Andréas Härry feiert 20 Jahre hauseigene Musicalproduktion

Wie sich das Le Théâtre in Emmen zum Musical-Mekka mauserte

Andréas Härry ist Co-Leiter des Le Théâtre. (Bild: Marjana Ensmenger)

Das Le Théâtre in Emmen feiert diesen Freitag das 20-Jahre-Jubiläum der hauseigenen Musicalproduktion. Co-Leiter Andréas Härry blickt im Interview zurück, erzählt, wie das Theater zu seinem heutigen Stellenwert gekommen ist – und weshalb das Theater bis heute in der Schweiz ein einzigartiges Standing geniesst.

Was hat ein Gasbetrieb in Kriens mit einem Theater gemeinsam? Ganz schön viel. Denn in einem ehemaligen, kleinen Gasbetrieb in der Nähe der Kuonimatt beginnt vor rund 35 Jahren die Geschichte des heutigen Le Théâtre und des Restaurants Prélude in Emmen. Diese Entwicklung folgt dabei keinem stringenten Plan, sondern gründet vielmehr auf dem Bauchgefühl mehrerer Kulturbegeisterter.

Mit der heutigen Le-Théâtre-Co-Geschäftsführerin Sonja Greber arbeitet Andréas Härry ab 1996 im kleinen Familienbetrieb. Damals beginnen sie neben dem Tagesgeschäft mit Grills und Gasflaschen neue Geschäftsfelder aufzubauen: Zeltbau, Modeschauen und Jubiläumsanlässe stehen genauso auf der Tagesordnung wie die Konzeption von immer grösser werdenden Unterhaltungsshows. Genau diese Vielseitigkeit gehört bis heute zu den Erfolgsfaktoren des Le Théâtre, verrät Andréas Härry im Interview.

zentralplus: Andréas Härry, die Kulturbranche wurde in der Corona-Pandemie extrem gebeutelt. Trotzdem dürfen Sie diesen Freitag 20 Jahre Musicalproduktion feiern. Welche Gedanken und Gefühle haben Sie?

Andréas Härry: Wir sind extrem dankbar, dass uns die Gemeinde Emmen, die Sponsoren, der Kanton und unser Förderverein in dieser schweren Zeit unterstützt haben. Fakt ist nämlich, dass es uns ohne diese Hilfen heute nicht mehr geben würde. Entsprechend emotional werden sicher auch die Jubiläumsanlässe am Freitag und Samstag.

zentralplus: Apropos Jubiläum: Welches waren für Sie rückblickend die wichtigsten Meilensteine von 20 Jahren Musicalproduktion?

Härry: Sicherlich der Sprung ins kalte Wasser im Jahr 2002, als wir als erste Produzenten der Schweiz eine lokale Sage – «Der Drachenstein» – zu einem selbst geschriebenen Musical verarbeiteten und erstaufführten. Während zwei Spielzeiten waren unsere Vorstellungen ausverkauft – und das im KKL! Rückblickend war es Wahnsinn, was wir damals mit Mut und viel Naivität auf die Beine gestellt haben. Zum Glück ist es gut gekommen …

«Prélude heisst übersetzt Vorspiel jeder Art, auch Ouvertüre oder Eröffnung. Die Franzosen brauchen vom Schlafzimmer bis ins Theater nur ein Wort.»

Andréas Härry, Co-Geschäftsführer Le Théâtre und Restaurant Prélude

zentralplus: Und dann kamen die grossen Umzüge nach Kriens ins Schweighofquartier und später nach Emmen.

Härry: Genau, die damalige KKL-Geschäftsleitung hat uns signalisiert, dass unsere Musicals nicht optimal ins damals vorab Klassik aufführende Haus am See passen. Somit benötigten wir eine neue Bühne. In Kriens, in einem Industriegebäude, fanden wir eine kleine, aber geeignete Lokalität. 11 Jahre waren wir dort, bis wir einsehen mussten, dass die Fläche nicht mehr ausreicht. Wir haben nach einer Alternative gesucht.

zentralplus: Und diese in Emmen gefunden?

Härry: Der Entscheid, in Emmen im ehemaligen Gersag-Kongresszentrum etwas Grösseres aufzubauen, kam auch dadurch zustande, dass wir hier die Möglichkeit hatten, das Restaurant ebenfalls zu übernehmen – eine optimale Ausgangslage für die Zuschauerlogistik und auch Finanzierung des Theaters.

zentralplus: Inzwischen seid ihr seit Herbst 2017 in Emmen zu Hause. Der Name des Theaters («Le Théâtre») sowie des Restaurants («Prélude») passt auf den ersten Blick eher weniger zur Gemeinde Emmen.

Härry: Beide Namen haben mit meinem welschen Hintergrund zu tun. Ich bin in Genf und im Waadtland aufgewachsen. Prélude heisst übersetzt Vorspiel jeder Art, auch Ouvertüre oder Eröffnung. Die Franzosen brauchen vom Schlafzimmer bis ins Theater nur ein Wort. Die Idee hinter dem Ausdruck: Unsere Gäste sollen im Restaurant ihren Abend im Theater gastronomisch eröffnen, in eine Atmosphäre fernab ihres Alltages eintauchen können.

«In unseren Anfängen hörten wir am Telefon von einem New Yorker Verleger auch schon: ‹Where the fuck is Kriens?›»

zentralplus: Kommen wir zurück auf Ihre eigentliche Arbeit, der Produktion von Musicals. Im Dezember 2022 folgt eine weitere schweizerische Premiere, der Broadway-Hit «On your Feet!», die Lebensgeschichte der Queen of Latin-Pop Gloria Estefan («Conga»). Weshalb fiel der Entscheid auf dieses Musical?

Härry: Seit den Erfolgen von «Rock of Ages», «Sister Act» und «Der Ball» haben wir international den Ruf als ideale und sorgfältige Bühne für Schweizer Erstaufführungen von Broadway-Produktionen. In unseren Anfängen war das nicht so, da hörten wir am Telefon von einem New Yorker Verleger auch schon: «Where the fuck is Kriens?». Heute kennen die Verlage uns und unsere Qualitätsvorstellungen. «On Your Feet!» war am Broadway ein grosser Erfolg und somit bemühten wir uns um die Schweizer Erstaufführungsrechte dieser mitreissenden Show.

«Sister Act» im Le Théâtre:

zentralplus: Anschliessend steckt ihr die Köpfe zusammen und los geht’s mir der Produktion?

Härry: Es ist ein Erfolgsfaktor für uns, neue Stücke ausprobieren zu können. Anders als das Theater 11 in Zürich oder das Musicaltheater in Basel haben wir «nur» ein Fassungsvermögen von 700 Zuschauerinnen und Zuschauern, unsere Hauskosten sind niedriger. Viel Technik, Licht und Ton, gehören uns selbst. Wir produzieren die Musicals von A bis Z in Eigenregie, von der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler bis zur Kommunikation machen wir alles im Haus. Daraus resultieren zugängliche Ticketpreise bei gleichzeitig qualitativ hochstehenden Vorstellungen.

zentralplus: Ein weiterer Erfolgsfaktor scheint auch das Team zu sein, welches ihr um euch aufgebaut habt.

Härry: Der Erfolg steht und fällt mit dem Team. Wir sind ein Familienbetrieb. Mit meiner Co-Geschäftsleiterin Sonja Greber bin ich seit 35 Jahren «unterwegs». Die künstlerische Leiterin des Hauses ist Irène Straub, meine Frau, die auch als Sängerin in unseren Produktionen auf der Bühne steht. Technische Mitarbeiter sind jahrzehntelang dabei. Dazu kommen langjährige Kooperationen mit dem Regieteam, der musikalischen Leitung, Licht- und Tondesigner.

«Musicals gehen der Gesellschaft in gesellschaftlichen Themen wie beispielsweise Fragen rund um die sexuelle Orientierung oder Geschlechterrollen voraus.»

zentralplus: Und Sie arbeiten als Chef auch am Mischpult und helfen als Service-Mitarbeiter im Restaurant aus, hat mir eine Mitarbeiterin verraten.

Härry: Er lacht. Genau, ab und zu streife ich mir weisse Handschuhe über und helfe bei der Bedienung unserer Gäste im Service aus.

zentralplus: Das ist für einen Co-Geschäftsführer eines Theaters aber nicht typisch.

Härry: Vielleicht ist das auch ein Punkt, weshalb die Menschen gerne zu uns kommen. Wir setzen uns alle, unabhängig von unseren deklarierten Funktionen, in allen Bereichen für unser Le Théâtre ein. Da kann es vorkommen, dass meine Frau, Bühnen-geschminkt und mit montiertem Mikrofon bereit für die Show, an der Theaterkasse 5 Minuten vor Vorstellungsbeginn noch ein Ticketproblem löst. Eine Musicaldarstellerin sagte mir kürzlich, dass sie noch nie in einem Theater den Produzenten so viel zu Gesicht bekam wie bei uns. Er lacht.

zentralplus: Ist diese Vielseitigkeit der Grund, weshalb Sie seit Jahren mit Leidenschaft vorab Musicals selbst produzieren?

Härry: Wenn ich bei einer Musical-Premiere in der Regie an meinem Mischpult sitze, 50 Personen auf und neben der Bühne nervös bereitstehen und 700 Personen im Publikum darauf warten, bis sich der Vorhang langsam zur Seite bewegt: In diesem Moment will ich mit niemanden tauschen – das ist pures Theater-Produzenten-Glück!

zentralplus: Es wäre wünschenswert, wenn diese Leidenschaft auch in zwanzig Jahren im Le Théâtre derart spürbar ist: Wie sieht die Zukunft des Genres Musical aus?

Härry: Schwer zu sagen. Fakt ist: Neue, international erfolgreiche Musicals wurden in den letzten fünf Jahren intelligenter, haben mehr Tiefgang bekommen. Man bearbeitet vorab in den USA Stoffe und Themen, die zum Teil wirkliche Relevanz haben. Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen und sagen: Musicals gehen der Gesellschaft in gewissen Themen, wie beispielsweise Fragen rund um die sexuelle Orientierung oder Geschlechterrollen, voraus. Solche Stücke nehmen wir gerne auf. Denn das Musical kann etwas schaffen, wo das klassische Theater oft scheitert: Vermeintlich schwierige Themen werden durch die Verpackung in viel musikalischem und inhaltlichem «Zucker» breiter zugänglich, kommen niederschwellig an und regen so – mit positiver Färbung – zum gesellschaftlichen Diskurs an.

«20 Jahre Musicals in der Zentralschweiz»: Le Théâtre befeiert dieses Jubiläum diesen Freitag und Samstag mit einem musikalisch-gastronomischen Abend. Ein Ensemble aus Sänger und Tänzerinnen präsentiert Melodien aus zwei Dekaden Produktionsgeschichte. Informationen

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Andréas Härry

Hinweis: zentralplus ist Medienpartner des Le Théâtre in Emmen

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