Mangelnde Auswahl sorgt für Missmut

«Scheinwahl»: Luzerner Baugenossenschaft ABL in der Kritik

Wie üblich bei Gesellschaften kann man auch bei der ABL nur Ja oder Nein sagen zu einer vorgeschlagenen Vorstandskandidatin. (Bild: zvg / Adobe Stock)

Die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) wählt ein neues Vorstandsmitglied. Zwei Mitglieder finden, es sei gar keine Wahl, weil es nur eine Kandidatin gibt. Brisant ist: Offenbar gäbe es mehrere kompetente Bewerber für das Amt.

Auf der Homepage der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL) ist Folgendes zu lesen: «Sie [die ABL] gewährt auf vielfältige Weise Mitsprache, pflegt eine offene Kommunikation und schafft Transparenz.» Bloss: Nicht alle Mitglieder sinf gleichermassen einverstanden mit dieser Aussage. Doch von vorne.

Am Montagabend treffen sich die Genossenschaftlerinnen der ABL zu einer Informationsveranstaltung. Die eigentliche Generalversammlung findet wenig später schriftlich statt. «In den beiden vergangenen Jahren führte dieses Verfahren zu einer deutlich höheren Stimmbeteiligung», heisst es auf der Webseite.

Die rund 13’000 Mitglieder dürfen heuer nicht nur über die Wiederwahl der bisherigen Vorstandsmitglieder entscheiden. Ebenfalls können sie neu ein achtes Mitglied in den Vorstand wählen.

Wahlvorschlag sorgt für Missmut

Nur eine einzige Person wird gemäss Traktanden für das neue Vorstandsamt vorgeschlagen. Bloss: Im Vorfeld fand mit fünf Bewerbern ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren statt, wie zwei verlässliche Quellen gegenüber zentralplus bestätigen. In der Schlussrunde hätten sich zwei valable Kandidaten befunden, welche die nötigen Qualifikationen für das Amt mitbringen würden.

Dass dem Plenum dennoch nur eine einzige Person vorgeschlagen werde, kritisieren die erwähnten ABL-Mitglieder, welche ihre Namen nicht auf zentralplus lesen möchten.

«Es ist nicht nachvollziehbar, warum die ABL-Mitglieder nicht wählen dürfen im engeren Sinn, sondern nur eine Person bestätigen dürfen, die vom Findungsausschuss vorgängig ausgesucht wurde», monieren sie.

Wie sieht eigentlich die Rechtslage aus?

Auch sei den beiden Kritikern nicht klar, auf welche gesetzliche Grundlage diese Praxis beruhe. Tatsächlich bleiben die Statuten in Bezug auf die Generalversammlung ziemlich vage. «Die Generalversammlung hat unter Vorbehalt der Urabstimmung folgende Kompetenzen: Wahl der Vorstandsmitglieder, des Präsidenten oder der Präsidentin und der Revisionsstellen.»

Benno Zgraggen, Medienverantwortlicher der ABL, sagt auf Anfrage: «Der Einer-Wahlvorschlag für den Vorstand und die Geschäftsprüfungskommission entspricht unserer Praxis, die sich sehr gut bewährt hat und jeweils sehr hohe Zustimmung findet.»

«Die Auswahl einer Kandidatin oder eines Kandidaten erfolgt mit grösster Sorgfalt nach umfassenden Kriterien.»

Benno Zgraggen, Medienverantwortlicher ABL

Die Anforderungen für die strategische Vorstandsarbeit seien hoch, so Zgraggen weiter. «Das Gremium trägt eine grosse Verantwortung. Die Auswahl einer Kandidatin oder eines Kandidaten erfolgt deshalb mit grösster Sorgfalt nach umfassenden Kriterien.» Im Übrigen sei diese Handhabung auch bei anderen Genossenschaften die gängige Praxis.

Entsprechend sehe man bei der ABL keinen Anlass, das Auswahlverfahren zu ändern. «Vereinzelte Anfragen von Mitgliederseite haben wir jeweils im Vorstand diskutiert und beantwortet», sagt Zgraggen.  

Er beteuert: «Die Kandidatin hat nach dem mehrstufigem Wahlverfahren in allen Belangen überzeugt. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter bekommen mit ihr eine gute Kandidatin, die unser Gremium sehr gut ergänzt und das Anforderungsprofil in allen Belangen erfüllt.»

Gesetzlich unbedenklich

Die Rechtsanwältin und Titularprofessorin Sabine Kilgus ist Spezialistin in Sachen Genossenschaftsrecht. Sie hält fest: «Von Gesetzes wegen ist das Vorgehen der ABL wohl in Ordnung. Eine Zuwahl kann erfolgen, auch wenn nur eine Kandidatin oder ein Kandidat vorgeschlagen wird. Es sei denn, in den Statuten ist etwas anderes festgelegt.»

Sie ergänzt: «Die Genossenschaften können in ihren Vorschriften grundsätzlich weiter gehen, als es das Gesetz vorsieht.»

In den Statuten der ABL ist keine solche Sonderregelung festgehalten, die Genaueres über das Auswahlverfahren für neue Mitglieder der Verwaltung festlegen. Das erstaunt Kilgus wiederum nicht. Im Gegenteil: «Es wäre sehr aussergewöhnlich.»

Die Forderung nach einer «richtigen Wahl» mit einer Auswahl an Kandidaten tauche aber insbesondere bei Genossenschaften immer wieder auf. Die aktuelle Kritik sei kein Einzelfall.

Genossenschaft: Näher an der AG, als man denkt

Kilgus dazu: «Viele Mitglieder denken, eine Genossenschaft funktioniere wie ein staatlicher Betrieb. Dem ist jedoch nicht so. Letztlich verhält es sich bei dieser Gesellschaftsform nicht viel anders wie bei einer AG oder einem Verein.» In der Regel schlage die Verwaltung eine Person zur Wahl vor. «Wichtig ist, dass das interne Auswahlverfahren statutenkonform erfolgt. Möglich ist indes, dass an der Generalversammlung spontan eine Gegenkandidatin oder -kandidat aufgestellt wird.»

Sie gibt zu bedenken, dass in grossen Gesellschaften insbesondere Leute gesucht würden, welche über eine bestimmte Expertise verfügen. «Dort kann man nicht einfach jemanden wählen, der sich in einem Fachbereich nicht auskennt.

«Es wäre schwierig, überhaupt kompetente Leute zu finden, die das mitmachen würden.»

Sabine Kilgus, Titularprofessorin und Anwältin

«Stellen Sie sich vor, eine grosse Firma rekrutiert unter grossem Aufwand, mit einem mehrstufigen Verfahren, neue Verwaltungsratsmitglieder. Dann schlägt sie mehr Personen zur Wahl vor, als Sitze zur Verfügung stehen», erläutert Kilgus. «Diese müssen sich aufstellen lassen, mit dem Risiko, nicht gewählt zu werden. Es wäre schwierig, überhaupt kompetente Leute zu finden, die das mitmachen würden.» Wenn auch nicht unmöglich, ergänzt sie.

Auch eine Frage des Persönlichkeitsschutzes

In jedem Fall sei der Persönlichkeitsschutz der Kandidierenden zu wahren. Namentlich, wenn den Genossenschaftlerinnen mehrere Personen zur Wahl gestellt würden, erklärt sie. «Wer sich für ein solches Verwaltungsratsmandat bewirbt, durchläuft einen ähnlichen Bewerbungsprozess wie für eine Arbeitsstelle. Die Leute reichen also etwa ihren CV ein.»

«Es ist gut, dass man sich heute mehr Gedanken darüber macht, wie ein solcher Prozess vonstatten gehen sollte.»

Sabine Kilgus, Titularprofessorin und Anwältin

Darum sei der Persönlichkeitsschutz so wichtig: «Es ist also undenkbar, dass im Falle der ABL rund 13’000 Personen Zugriff auf spezifische Daten haben. Etwa auf die Lebensläufe der Kandidierenden», sagt Kilgus. Möglich sei aber, dass von einem Nominationskommittee zwei Personen für ein Amt vorgeschlagen werden statt traditionellerweise nur eine Person.

«Das heisst aber nicht, dass es in der Vergangenheit immer gut gelaufen ist mit den gängigen Verfahren. Es ist gut, dass man sich heute mehr Gedanken darüber macht, wie ein solcher Prozess vonstatten gehen sollte», so die Professorin. Wichtig sei, dass die Abläufe professionalisiert würden.

Kritik an der ABL ist nicht neu. Letztes Jahr sorgte die SP für Schlagzeilen, als sie die steigenden Verwaltungskosten anprangerte (zentralplus berichtete). Beim Vorstand kam dies nicht sehr gut an.

Verwendete Quellen
  • Jahresbericht 2021 der ABL
  • Statuten der ABL
  • Telefongespräch mit Sabine Kilgus
  • Schriftlicher Kontakt mit ABL-Mediensprecher Benno Zgraggen
  • Persönlicher Kontakt mit ABL-Mitgliedern
  • Mitteilung der ABL zur vorgeschlagenen Kandidatin
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