängste und blockiert Diskussionen.»

Heute schlägt Schwarzenbachs Herz längst für Blau-Weiss und er weiss, wie wichtig der FCL für die Stadt, ja die ganze Zentralschweiz ist. Aber aller Passion zum Trotz «bleibt für ihn Fussball ein Sport». Verliert der FCL, kann Schwarzenbach trotzdem schlafen. Gewinnt der FCL, freut er sich – auch weil «die Wurst nach dem Match besser schmeckt». Für Gewalt in und um das Stadion aber hat Schwarzenbach null Verständnis: «Das schreckt viele Matchbesucher ab und es schadet dem Ruf des Vereins und der Stadt.»

Die Allmend führt gemäss Schwarzenbach auch vor Augen, wie sehr Luzern und dessen Nachbargemeinden zusammengewachsen sind. Nicht weit vom Stadion beginnt Horw, einmal übers Bahngleis und schon ist man in Kriens. Für Schwarzenbach ist die Allmend ein passender Ort, um das Motto seines Präsidialjahrs bekannt zu geben: «Blick über den Tellerrand».

Schwarzenbachs Herz schlägt für Blau-Weiss: Aber die Allmend führt auch vor Augen, wie Luzern mit seiner Agglomeration zusammengewachsen ist. (Bild: Raphael Zemp)

Schwarzenbach will den Austausch mit den Agglomerationsgemeinden intensivieren, was in den letzten Jahren vernachlässigt worden sei. Denn auch wenn das Stimmvolk die Idee einer «starken Stadtregion» an der Urne verworfen habe, führe künftig kein Weg an einer schlagkräftigen Regionalpolitik vorbei. Zu zahlreich seien die Probleme, die keine Rücksicht auf Gemeindegrenzen nähmen. Es gelte, vermehrt aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören. Dies sind sanfte, vertraute Politiker-Worte, die Schwarzenbach in den Mund nimmt. Das Reizwort «Fusion» bleibt hingegen selbstverständlich ungesagt. «Das schürt bloss unnötige Ängste und blockiert Diskussionen.»

Inzwischen hat der Regen nachgelassen und Schwarzenbach peilt ein weiteres Ziel an: die Polykomm – seine eigene Kommunikationsfirma, die er seit 2007 führt und die im Messegebäude untergebracht ist. Schwarzenbachs Tour durch Luzern war somit Spaziergang und Weg zur Arbeit zugleich. Wie schlau!

Spätestens jetzt ist klar: Der neue Grossstadtratspräsident ist gut vorbereitet – und überlässt nichts dem Zufall.

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