Sieber bei Diskussion zur Wirtschaftsfakultät

«Ich gebe zu: Ich war frustriert»

Der Unternehmer Reto Sieber (Bildmitte) stellt sich der Diskussion. Er sprach eine finanzielle Beteiligung an einer Wirtschaftsfakultät der Uni in Luzern zu. (Bild: Sandro Portmann)

Der Unternehmer Reto Sieber steht wieder zu seiner finanziellen Unterstützung für eine Wirtschaftsfakultät der Uni Luzern. An einer Podiumsdiskussion kreuzten Gegner und Befürworter die Klingen. 

Im Abstimmungskampf um eine neue Wirtschaftsfakultät an der Universität Luzern wird mit immer härteren Bandagen gekämpft. Dies zeigt nicht zuletzt die Reaktion des Unternehmers Reto Sieber in den letzten Tagen (zentral+ berichtete). Er stellte sich am Donnerstagabend einer Podiumsdiskussion zur Wirtschaftsfakultät. «Ich gebe zu: Ich war einfach frustriert. Ich habe überreagiert», entschuldigte sich Sieber. Er habe sich übergangen gefühlt und stellt klar: «Ich beteilige mich, das ist so. Ich weiss auch von anderen Unternehmern, die sich beteiligen wollen.» Ebenfalls auf der Seite der Befürworter stand der CVP-Kantonsrat Adrian Bühler.

Kein Novum

«Ich bin dagegen weil es das falsche Angebot ist, finanziert mit den falschen Mitteln», kritisiert Priska Lorenz, SP-Kantonsrätin. Die Spenden seien nicht uneigennützig. «Unternehmer wollen etwas zurück.» Sie – und Joël Mayo, Juso-Präsident des Kantons Luzern – fürchten um die «Freiheit der Forschung», wenn Private in die Uni investieren. «Das aktuelle Beispiel von Herrn Sieber ist exemplarisch für eine Anspruchshaltung. Wir sind aber nicht bereit, Kompromisse bei der Forschung einzugehen», so Mayo.

Für die Zukunft rüsten

Die Schaffung einer Wirtschaftsfakultät an der Universität Luzern ist nur ein Element der Revision des Universitätsgesetzes. Es sieht auch eine Erhöhung der Studiengebühren bei ausländischen Studierenden vor oder die Möglichkeit einer Zulassungsbeschränkung. Umstritten ist aber einzig die vorgesehene Schaffung einer Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Diese soll durch Gelder von Investoren finanziert werden. Die SP hat deshalb – nachdem der Kantonsrat im März 2013 dem revidierten Gesetz zugestimmt hat – das Referendum ergriffen. Am 30. November stimmen die Luzerner über die Revision des Universitätsgesetzes ab. 

Eine Anspruchshaltung könne sich nicht durchsetzen, entgegnet CVP-Kantonsrat Adrian Bühler. «Bereits heute ist im Unigesetz die Freiheit der Forschung festgeschrieben. Daran wird sich nichts ändern.» Zudem sei es auch in anderen Kantonen durchaus üblich, dass eine Uni mit privaten Mitteln aufgebaut werde. «Auch die Luzerner Rechtswissenschaftsfakultät wurde mit Drittmitteln aufgebaut – und es kommt heute wohl niemandem in den Sinn, die Freiheit der Forschung in Frage zu stellen.»

Drittmittel nur für den Aufbau

Auch Bildungsdirektor Reto Wyss war anwesend. Er hielt die Eröffnungsrede und erklärte darin, dass die Drittmittel einzig für den Aufbau der Uni genutzt würden, nicht aber für den Betrieb. Dieser würde über Beiträge der Kantone, Bundesbeiträge, Forschungsbeiträge sowie Studiengebühren finanziert.

Die Luzerner Wirtschaft habe ein Bedürfnis nach den Talenten, so Unternehmer Sieber: «Heute muss ich diese aus Zürich abwerben.» Doch einfach eine weitere Wirtschaftsfakultät will auch er nicht. Sie soll eine Lücke füllen, die auch andere Unis nicht anbieten. Sie soll praxisorientierter sein. Das sieht auch das revidierte Gesetz vor. Im Konzept sind Unternehmensführung und Gesundheitsökonomie die neuen Ansätze.

Kritik an Transparenz

Ein weiterer Kritikpunkt am revidierten Unigesetz ist die Transparenz. Das Gesetz sieht vor, dass Spenden über 500’000 Franken im Geschäftsbericht öffentlich gemacht werden. Bei Beträgen darunter kann die Bildungskommission Einsicht verlangen. Das reicht der SP und der Juso nicht. Lorenz spricht von einer «mangelhaften» Lösung, gerade in Zeiten, in denen in den meisten Kantonen das Öffentlichkeitsprinzip gilt. Warum werden nicht alle Beiträge transparent? Zum Schutz der Spender, wie Sieber sagt: «Das Problem gibt es auch in den Bereichen Sport und Kultur – die Geldgeber wollen nicht auffallen, weil sie fürchten, von Sponsorenanfragen überhäuft zu werden.»

«Die SP ist dagegen, auch wenn der Kanton 100 Prozent bezahlt.»

SP-Kantonsrätin Priska Lorenz

Kritisiert wurde auch, dass sich eine Wirtschaftsfakultät mit der Hochschule konkurrenziert. Bühler: «Es wird gewisse Überschneidungen geben, das ist so. Aber ich bin überzeugt, dass es keine Konkurrenz sein wird, sondern eine Ergänzung.» In allen Kantonen der Schweiz würden beide Systeme nebeneinander funktionieren. «Wieso nicht auch in Luzern?»

Erst Nein – dann überdenken

Dass sich die Universtität anpassen muss und auch wachsen soll, darin sind sich alle einig. Das notwendige Finanzierungsmodell jedoch spaltet die Parteien. Für die Juso gibt es einen dritten Weg. «Wenn das Volk am 30. November Nein sagt zum revidierten Universitätsgesetz, hat der Regierungsrat wieder etwas Zeit, über die Finanzierung nachzudenken», sagte Joël Mayo. Für die SP hingegen wäre ein anderes Finanzierungssystem keine Lösung. «Die SP ist dagegen, auch wenn der Kanton 100 Prozent bezahlt. Eine Wirtschaftsfakultät ist das falsche Angebot», so Lorenz.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von _stuckithomas
    _stuckithomas, 17.11.2014, 18:03 Uhr

    Sie begegnet uns häufig: die Abwehrhaltung gegen das Neue. Man könne ja schon Wirtschaft studieren in Luzern. Woraus folge, dass es dasselbe nicht nochmal an der Uni brauche.

    Das Argument ist immun gegen sachliche Einwände, wie etwa, dass das neue Angebot nicht dasselbe ist, wie das bestehende. Oder den Hinweis, dass jährlich hunderte Gymnasiasten ausserkantonal Wirtschaft belegen, dass also dem Interesse für dieses Fach offensichtlich nicht ausreichend entsprochen ist bislang. Selbst die mandalahafte Wiederholung, dass das neue Angebot ganz explizit nicht am bestehenden rühren soll, verhallt ungehört.

    Das neue Angebot setzt ganz andere Schwerpunkte. Etwa Volkswirtschaft und Unternehmertum. Oder Gesundheitsmanagement. Es erweitert das bestehende Angebot. Und knüpft zugleich an bestehender Kompetenz unserer Region an, etwa im Gesundheitswesen. Ähnlich wie das bestehende Angebot bereits überregional einen guten Ruf geniesst, bietet das neue Angebot diese Chance für den Gesundheitssektor.

    Das Abwehr-Argument vergleicht gesellschaftliche Entwicklung mit einem Kuchen, dessen Stücke immer kleiner werden, je mehr Gäste man hat. Das Ganze aber, so bin ich überzeugt, ist mehr als die Summe seiner Teile.

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  • Profilfoto von M_Roos
    M_Roos, 13.11.2014, 11:39 Uhr

    Punkto falschem Angebot bin ich anderer Ansicht als Frau Lorenz. Sicher wären auch andere Studiengänge sinnvoll, z.B. Medizin oder aus dem technischen Bereich. Der Aufbau solcher Fakultäten kostet aber ein Vielfaches dessen, was eine Wirtschaftsfakultät kostet, welche ohne kostenintensive Labore und Apparate auskommt. Eine Wirtschaftsfakultät entspricht aber durchaus einem grossen Bedürfnis. So studieren aktuell weit über tausend Zentralschweizer Maturanden Wirtschaft an den Schweizer Unis und nicht etwa an der Hochschule Luzern, welche zwar vor der Haustüre liegen würde, sich aber hauptsächlich an Berufsmaturanden richtet und für gymnasiale Maturanden überdies eine mind. 1-jährige Berufserfahrung voraussetzt. An der Uni Zürich müssen zudem viele Wirtschaftsvorlesungen per Video in einen zweiten oder gar dritten Hörsaal übertragen werden, damit die Studierenden ausreichend Sitzplätze finden. Ein Luzerner Studiengang Wirtschaft mit besonderen Schwerpunkten würde somit nicht nur von vielen Zentralschweizern, sondern sicher auch von vielen weiteren Studierenden aus der ganzen Schweiz ausgewählt werden.

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