Luzern: Hektisches Seilziehen um Parkhaus-Projekt

Wirtschaft und Bürgerliche stemmen sich gegen vorzeitigen Tod des Musegg-Parkhauses

Legen die Briefe an die Politiker ein: Franz Stalder (v.l.), Patric Graber, Alexander Gonzalez und Ferdinand Zehnder.

(Bild: lwo)

Beerdigt die Politik nach der Salle Modulable schon das nächste Grossprojekt? Schon diesen Donnerstag könnte das umstrittene Parkhaus Musegg versenkt werden. Doch gegen die Allianz von SP, Grünen und GLP treten jetzt vier Wirtschaftsverbände an. Sie verlangen ein Mitspracherecht – für sich und das Stimmvolk. Die CVP kündigt gar eine Volksinitiative an.

Diesen Donnerstag könnte es gehörig krachen. Das Stadtparlament berät an seiner Sitzung unter anderem das dringliche Postulat «Auf Umzonung und Baurecht für das Parkhaus Musegg verzichten» von SP, Grünen und GLP. Diese drei Parteien verfügen seit den Wahlen im Frühling über eine Mehrheit von 25 zu 23 Sitzen – und bekämpfen das in ihren Augen völlig unnötige Projekt vehement (siehe kleine Box). Sie fordern, dass der Stadtrat die Zusammenarbeit mit den privaten Initianten «unverzüglich» beendet.

Nichts als Nachteile?

SP, Grüne und GLP sind gemäss neustem Vorstoss überzeugt: «Der Bau und Betrieb des Parkhauses Musegg wäre mit einer massiven Belastung der angrenzenden Quartiere, einer zusätzlichen Belastung der bestehenden Verkehrsknoten und beträchtlichen Risiken in Bezug auf Baukosten und Geologie verbunden.» Zudem sei der für den Bau erforderliche Abbau von 300 bis 600 oberirdischen öffentlichen Parkplätzen «gewerbefeindlich und scheint unrealistisch». Die Stadt sei zudem zu stark in das Projekt involviert – diese Ressourcen solle sie laut den Initianten besser für die Suche nach eigenen Lösungen im Bereich Cartourismus und Parkierung einsetzen.

Hängig ist auch noch eine diesen September eingereichte GLP-Motion, die das Parkhaus ebenfalls verhindern will.

Hält diesen Donnerstag die Öko-Allianz, wäre das Vorhaben bereits am Ende, die Stimmbürger könnten nichts mehr zum Projekt sagen.

«Stadt wird ein unberechenbarer Partner»

Nun aber legen sich die CVP sowie Wirtschaftsvertreter für das Projekt ins Zeug. So teilte die CVP diesen Dienstag mit: «Wir fordern, dass die Stadtbevölkerung über die weitere Planung des Musegg Parking entscheiden kann. Wir werden eine Volksinitiative lancieren, falls der Grosse Stadtrat am Donnerstag das dringliche Postulat zum Abbruch der Planung überweist.» Obwohl der Stadtrat und auch das Parlament sich mehrfach für die Planung ausgesprochen haben, soll laut CVP nun kurz vor der Entscheidungsfindung die öffentliche Diskussion abgebrochen werden. «Damit wird die Politik in der Stadt Luzern einmal mehr zu einem unberechenbaren Partner», teilt CVP-Grossstadtrat Roger Sonderegger mit. Die Initiative dürfte bei SVP und FDP auf offene Ohren stossen. SVP-Präsident Peter With allerdings ärgert sich, weil die Idee dazu von ihm stammt und nun die CVP als Initiantin vorprescht (hier gehts zum Artikel).

Vorprojekt liegt bereits beim Kanton

Aktuell ist geplant, dass das Volk nächstes Jahr über die fürs Projekt benötigte Umzonung und das Baurecht abstimmen kann. Das Vorprojekt liegt seit Kurzem beim Kanton zur Vorprüfung auf. Noch dieses Jahr will auch der Stadtrat dazu Stellung nehmen.

Das Projekt sieht ein unterirdisches Parkhaus im Musegghügel mit Platz für 670 Autos, 36 Reisecars und sieben Car-Anhalteplätze vor. Ziel ist die Entlastung und Aufwertung des Schwanenplatzes und der Innenstadt. Die Kosten von 150 Millionen Franken sollen von Privaten, der Musegg Parking AG, getragen werden. Diese will das Parkhaus betreiben und damit natürlich auch Geld verdienen. Als Kompensation für die neuen Parkplätze müssten wegen des vom Volk angenommenen Mobilitätsreglements 300 bis 600 oberirdische Parkplätze abgebaut werden.

Die Ansicht zeigt das geplante unterirdische Parkhaus Musegg und weitere bestehende Parkhäuser in der Umgebung.

Die Ansicht zeigt das geplante unterirdische Parkhaus Musegg und weitere bestehende Parkhäuser in der Umgebung.

(Bild: zvg)

Parkhaus-Verwaltungsratspräsident Fritz Studer ist bitter enttäuscht über den Vorstoss von SP, Grünen und GLP. «Ich bin schockiert. Die linken Parlamentarier wollen das Projekt versenken, bevor die konkrete Ausgestaltung auf dem Tisch liegt», sagte er gegenüber der «Luzerner Zeitung». Er habe das Gefühl, man wolle den öffentlichen Diskurs verweigern. «Die Unterzeichner haben ein eigenartiges Verständnis von Demokratie», sagte Studer. Das Volk müsse doch die Möglichkeit haben, dazu Stellung zu nehmen. Grüne und GLP haben auf Studers Aussagen prompt reagiert (siehe Box am Textende).

Können sie das Steuer herumreissen?

Angesichts des drohenden Absturzes diesen Donnerstag im Stadtparlament bäumt sich nun nebst den bürgerlichen Parteien in letzter Sekunde auch die Wirtschaft auf. «Wirtschaftsverbände verlangen von der Politik die sachliche Auseinandersetzung mit dem Projekt», lautet ein offener Brief von den vier Playern Alexander Gonzales vom städtischen Wirtschaftsverband, Patric Graber von Luzern Hotels, Franz Stalder von der City-Vereinigung und Ferdinand Zehnder von der Luzern Tourismus AG. Adressiert ist dieser Brief an die 48 Stadtparlamentarier sowie die fünf Stadträte. Die Wirtschaftsvertreter schreiben darin: «Wir sehen das Projekt als prüfenswert und eine Chance für eine notwendige Entwicklung im Zentrum der Stadt Luzern.»

«Wir wollen eingebunden sein in die Stadtentwicklung.»

Aus dem offenen Brief der Wirtschaftsverbände an die Politiker

Als Vorteile listen Gonzalez und seine Mitstreiter auf: Für die Touristenstadt Luzern sei es essentiell, Reisebussen langfristig eine zentrumsnahe Zufahrt zur Altstadt zu bieten. Weiter sei die gute Erreichbarkeit auch mit dem Auto für die in der Stadt ansässigen Unternehmen im Handel, im Bereich Dienstleistungen und Gastronomie überlebenswichtig. Zudem sei die Stadt angesichts der wachsenden Konkurrenz – Stichwort Mall of Switzerland in Ebikon – gezwungen, innovativ und attraktiv zu bleiben. Und nicht zuletzt würde ja auch die Bevölkerung profitieren, da Hunderte von abgebauten Oberflächenparkplätzen in der Klein- und Neustadt neu genutzt werden könnten.

Sie kämpfen gegen ein abruptes Ende des Parkhaus-Projekts: Franz Stalder (v.l.), Patric Graber, Ferdinand Zehnder und Alexander Gonzalez.

Sie kämpfen gegen ein abruptes Ende des Parkhaus-Projekts: Franz Stalder (v.l.), Patric Graber, Ferdinand Zehnder und Alexander Gonzalez.

(Bild: lwo)

Im offenen Brief appellieren die Wirtschaftsvertreter eindringlich an die Politiker: «Wir wollen eingebunden sein in die Stadtentwicklung. Ein abrupter Stopp würde die sachliche Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Projekt ohne Not vorzeitig verhindern und gerade auch unsere Kreise aussen vor lassen.» Deshalb sei die abgeschlossene Projektstudie des privaten Initiativkomitees unter Einbezug aller Betroffenen eingehend zu prüfen.

Ferdinand Zehnder ist CVP-Kantonsrat, zudem sitzt er im Verwaltungsrat von Luzern Tourismus. Er sagt: «Einmal mehr möchten Private in Luzern etwas auf die Beine stellen. Das begrüssen wir sehr. Wenn die Politik solche Engagements nun voreilig abklemmt, wirkt das abschreckend auf künftige Projekte.» Das gelte es zu verhindern.

«Wir sollten zuerst über das Vorprojekt diskutiern können, bevor es einfach im Keim erstickt wird.»

Franz Stalder, City Vereinigung

Für Patric Graber, Präsident von Luzern Hotels, gehts zu diesem Zeitpunkt nicht vorrangig um ein klares Ja oder Nein zum Parkhaus. «Ob dieses Projekt schlussendlich überzeugt, weiss ich heute auch noch nicht. Mich stört aber die Art und Weise, wie das Vorhaben nun abgeklemmt werden soll, wo doch das Vorprojekt noch nicht einmal öffentlich diskutiert werden konnte.» Graber hofft noch immer, dass das Stadtparlament am Dienstag den Vorstoss von SP, Grüne und GLP nicht überweisen wird.

Alexander Gonzalez präsidert den städtischen Wirtschaftsverband. Er fügt an: «In einer Demokratie wie der unseren soll doch das Volk die Möglichkeit haben, bei solch wichtigen Projekten das letzte Wort zu haben.» Das sieht Franz Stalder, Präsident der Luzerner City Vereinigung, genauso. Und er fügt an: «Wir sollten zuerst über das Vorprojekt diskutiern können, bevor es einfach im Keim erstickt wird.»

Hoffnung trotz hoher Hürden

Die vier Wirtschaftsvertreter räumen allerdings auch ein, dass das Projekt ein paar hohe Hürden nehmen müsste. Speziell der Abbau von Hunderten Parkplätzen in der Klein- und Neustadt würde ja gerade bei Ladenbesitzern für grossen Aufruhr sorgen. Gonzalez sagt dazu: «Das ist sicher ein Punkt, der noch viel zu Reden geben würde. Wir hoffen hier, dass der Stadtrat diese Kompensation mit Augenmass umsetzt.» Heisst: Nicht allzuviele Parkplätze aufhebt, und dann lieber solche ausserhalb des Zentrums.

«Die Bevölkerung hätte einen grossen Mehrwert von diesem Projekt.»

Ferdinand Zehnder, CVP-Kantonsrat

Dass die bürgerlichen Parteien nun eine Volksinitiative in Betracht ziehen, um das Projekt zu retten, finden die vier Wirtschaftsvertreter zwar gut. «Aber es würde auch eine unnötige Verzögerung mit sich bringen», sagt Graber. Und CVP-Kantonsrat Zehnder ist überzeugt: «Die Bevölkerung hätte einen grossen Mehrwert von diesem Projekt – es würde dank der wegfallenden Parkplätze viel Platz frei für eine andere Nutzung. Deshalb könnte das Parkhaus in einer Volksabstimmung auch Chancen haben.»

Warnung vor abschreckender Wirkung

Fritz Studer von der Parkhaus Musegg AG ist sehr dankbar für den Support der CVP und der Wirtschaft: «Das zeigt deutlich, welch hohe Relevanz unser Projekt für die KMUs, Tourismus, Hotellerie und grosse Teile der Bürgerschaft in Stadt und Kanton Luzern hat.» Bei Annahme des Postulates sei das Projekt in Frage gestellt. Der Ex-Chef der Luzerner Kantonalbank mahnt: «Dies würde in Zukunft Public-Private-Partnership-Projekte massiv erschweren oder gar verunmöglichen.»

So könnte der Eingang zum Parkhaus Musegg aussehen.

So könnte der Eingang zum Parkhaus Musegg aussehen.

(Bild: zVg)

Man sei klar der Meinung, dass die nun vorliegenden detaillierten Unterlagen zusammen mit dem Carparkingkonzept und den vom «Forum attraktive Innenstadt» gemachten Abklärungen eingehend vom städtischen Parlament diskutiert werden sollten.

Auch Stadtrat könnte Projekt beerdigen

Doch selbst wenn das Stadtparlament diesen Donnerstag den dringlichen Vorstoss von SP, Grünen und GLP nicht überweist, könnte dem Parkhaus-Projekt der vorzeitige Absturz blühen. Denn es könnte gut sein, dass anschliessend der Stadtrat zum Entschluss kommt, dass das Projekt nicht unterstützungswürdig ist. Was ebenfalls das Aus bedeuten würde.

Innerhalb des Stadtrates dürften Martin Merki (FDP) und die neu gewählte, aber erst in ein paar Monaten das Amt antretende Franziska Bitzi Staub (CVP) dem Parkhaus eher positiv gegenüberstehen. Bei Adrian Borgula (Grüne) und Beat Züsli (SP) hingegen überwiegen ziemlich sicher die Nachteile. Züsli sagte diesbezüglich erst kürzlich gegenüber zentralplus: «Aus meiner Sicht ist der Bedarf für eine grössere Anzahl Parkplätze nicht gegeben, da die bestehenden Parkhäuser selten ausgelastet sind. Das unbestritten vorhandene Problem mit den Reisecars muss mit anderen Mitteln gelöst werden, eine fertige Lösung gibt es aber dazu wohl (noch) nicht.»

Ausschlaggebend könnte im Stadtrat folglich die Haltung von Baudirektorin Manuela Jost (GLP) sein. Angesichts des klaren Neins ihrer Partei dürfte eine zustimmende Haltung von Jost allerdings sehr überraschen.

Zum offenen Brief der Wirtschaftsvertreter sowie dem Vorstoss der CVP will sich Züsli erst am Donnerstag im Parlament äussern.

GLP und Grüne schiessen zurück

SP, Grüne und GLP hätten ein «merkwürdiges Verständnis von Demokratie», ärgerte sich Fritz Studer von der Parkhaus Musegg AG über die Absicht der drei Parteien, das Projekt vorzeitig abzuschiessen.

Das wiederum lassen sich die Angegriffenen nicht bieten. So wehrt sich etwa Christian Hochstrasser (Grüne) in einem Mail an Studer, das zentralplus vorliegt: «Nirgendwo in der Schweiz kann die Bevölkerung über ein Projekt, eine Umzonung oder einen Baurechtsvertrag abstimmen, wenn das zuständige Parlament nicht vorher zustimmt. Das ist rechtsstaatlich selbstverständlich.» Beispiele dafür gebe es einige, zuletzt etwa die Salle Modulable.

Weiter schreibt Hochstrasser: «Die Zustimmung des Parlaments scheint bei Ihrem Projekt in den nächsten Jahren aufgrund der bisherigen Debatten höchst unwahrscheinlich. Unser Postulat verhindert, dass Sie und Ihre Mitarbeitenden viel Arbeit, Geld und Energie in ein Projekt investieren, für welches der Schiffbruch im Stadtparlament bereits vorprogrammiert ist.» Ein Kompromiss sei nicht möglich. «Aus diesen Gründen ziehen wir das ehrliche, transparente Vorgehen vor.»

GLP: Keine Lösung für die Probleme

Auch GLP-Grossstadtrat Jules Gut hat sich per Mail bei Studer beschwert. Gut zeigt auf, dass die GLP das Parkhaus-Projekt schon seit Langem ablehnt, die Gründe seien bekannt. Genauso wie der Umstand, dass die drei Parteien seit den letzten Wahlen eine Mehrheit haben. Überraschend könne der neuste Vorstoss deshalb kaum kommen. Zudem würde das Parkhaus wohl erst zehn Jahre nach der Mall of Switzerland eröffnet werden können. Als Lösung für die Probleme im Detailhandel tauge das Projekt folglich nichts.

«Als Grünliberale sind wir der Ansicht, dass ein neues Parkhaus nur die heutigen Strukturen auf Jahre hinaus zementieren wird. Andere Städte wie Rostock, Nantes, Zürich, Basel, Bordeaux, Kopenhagen usw. zeigen aber schon heute, dass es sehr wohl gut funktionierende Alternativen gibt», schreibt Gut weiter.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marcel Sigrist
    Marcel Sigrist, 14.12.2016, 12:45 Uhr

    Liebe Unterstützer, fragt mal nach wie die Ein- und Ausfahrt aussieht. Gezeigt wird immer noch die Visualisierung aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Durch dieses Loch kommen sicher keine Reisebusse, der erste bleibt gleich stecken 😉

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