Es drohen saftige Bussen

Luzerner Gemeinden fehlen Unterkünfte für Flüchtlinge

Luzerner Gemeinden müssen Unterkünfte für Flüchtlinge bereitstellen – sonst droht eine Busse. (Bild: Adobe Stock/Raisa Durandi)

Der Kanton Luzern hat letzte Woche bekannt gegeben, dass die Gemeinden bei der Unterbringung von Geflüchteten mithelfen müssen. Wenn sie ihr Soll bis Anfang September nicht erreichen, müssen sie Bussgelder bezahlen. Für einige Gemeinden ist das ein hartes Los.

Der Kanton Luzern ist mit der Unterbringung der zugeteilten Flüchtlinge an seine Grenzen gekommen. Deswegen hat er letzte Woche den Verteilschlüssel aktiviert und die Gemeinden eingebunden. 74 Gemeinden haben einen Zuweisungsentscheid erhalten, mit einer Aufforderung, in den nächsten zehn Wochen eine bestimmte Anzahl Unterkünfte für Flüchtlinge bereitzustellen (zentralplus berichtete).

Das Aufnahme-Soll wurde anhand der Einwohnerinnenzahl berechnet. Also müssen einwohnerreiche Gemeinden wie Kriens, Luzern oder Emmen mehr Plätze zur Verfügung stellen als kleinere. Damit die Gemeinden ihr Soll erfüllen und sie keine Kompensationszahlungen leisten müssen, reichen 90 Prozent der zugeteilten Anzahl.

Nur gerade sechs Gemeinden haben dieses 90-Prozent-Soll bereits erfüllt. Davon haben vier (Luzern, Fischbach, Pfaffnau/St. Urban und Wikon) ein kantonales Flüchtlingszentrum in der Gemeinde, in dem Geflüchtete unterkommen können.

Viele Gemeinden sind noch ganz am Anfang

Für die restlichen Gemeinden läuft die Zeit. Und viele sind noch ganz am Anfang. Denn ganze 58 Gemeinden liegen noch unter 50 Prozent ihres Aufnahme-Solls. Die Gemeinden Hasle, Honau, Romoos und Ulfhusen liegen noch bei kargen null Prozent.

Unter den Gemeinden mit weniger als 20 Prozent ist auch Grossdietwil. Sie zählt gerade mal 855 Einwohner und hat erst fünf Prozent der Unterkünfte bereitgestellt. Es fehlen noch 17 Plätze, damit keine Busse ins Haus flattert. Und diese könnte bis zu 5100 Franken pro Monat hoch sein. Für ein kleines Dorf ist das nicht wenig.

Laut Gemeindepräsident Reto Frank ist die Gemeinde aber gewappnet. Sie hätten bereits bei der Vorwarnung des Regierungsrats vor Zuweisungen entsprechende Vorsichtsmassnahmen getroffen. Die gemeindeeigene Wohnung hätten sie bewusst freigehalten und die Gemeinde stehe im Kontakt mit einem Vermieter von Immobilien, der seine Bereitschaft angekündigt habe, führt Frank aus.

Zudem habe man versucht, möglichst hilfreich zwischen Einwohnern und Kanton zu vermitteln. «Grossdietwil ist daran interessiert, die notwendigen Plätze zur Verfügung zur stellen. Zum einen aus humanitären Überlegungen und zum anderen auch aus dem finanziellen Aspekt», erklärt Frank.

Meggen sucht Einliegerwohnungen

Eine Gemeinde, die bereits etwas weiter ist, ist Meggen. In der Gemeinde wohnen rund 7500 Einwohnerinnen. Meggen konnte zwar bereits 20 Prozent von ihrem Soll erfüllen. Dennoch müssen weitere 123 Plätze her. Für den Meggener Gemeinderat Oliver Class ist besonders die Frist eine grosse Herausforderung. «Einerseits, weil die Ferienzeit anbricht, andererseits wegen der bekannten Lieferprobleme auf baulicher Seite», erklärt der Leiter Gesundheit/Soziales in der «Gmeindsposcht».

«Ein erheblicher Anteil der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Kriens untergebracht sind, leben bei privaten Gastfamilien. Für dieses Angebot ist die Stadt sehr froh und dankbar»

Informationsbeauftragte Benedikt Anderes, Stadt Kriens

Bisher ist noch offen, in welchem Rahmen und wo die Plätze innerhalb der Gemeinde letztlich geschaffen werden. Die Gemeinde prüft derzeit alle Möglichkeiten und hat deswegen in der aktuellen «Gmeindsposcht» ihre Einwohnerinnen dazu aufgerufen, allfällige Einlieger- und andere Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Auch die erprobten Unterbringungsmöglichkeiten, die während der Migrationskrise 2015 genutzt wurden, werden evaluiert.

Gemeinden mit Flüchtlingszentren können sich zurücklehnen

Für einige wenige Gemeinden sieht die Situation besser aus. Drei Gemeinden haben bereits einen Wert von über 75 Prozent erreicht. Neben Ruswil und Flühli ist das auch die Gemeinde Kriens, die bereits einen Erfüllungsgrad von 82 Prozent hat. Die Gemeinde mit rund 28'000 Einwohnerinnen konnte auf viel Hilfe vom Kanton und Privaten zurückgreifen.

Ein gewisser Teil der Geflüchteten konnte im Durchgangszentrum Grosshof, in angemieteten Wohnungen des Kantons oder bei privaten Immobilienbesitzern untergebracht werden. Den grossen Teil übernahmen allerdings private Gastgeberinnen.

«Personen, die seit Beginn im Heim untergekommen sind, werden irgendwann in eine Privatunterkunft weiterziehen wollen»

Sandra Cellarius, Gemeindepräsidentin Pfaffnau

«Ein erheblicher Anteil der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Kriens untergebracht sind, leben bei privaten Gastfamilien. Für dieses Angebot ist die Stadt sehr froh und dankbar», sagt der Informationsbeauftragte Benedikt Anderes. Bis anhin sei diese Anzahl der privat Untergebrachten auch sehr stabil geblieben. Die Gemeinde rechne aber mit einer Abnahme der Gastbereitschaft von Privaten, sobald es auf den Winter zugehe.

«Es wird eine grosse Herausforderung sein, wegfallende Plätze bei Privaten kompensieren zu können, weil der Leerwohnungsstand in Kriens tief ist und die Stadt Kriens selber keinen geeigneten Wohnraum anbieten kann, der frei verfügbar wäre», erklärt Anderes.

Wie unter diesen Bedingungen die weiteren 52 Plätze bereitgestellt werden, wird derzeit im Gemeinderat diskutiert. Denn jeder fehlende Platz kann hohe Kosten mit sich bringen. In Kriens könnte das eine monatliche Rechnung von maximal 15'600 Franken bedeuten.

Eine kleine Oase für traumatisierte Frauen und Kinder

Eine Ausnahme sind die Gemeinden, die ihr Aufnahme-Soll schon längst erreicht haben. So etwa geht es der Gemeinde Pfaffnau. Sie hat einen Erfüllungsgrad von 136 Prozent. Das allerdings auch nur, weil ein Teil der Klinik St. Urban als Flüchtlingszentrum genutzt wird. Dort sind derzeit rund 120 Personen untergebracht, die meisten davon sind Frauen und Kinder.

«Bei Privaten unterzukommen, das geht für ein paar Wochen gut, aber nicht für mehrere Monate.»

Willi Bucher, Gemeindeammann Wolhusen

Das Haus ist für viele eine kleine Oase mit vergleichsweise grossem Komfort. Anders als in vielen Unterkünften gibt es einige Familienzimmer mit einem eigenen Bad. Zudem habe das Haus ein Spielzimmer, Küchen und sogar eine kleine Schule, sagt die Gemeindepräsidentin Sandra Cellarius.

Für Pfaffnau werde aber die Umsiedlung in private Unterkünfte eine zentrale Herausforderung. «Personen, die seit Beginn im Heim untergekommen sind, werden irgendwann in eine Privatunterkunft weiterziehen wollen», erklärt Cellarius.

Luftbild auf die Psychiatrie St. Urban
Ein Teil der Luzerner Psychiatrie St. Urban wird als temporäre Unterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge genutzt. (Bild: zvg)

Wolhusen wird zur Vorzeigegemeinde

Auch in der Gemeinde Wolhusen ist die Lage derzeit verhältnismässig entspannt. Der Gemeindeammann Willi Bucher erzählt stolz, dass die Unterbringung nichts Neues sei und die Integrationsarbeit in der Gemeinde sehr gut funktioniere.

Sie hätten schon seit Längerem viele Geflüchtete in der Gemeinde und verfügen über entsprechende Unterkünfte. Hinzu seien rund 35 Ukrainerinnen gekommen, die in Personalhäusern des Spital Wolhusen unterkommen konnten. Die rund zehn Kinder gingen in die Schule.

Da die Gemeinde bereits 20 Plätze mehr zur Verfügung stellt als gefordert, habe man sich in der Gemeinde nicht aktiv mit den Bussen oder Ersatzzahlungen befasst.

Die Erfahrungen mit Gastfamilien, die andere Gemeinden derzeit machen, kenne er aber gut. «Bei Privaten unterzukommen, das geht für ein paar Wochen gut, aber nicht für mehrere Monate», sagt Bucher. Deswegen hätten sie bisher jeweils Wohnungen über den Kanton oder die Caritas angemietet. «Die Geflüchteten wurden bei uns immer sehr gut integriert, auch da sich viele in der Freiwilligenarbeit engagieren.»

Hinweis: Wegen eines technischen Fehlers wurde die zweite Karte entfernt.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Oliver Class, Gemeinderat Gesundheit/Soziales in Meggen
  • Schriftlicher Austausch mit Benedikt Anderes, Informationsbeauftragter von Kriens
  • Telefonat mit Sandra Cellarius, Gemeindepräsidentin von Pfaffnau
  • Telefonat mit Willi Bucher, Gemeindeammann von Wolhusen
  • Schriftlicher Austausch mit Reto Frank, Gemeindepräsident von Grossdietwil
  • Gemeindezuweisungen, Stand der Erfüllung per 20.06.22
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