Architektur
Blog
Otto Pfeifer campierte monatelang auf Baugrundstück

Der Luzerner, der das perfekte Haus bauen wollte

Haus Otto Pfeifer Hasenberg Udligenswil (Bild: Wikimedia Commons/WES1947)

Wenige Zentralschweizer erlebten den Aufschwung der Moderne so hautnah wie der Luzerner Fotograf Otto Pfeifer. Mit seiner Kamera begleitete er die grossen Namen der Kunst- und Architekturszene, darunter Pablo Picasso. Dies spiegelt sich in seinem Eigenheim wider, das er 1960 auf dem Haasenberg in Udligenswil errichten liess.

Der Luzerner Architekturfotograf Otto Pfeifer kannte sie nahezu alle – die grossen Männer der Moderne. Persönlichkeiten wie Pablo Picasso, Richard Neutra oder Marc Chagall standen Modell für seine Porträts. Für namhafte Architekten wie Le Corbusier und Alvar Aalto fotografierte er architektonische Ikonen. Im Jahr 1960 liess er das von ihm selbst geplante Eigenheim im luzernischen Udligenswil erbauen.

Dabei gelang es Pfeifer, der sich selbst stets im Schatten der grossen Persönlichkeiten aufhielt, einen architektonischen Coup zu landen. Beinahe nahtlos fügt sich das «Haus Otto Pfeifer» mit all seinen modernen architektonischen Elementen in die hügelige Landschaft des Haasenbergs ein. Das Gebäude steht als Sinnbild für eine Lebensgeschichte, die eng mit dem Aufkommen der Moderne als auch mit der Region Luzern verknüpft ist.

Mitten in den Aufstieg des Nationalsozialismus

Noch kurz vor seinem Tod im Jahr 1999 erzählte Otto Pfeifer in einem Interview mit SRF, dass man alles, was man im Leben aufnimmt, zumindest versuchen sollte, innerlich zu verarbeiten und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Und zu verarbeiten gab es in seinem Leben vieles. Pfeifer wurde kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 in Luzern geboren. Nach dem Abschluss seiner Lehre als Flachmaler studierte er an der Kunstgewerbeschule Luzern, unter anderem beim Zentralschweizer surrealistischen Maler und Grafiker Max von Moos.

Otto Pfeifer
Porträt von Otto Pfeifer. Das Aufnahmedatum ist nicht bekannt. (Bild: James Perret / Emanuel Ammon)

Doch von den Surrealisten sollte er sich bald verabschieden. Das aufkommende Medium Film begeisterte den noch jungen Künstler. Seiner Leidenschaft folgend, zog er schliesslich nach Berlin, um an der dortigen Filmakademie zu studieren. In den 1930er-Jahren erlebte Pfeifer eine sich in Aufruhr befindende deutsche Gesellschaft, arbeitete mit Filmemachern wie Luis Trenker zusammen und wurde nicht zuletzt Zeuge des Aufschwungs des Nationalsozialismus. Dies veranlasste ihn 1937 zur Flucht in die Schweiz.

Zwischen Luzern und der Welt

Zurück in Luzern, eröffnete er ein Atelier für technische und wissenschaftliche Fotografie und finanzierte seinen Lebensunterhalt durch Auftragsarbeiten und als Fachlehrer für Fotografie. Doch diese Tätigkeiten erfüllten den umtriebigen Freigeist Pfeifer nicht vollumfänglich. Stetig war er auf der Suche nach neuen Motiven für seine Kamera als auch neuen kulturellen Projekten. So holte er als Mitinitiator die 1952 stattfindenden Weltausstellung der Fotografie in die Zentralschweiz.

Und wenn die Welt nicht zu ihm kam, dann besuchte er sie selbst. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit Fliegerei und Reisen, die ihn zu Bildbänden über kulturelle Landschaften wie «Provence, Rhôneland und Camargue» (1952) und «Côte d’Azur» (1960) inspirierten. Gleichzeitig führte sein wachsendes Interesse an der Industrie- und Architekturfotografie zu Zusammenarbeiten mit nationalen sowie internationalen Architekten.

Eine architektonische Vision auf dem Haasenberg

Ende der 1950er-Jahre begann Pfeifer sein neues Eigenheim zu planen, dessen Bau er schliesslich in Zusammenarbeit mit dem Architekten Josef Stadelmann 1960 ausführen liess. Das Haus, anmutig gelegen in der mystischen Hügellandschaft um Udligenswil, schmiegt sich nahezu schwebend an den Kamm des Haasenbergs. Umgeben von Wiesen und Wäldchen, bietet es einen ungestörten Blick Richtung Süden, auf den Vierwaldstättersee und den Zugersee sowie die dahinter liegenden Innerschweizer Alpen.

Dabei setzte Pfeifer das um, was er durch sein fotografisches Auge jahrzehntelang studiert hatte. Le Corbusier soll in der Planungsphase gar eine Entwurfsskizze beigesteuert haben, die Pfeifer jedoch unpassend erschien – sehr zum Missfallen des renommierten Architekten. Doch Pfeifer bestand auf einer eigenen Vision. Er wollte die architektonische Moderne mit seinen Stahlbetonkonstruktionen, grossen Fenstern und offenen Grundrissen selbst in die Natur der Zentralschweiz integrieren.

Monatelang campierte Pfeifer dafür auf dem Baugrundstück, um die Bedingungen von Licht, Wind und Wetter genau zu studieren. Das Haus sollte ein Teil der Landschaft werden. Dies zeigte sich auch in vielen perfektionierten Details. So bezog das Haus sein Wasser aus einer Regenwasserzisterne und das Küchenfenster wurde genau auf seine Grösse zugeschnitten.  

Das Vermächtnis eines Freigeists

Als Pfeifers Freund und Architekt Richard Neutra nur wenige Hundert Meter entfernt ebenfalls ein Haus errichten wollte, lehnte Pfeifer dies ab. Neutra, der selbst unzählige moderne Klassiker auf den Hügeln Südkaliforniens gebaut hatte, sollte sich nicht auch noch auf dem Haasenberg niederlassen. Es scheint, dass Pfeifer, der keine eigene Familie hatte, sein Paradies für sich behalten wollte.

Ob er tatsächlich während der Planungsphase auf die Hilfe seiner bekannten Freunde verzichtete, wird wohl ein Geheimnis der Geschichte bleiben. So ist mittlerweile auch eine Skizze seines Freundes August Boyer aufgetaucht, die den Grundriss des Hauses zeigt. Die Frage nach der Beteiligung Dritter in der Planungsphase mag jedoch auch weniger von Bedeutung sein. Denn das Haus spiegelt das Leben einer Person wider, deren Essenz in der sorgfältigen Beobachtung und Reflexion des Erlebten und somit gerade auch durch die Beeinflussung der Umwelt bestand.

Kostenloses Wohnmobil

Fast vierzig Jahre lebte Pfeifer allein in seinem Haus, von wo aus er weiterhin die Welt fotografierte. Seine Fähigkeiten als Architekturfotograf wurden schliesslich mit dem Anerkennungspreis des Bundes Schweizer Architekten (BSA) im Jahr 1986 und dem grossen Kunstpreis der Stadt Luzern im Jahr 1994 gewürdigt.

Vielleicht waren es diese Anerkennungen, die ihn dazu bewogen, noch zu Lebzeiten die Stiftung Otto Pfeifer zu gründen. Diese Stiftung, die sich unter anderem für den Erhalt seines Hauses einsetzt, stellt kreativen Menschen auch ein Wohnmobil für zwei Monate kostenlos zur Verfügung. Mit diesem kann man von Luzern aus die Welt bereisen und anschliessend seine gesammelten Erkenntnisse in die Region zurückführen – eine Förderung, die der freiheitsliebende und zugleich mit Luzern eng verbundene Pfeifer sicher geschätzt hätte.

Der fotografische Nachlass von Otto Pfeifer wird vom Museum im Bellpark verwaltet, wo auch seine letzte grosse Ausstellung stattgefunden hat.

Verwendete Quellen
  • SRF-Beitrag «Porträt Otto Pfeier»
  • Austausch mit dem Museum im Bellpark 
  • Informationen von der Website der «Stiftung Otto Pfeifer»
  • Artikel: «Über den Wolken am Vierwaldstättersee: Das Wohnhaus des Architekturfotografen Otto Pfeifer in Udligenswil», veröffentlicht in der Zeitschrift «Heimatschutz = Patrimoine», geschrieben von Ivo Bösch
  • Artikel: «Udligenswil, Haus von Otto Pfeifer: Eine Architekturikone», entnommen aus dem Buch «Was erzählt werden muss: Eine etwas andere Kulturgeschichte des Kantons Luzern», verfasst von Judith Rickenbach
  • Gespräch mit einer Person, die 1994 an einer von Otto Pfeifer geführten Hausbesichtigung teilnahm
Architektur
Blog
Von Architektur und Städtebau sind wir alle betroffen. Im Architektur-Blog werden aktuelle Projekte aus Luzern und Zug verhandelt. Er dient Laien und Fachleuten als Diskussionsplattform und macht das regionale Bewusstsein für Baukultur öffentlich.
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon