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Neuer Kindergarten in Rotkreuz

Eine Villa für Kinder

Der Kindergarten sieht wie ein Wohnhaus aus. (Bild: Gerold Kunz)

Vom Zug aus erscheint das Gebäude am Siedlungsrand wie ein Einfamilienhaus. Erst aus der Nähe gibt es sich als öffentliches Gebäude zu erkennen. Die vielen Spielmöglichkeiten in der Umgebung lassen die Nutzung als Kindergarten erahnen. Hier steht ein Haus, das Kinder willkommen heisst.

Meine Fehleinschätzung ist vermutlich ein grosses Lob für die Architekten. Ich hatte das Bauvolumen des neuen Kindergartens am Siedlungsrand von Rotkreuz vom Zug aus fälschlicherweise als Einfamilienhaus identifiziert. Der pavillonartige Gebäudecharakter, das ausladende Dach, die hochrechteckigen Fenster und der vorgelagerte Garten sind Attribute, wie sie zu einem Wohnhaus passen.

Die Parzelle, umgeben von voluminösen Mehrfamilienhäusern, hatte ich einer Wohnzone zugeschrieben. Erst aus der Nähe zeigte sich mir aufgrund der respektablen Gebäudedimensionen die wahre Nutzung. Ein Kindergarten – oder besser Kinderhaus – ist hier in naturnaher Umgebung entstanden.

Schildkrötenpanzer als Dach

Zu den Vorzügen des Projekts von Melk Nigg Architects, das 2018 aus einem Studienauftragsverfahren hervorging, zählt das grosse Dach, das zwischen Boden und Himmel einen Raum aufspannt, der den Kindergarten bildet. Das wie ein Schildkrötenpanzer geformte Dach, dessen Länge und gedrungene Form Geborgenheitsgefühle vermittelt, wird von Oblichtern durchstossen. Zusammen mit den vielen raumhohen Glasflächen wirkt das Gebäude transparent. Was drinnen und draussen geschieht, ist sichtbar.

Ein frühes, modernes Vorbild für einen Kindergarten lieferte Giuseppe Terragni in Como. Sein 1936/1937 realisiertes Asilo Sant’Elia beflügelte Planer*innen während Jahrzehnten für mehr Transparenz. Sein vor über 80 Jahren erstelltes Gebäude zeichnet sich durch grosse Glasflächen aus, die Licht in alle Winkel der Innenräume dringen, aber auch die Stimmung einer Industriearchitektur aufkommen lassen.

Unterschiedliche Lichtquellen

Diese quasi auf totale Transparenz ausgerichtete und somit für den gläsernen Menschen bestimmte Architektur wird heute hinterfragt. Die Kinder in Terragnis Einrichtung würden ausgestellt, die Innenräume offenbarten keine Geheimnisse, wurde von Fachleuten bemängelt. Die totale Transparenz wurde von der Architekturkritik zusehends als Herrschaftssymbol interpretiert.

In Rotkreuz ist die Stimmung anders. Obwohl viel Licht vorhanden ist und sich das Gebäude transparent gibt, dringt das Tageslicht dosiert ins Innere. Unterschiedliche Lichtquellen leuchten den Innenraum differenziert aus. Es entstehen hellere und dunklere Zonen. Das Licht setzt Akzente. Diese Lichtregie trägt zu einer wohnlichen Stimmung bei. Man fühlt sich geborgen, fast wie in einem Einfamilienhaus.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinz Gadient
    Heinz Gadient, 17.05.2021, 13:18 Uhr

    Danke für den Artikel. Wirklich ein ganz tolles Objekt. Gehe ich mir nächstens mal aus der Nähe anschauen.

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