Tausende Kleinkraftwerke aus Zug

Ein Chamer will die Welt retten

12 Jahre lang hat er daran gearbeitet – jetzt ist die Zeit schon bald gekommen. Urs Weidmann will die dezentrale Energieproduktion revolutionieren. Im Bild: der zweite Prototyp. (Bild: fam)

Seit Jahren ist er dran, jetzt geht es in den Endspurt. Denn wenn das erste AKW vom Netz geht, sollen seine Erfindungen einspringen. Urs Weidmanns erstes Miniaturkraftwerk läuft schon. Wenn’s nach ihm geht, werden Tausende folgen. Seine Mission: Es muss etwas getan werden, bevor die Ozeane zu blubbern beginnen.

Für ihn ist die Sache schon geritzt. Das Benzin gegessen, die AKWs bald abgeschafft, über Tesla und Co. amüsiert er sich. «Das kommt nicht, das kommt alles nicht», sagt er. Nicht, weil er nicht an elektrische Mobilität glaubt – sondern weil er überzeugt ist, etwas viel Besseres gefunden zu haben.

Urs Weidmann sitzt in seinem Büro in Cham am Tisch und ist bereit, die Ernte für zwölf Jahre Aufbauarbeit einzuholen. Er hat noch drei Jahre Zeit, dann geht das AKW Mühleberg vom Netz – und wenn alles gut läuft, schalten sich dann stattdessen 10’000 seiner dezentralen Minikraftwerke an. Bis heute gibt es erst eines davon, es steht draussen auf dem Parkplatz, ist noch viel zu gross, sieht aus wie ein überdimensionierter Chromstahl-Kühlschrank. Es wird bald zum allerersten Mal angeworfen. Wenn alles klappt.

Drei Pilotanlagen hat es schon gegeben, mit Brennkammern und Solarzellen. Weidmanns Erfindung? Ein Kleinkraftwerk, das genug Strom, Wärme und Kälte für eine Reihe von Haushalten produziert – und sich automatisch immer dann anschaltet, wenn das Stromnetz eine Lücke hat. Sein Kraftwerk verbrennt «den Treibstoff der Zukunft», sagt Weidmann verschmitzt und wandelt das Licht, das dabei entsteht, per Fotozellen in Strom um, die Abwärme in Heiss- und Kaltwasser. Gerade hat er vor versammelten Parlamentariern in Bern seine Idee vorgestellt. «Sie waren begeistert.» Und es haben sich einige gleich angemeldet, um zu investieren.

Sie sind nicht die Ersten. Die Idee ist einfach, ihre Umsetzung wäre weltbewegend – zumindest wenn man Weidmann glauben will. Und das will man. Der Mann ist gleichzeitig hochintelligent, solider Wissenschaftler mit einer Vergangenheit beim schweizerischen Energieforschungsinstitut PSI und ein fantastischer Verkäufer. Er strahlt gekonnt staatsmännische Vernunft aus, wenn er Dinge sagt wie: «Man kann jetzt keine Eigeninteressen verfolgen, wir müssen etwas dafür tun, dass wir als Menschheit die nächsten zehn Jahre überleben.»

Schweiz als Versuchslabor der Amis

Dazu später. Zuerst zum «Treibstoff der Zukunft». Weidmann will Methanol flächendeckend als neuen Brenn- und Treibstoff einführen. Methanol lässt sich synthetisch aus Kohlendioxid und Wasser herstellen – und wandelt sich bei der Verbrennung wieder in diese Stoffe um. So kann der Treibstoff als Batterie dienen: Bei Energiepeaks kann der überschüssige Strom in Methanol umgewandelt werden – bei tiefer Stromproduktion, natürlich mit Verlust, wieder zurück. Die Idee ist nicht neu – sie stammt von US-Nobelpreisträger George Olah. Aber in der Schweiz hat sie grosses Potenzial.

Weidmann könnte damit die Lücke füllen, die das AKW Mühleberg hinterlassen wird, das zweitälteste der Welt, gleich nach Beznau, beide gebaut von Amerikanern, die die Schweiz als Versuchslabor benutzten. Weidmann will zeigen: Es geht tatsächlich ohne Atomstrom. Sogar viel günstiger. Und vor allem: «Damit gehen wir gleich zwei grosse Probleme an: Die Lücken und Peaks, welche die Energiewende und der Umstieg auf Solarstrom mit sich bringen, können ausgeglichen werden. Und gleichzeitig können wir mit der Produktion von Methanol CO2 aus der Atmosphäre binden.»

«Wenn die Ozeane zu blubbern anfangen, dann ist es schon zu spät.»

Urs Weidmann

Und so der globalen Erwärmung entgegenwirken. Denn: «Wenn Sie Wasser in einem Topf kochen, dann gibt es kleine an die Oberfläche aufsteigende Bläschen – das ist CO2. Je wärmer das Wasser wird, desto schneller und desto mehr CO2 wird freigesetzt.» Das bedeutet: Je wärmer die Welt wird, desto schneller wird das CO2 freigesetzt, das in den Ozeanen gespeichert ist. Und desto stärker erwärmt sich die Atmosphäre. «Wenn die Ozeane zu blubbern anfangen, dann ist es schon zu spät, in den Ozeanen sind mehr als 90 Prozent des weltweiten CO2 gespeichert», sagt Weidmann. Deshalb müsse es jetzt schnell gehen. «Sonst können wir gleich aufhören», sagt er und lächelt etwas wehmütig. «Ich gebe uns noch zehn Jahre, um dieses Problem zu lösen.»

Sagt er und packt eines der kleinen Gläser, die auf der Ablage stehen, gefüllt mit Methanol. «Noch viel zu teuer», sagt er, denn es ist auf dem freien Markt nicht erhältlich: Es gibt keine Methanoltankstellen. «Man muss es heute in der Apotheke oder Drogerie kaufen», so Weidmann, «für 15 Franken pro Liter. Auf dem Weltmarkt kostet es weniger als fünfzig Rappen.»

Stolz auch auf die Einzelteile: Das Silent-Power-Team.

Stolz auch auf die Einzelteile: Das Silent-Power-Team.

(Bild: zvg)

Diese knappe Verfügbarkeit soll nicht mehr lange bestehen, wenn es nach ihm geht: Er ist in Verhandlungen an der Methanolbörse in Rotterdam. Das Ziel wäre die Einfuhr von künstlich hergestelltem Methanol aus Island, hergestellt aus der Wärme der grossen geothermischen Kraftwerke des Landes. Wenn das nicht klappt, muss er vielleicht Methanol vom Scheich aus Qatar importieren – nicht gerade eine verlockende Aussicht, da fossil.

Es würde wohl sogar Weidmann schwerfallen, zu erklären, weshalb seine alternativen Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen laufen sollen – ist das keine Hypothek fürs Projekt? Weidmann zuckt die Achseln. «Für den Anfang könnte man die Kraftwerke auch mit fossilem Methanol betreiben, wenn es nicht anders geht. Das Ziel ist auf jeden Fall die Herstellung von Methanol aus erneuerbaren Energien, zum Beispiel mit Wellenkraftwerken an der Küste von Feuerland oder in den neuen Hebriden. Jetzt geht es erst mal darum, überhaupt eine Infrastruktur für den Brennstoff zu schaffen.»

Methanol kann einfach transportiert werden. Und ist praktisch nicht explosiv. Weidmann nimmt das Fläschchen zur Hand und überschwemmt damit die Küchenplatte, zündet es an: Eine blaue Flamme kriecht über die Fläche, es riecht nach gar nichts, zurück bleibt nach ein paar Minuten ein wenig destilliertes Wasser. Er hat das wohl schon Hunderte Male vorgezeigt, den Journalisten, Investoren, Elektrizitätswerken, Kunden.

Die ganze Szene ist gut eingeübt, Weidmanns Begeisterung allerdings ist offensichtlich immer noch echt. «Wie lange haben Sie Zeit?», fragt er nach einer Stunde, und braucht dann etwa dreimal länger, um alles ganz genau erklären zu können. Ist schliesslich sein Lebensthema. Und in vollem Schwung: Wenn der Prototyp seinen Dienst zuverlässig verrichtet, werden bald die ersten Serieneinheiten vom Band gehen. Bis Ende 2017 sollen 200 Kleinkraftwerke installiert sein, bis 2020 schon 10’000.

Das Geld dafür hat Weidmann schon fast zusammen, das Personal auch, rund 50 Leute arbeiten für die Silent-Power AG und ihre Spinn-offs. «Und jetzt kommen die Investoren umso mehr, seit man sich das Kraftwerk anschauen kann», sagt Weidmann. Wenn in drei Jahren das Unternehmen an die Börse geht, erwartet er einen satten Gewinn. Ob’s klappt, ist offen. Das Prinzip funktioniert auf jeden Fall. Eine Woche später läuft der Prototyp ohne zu murren. Ob das Minikraftwerk auf dem Markt auch ankommt? «Wir haben jetzt schon eine ganze Reihe von Bestellungen», sagt Weidmann, «die kleinen Elektrizitätswerke brauchen eine solche Lösung, um Einbrüche beim Solarstrom, verursacht durch Wolkendurchgänge, auszugleichen.» Konkurrenz gibt es in der Schweiz praktisch keine. Im Ausland auch nicht. Das soll sich ändern, wenn’s nach Weidmann geht. «Tesla hat die Pläne auch allen zur Verfügung gestellt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das auch so machen. Als kleine Firma in Cham kann man die Welt nicht retten. Aber wenn noch andere mitmachen, dann könnte das klappen.»

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