Filmstars trotz kognitiver Beeinträchtigung

Für einmal sind Heidis Welt die Willisauer Hügel

Bei der neuesten Heidi-Verfilmung steht nicht Heimatkitsch im Vordergrund. (Bild: Luzius Wespe/Voltafilm)

Die heilpädagogische Schule Willisau ist dreissig Jahre alt – und feiert das Jubiläum mit einem Film, der ans Herz geht: In der «Heidi»-Verfilmung spielt ein Mädchen mit Trisomie 21 die Hauptrolle.

Das Mädchen pustet in den Löwenzahn, den sie in ihren Händen hält. Umgeben von einer grünen Wiese, gelben Windröschen und noch weiteren Löwenzähnen. Seine Samen segeln wie Schirmchen in Richtung Boden.

Das Mädchen, das ist Heidi. Oder Elin, wie es richtig heisst. Ein Mädchen mit Trisomie 21.

Heilpädagogische Schule Willisau feiert mit «Heidi»-Film Jubiläum

Der Film entstand im Rahmen des 30-Jahre-Jubiläums der Heilpädagogischen Schule (HPS) Willisau. Seit 30 Jahren werden hier Kinder mit einer kognitiven Beeinträchtigung unterrichtet. Am vergangenen Samstag feierte die Schule dies gehörig und führte das «Heidi»-Musical auf. Schülerinnen und Schüler sangen live Lieder, gezeigt wurde auch der Film.

Heidi, den Geissenpeter, den Alpöhi und Tante Dete haben allesamt Kinder der Primarklassen der HPS gespielt. Luzius Wespe unterstützte das Projekt der Schule in den Bereichen Regie, Kamera und Schnitt.

Viele schöne – und überraschende Szenen

Der Luzerner Filmemacher hat bereits in früheren Projekten gemeinsam mit Kindern gedreht. Für seinen Dokumentarfilm «Mein Leben und der Notenschnitt» hat er vier Schulkinder aus Ebikon drei Semester lang begleitet. Er dokumentierte ihren Schulalltag, den Notendruck und ihre privaten Sorgen und Wünsche (zentralplus berichtete).

«Das Schöne beim Filmen mit Kindern: Sie stehen mit einer Natürlichkeit vor der Kamera, die Erwachsenen manchmal verloren geht.»

Luzius Wespe, Filmemacher

«Das Schöne beim Filmen mit Kindern: Sie stehen mit einer Natürlichkeit vor der Kamera, die Erwachsenen manchmal verloren geht», sagt Wespe. Gerade im Schnittraum habe es einige schöne und auch überraschende Momente gegeben, wie gut gewisse Szenen gelungen seien.

Den Dreh einer Szene blieb ihm speziell in Erinnerung: Alpöhi sollte sich schützend vor Heidi stellen und neben der Kamera vorbei schauen. Marc, der den Alpöhi gespielt hat, schaute aber lieber immer direkt in die Kamera hinein. Also stand Christin Kuhn, eine Lehrerin der Schule, neben die Kamera, fuchtelte wild herum und sorgte für ordentlich Lärm. Nun guckte Marc zu ihr, und nicht mehr in die Kamera. «Wenn man das Gelärme ausblendete, entstand eine gute Szene – es hatte dafür einfach diesen kleinen Kniff gebraucht», so Wespe.

Beide gucken sie weg – dank einer lärmenden Lehrerin: Heidi mit dem Alpöhi. (Bild: Luzius Wespe/Voltafilm)

Heimat – und Heimweh

Ruth Duss-Hunkeler, die Rektorin der HPS Willisau, ist unglaublich stolz auf die Premiere vom Samstag und den entstandenen Film. «Es ist beeindruckend zu sehen, was Kinder zustande bringen, wenn man es ihnen zutraut.»

«Es ist beeindruckend zu sehen, was Kinder zustande bringen können, wenn man es ihnen zutraut.»

Ruth Duss, Rektorin HPS Willisau

Da an der HPS Schülerinnen aus 21 verschiedenen Nationen sind, wollte man das Jubiläum unter dem Motto «Mein Land – dein Land» feiern. Und wenns um die Schweiz als Heimat geht, so ist auch die Geschichte von Heidi nicht fern. Heidi, das Mädchen, das erst auf der Alp beim Grossvater wirklich glücklich ist. Auch geht es um Heimweh. So vermisst Heidi, als sie die Alp wieder verlassen muss und in die Grossstadt Frankfurt geschickt wird, die Berge und die Wiesen, den Geissenpeter und den Alpöhi.

Die Kinder der HPS waren von Beginn an fasziniert von der Geschichte. «Sie hingen der Erzählerin förmlich an den Lippen, um der Geschichte von Heidi zu folgen», sagt Ruth Duss. Die Kinder seien in die Welt eingetaucht. Jedes Kind konnte dann sagen, welche Rolle es gerne übernehmen würde.

Dafür wurde das Drehbuch von Monika Abgottspon auch so angepasst, dass der Junge, der den Pfarrer spielte, seine Traumrolle übernehmen konnte. Der Grossvater machte vor allem wegen der Pfeife Eindruck. Deshalb wollte Marc den Alpöhi spielen. Und die Kleider wurden auf die Kinder so abgestimmt, dass sie sich darin wohl fühlten und sich mit der Rolle identifizieren konnten.

Jedes Kind hat seinen Platz

An der HPS gehen Kinder mit verschieden schweren kognitiven Beeinträchtigungen zur Schule. Dass gerade ein Kind mit Trisomie 21 die Rolle der Heidi übernehmen wollte und dermassen aufgeblüht ist, freut Ruth Duss umso mehr. «Kinder können sich auch an einer Sonderschule extrem entwickeln und entfalten.»

Eine grosse Bedeutung komme auch Filmemacher Luzius Wespe zu. «Er glaubte an die Kinder und schenkte ihnen das Vertrauen, dass sie es können.» Für sie war es beeindruckend zu sehen, wie er es verstand, die Kinder in ihren Rollen aufleben zu lassen.

Viele Szenen haben sie berührt. Etwa jene, in der drei Kinder auf einer Kirchentreppe sitzen. Der Junge lacht herzhaft und klopft mit seiner Hand auf seinen Oberschenkel. Das Mädchen in der Mitte klatscht in die Hände. Die Zuschauerin sieht, dass die Kinder herzhaft und nicht gespielt lachen. «Es ist beeindruckend zu sehen, wie es gelungen ist, dass jedes Kind seinen Anteil und seine Rolle in dem Film gefunden hat», so Ruth Duss weiter.

Die Kinder der HPS könnten anderen Kindern viel beibringen. Sie zeigen, wie Andersartigkeit mit Respekt und Toleranz auch Chance sein kann. Sie leben vor, dass jedes Kind seinen Platz hat. «Es ist diese Selbstverständlichkeit vom Dazugehören aller Kinder – egal, wie es ist.»

Verwendete Quellen
  • Film «HEIDI, wo besch du dihei?» auf Youtube
  • Telefonat mit Luzius Wespe, Filmemacher
  • Telefonat mit Ruth Duss-Hunkeler, Rektorin HPS Willisau
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