Erlebnisse gehen den Sozialberaterinnen nahe

Kirchliche Sozialberatung Luzern ist so gefragt wie nie

Das Team der Sozialberatung (v.l.n.r.): Angela Reutimann, Susanne Huber, Doris Krummenacher (Leitung), Marlène Lustenberger. (Bild: Reformierte Kirche Stadt Luzern)

Die Pandemie hat benachteiligte Menschen besonders schwer getroffen. Die Sozialberatung der Reformierten Kirche Luzern war im Jahr 2021 so gefragt wie nie.

Die Reformierte Kirche Luzern setzt ein Team aus vier Personen ein, um eine Sozialberatung anzubieten. Das Team hat 2021 die Pandemie zu spüren bekommen. Noch nie haben so viele Menschen dieses Angebot der Kirche genutzt.

Wie die Kirche mitteilt, haben 279 Einzelpersonen, Paare und Familien aus der Region Luzern eine Sozialberatung beansprucht. Dies sind im Vergleich zum Vorjahr 17 Personen mehr. Gemäss Doris Krummenacher, Leiterin der Sozialberatung, geht dies auf das Konto der Pandemie: «Die Corona-Massnahmen des Bundes haben die Menschen, die bereits vor der Pandemie in schwierigen Situationen lebten, hart getroffen.»

Gesundheit, Einsamkeit und finanzielle Probleme

Die Gründe, warum sich Menschen an die Kirche wenden, sind vielfältig. Viele sorgen sich um ihre Gesundheit oder sind einsam. Wegen der Pandemie-Massnahmen haben sich diese Probleme noch verschärft. Durch die Kurzarbeit oder auch weil Nebenverdienste in der Pandemie weggefallen sind, haben sich auch die finanziellen Probleme der Menschen verstärkt.

Viele Familien, die eine Sozialberatung brauchten, litten laut der Reformierten Kirche Luzern unter Isolation, Homeoffice und Ähnlichem. Den anderen nicht mehr aus dem Weg gehen zu können hat Konflikte untereinander befeuert. «Als Folge davon leiden sie unter grosser Erschöpfung. In der Sozialberatung, die mit ihrem breiten Angebot Menschen in verschiedensten Lebenslagen unterstützt, wurde gemeinsam nach Lösungen für die Kinderbetreuung und Entlastung der Mutter gesucht», schreibt die Kirche.

Grafik: Jahresbericht Sozialberatung, der Reformierten Kirche Luzern.

Auch die Schuldenberatung hat klar zugenommen. Es kann schnell gehen und eine Familie landet in den Schulden. Doris Krummenacher gibt einige Beispiele: «Unerwartete Gesundheitskosten, eine dringend notwendige Zahnbehandlung oder Auslagen für die Ausbildung der Kinder sprengen oft ein knappes Familienbudget.»

Die Reformierte Kirche Luzern hat im Jahr 2021 rund ein Dutzend Fälle mehr registriert, die Expertinnen haben 142 Familien beraten, deren Mütter alleinerziehend waren.

Angebot ist neben unserem Sozialsystem nötig

Die Schweiz hat zwar ein gut funktionierendes Sozialsystem. Trotzdem ist das Angebot der Kirche dringend nötig. «Es gibt immer wieder Menschen, die durch die Maschen unseres Systems fallen. Wir füllen da eine Lücke», sagt Robert Delaquis, Kirchenvorstand Ressort Soziales. Die Kirche hat den Vorteil, auf den Menschen eingehen zu können, ohne sich an all die Leitplanken der Bürokratie halten zu müssen.

Die Behörden wissen auf jeden Fall, wie wertvoll die Arbeit der Kirche ist. Sie leiten auch ab und zu ihre Klienten weiter, die bei ihrem System durchfallen würden. «Die Sozialarbeiter der Stadt machen dies wirklich super», betont Delaquis. «Unser erfolgreicher Ansatz wird auch von den staatlichen sozialen Institutionen anerkannt und wir arbeiten eng mit diesen Fachstellen zusammen.»

Geschichten, die ans Herz gehen

Wie kann die Reformierte Kirche konkret helfen? Delaquis schildert uns den Fall einer Frau, die kurz vor der Pensionierung steht. In der Pandemie haben sie und ihr Mann sich getrennt. Sie steht nun alleine da, der Kontakt zum alten Freundeskreis ist durch die Trennung gekappt. «Da der Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht geglückt ist, lebt sie von Frauenalimenten und muss mit einem sehr knappen Budget durchkommen.»

«Wir sehen oft, dass Frauen allgemein und während der Pandemie besonders stark belastet sind.»

Reformierte Kirche Luzern

Die Frau bekommt Beratungen von der Kirche. Einerseits zum Thema Finanzen, andererseits geht es darum, die Trennung zu verarbeiten. Durch die Beratung wird die Frau auch auf Quartiertreffen hingewiesen. Sie schafft es, neue soziale Kontakte zu knüpfen.

Eine weitere Geschichte ist die einer alleinerziehenden Mutter zweier Kinder. Sie war schon vor der Pandemie durch die Pubertät des Sohns stark gefordert. Homeschooling, Isolation und Quarantäne brachten das Fass zum Überlaufen. Gemeinsam mit der Sozialberatung wird nun nach Lösungen gesucht. Wie können «Ruheinseln» für die Mutter geschaffen werden? Wie kann ein Hortplatz trotz wenig finanzieller Mittel organisiert werden? «Wir sehen oft, dass Frauen allgemein und während der Pandemie besonders stark belastet sind», schreibt die Kirche.

Vier Frauen für 279 Fälle

Auch wenn die Nachfrage für die Sozialberatung gross ist, bei der Reformierten Kirche sind nur vier Frauen für dieses Angebot eingestellt. Leiterin Doris Krummenacher arbeitet mit Angela Reutimann, Susanne Huber, und Marlène Lustenberger zusammen.

Viele Geschichten, die sich das Team anhört, gehen unter die Haut. Damit die vier Frauen nicht selbst mit den Schicksalen psychisch belastet nach Hause gehen, sprechen sie miteinander über das Erlebte. «Das sind die ganz traditionellen Mittel, die wir zur Bewältigung einsetzen», sagt Delaquis.

Verwendete Quellen
  • Jahresbericht Sozialberatung 2021
  • Medienmitteilung Reformierte Kirche Luzern
  • Telefongespräch mit Robert Delaquis, Kirchenvorstand Ressort Soziales
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