Parteien beurteilen Arbeit der Exekutive

Halbzeit für Luzerner Stadtrat: Kritik und Wünsche

Das Parlament der Stadt Luzern. Links vorne die Grünen, dahinter die SP, in der Mitte GLP und CVP, rechts vorne SVP- und dahinter die FDP-Grossstadträte. (Bild: mbe.)

Der aktuelle Luzerner Stadtrat ist seit zwei Jahren im Amt. Wie zufrieden sind die im Grossstadtrat vertretenen Parteien mit der Arbeit der Regierung? zentral+ fragte nach Strategien, Innovationsgeist und Teamspirit des Gremiums. Kritik kommt von überraschender Seite.

Eines fällt auf: Obwohl dem Stadtrat regelmässig vorgeworfen wird, er politisiere links, sind die Mehrheitsverhältnisse anders: Im Luzerner Stadtrat wie im Parlament haben die Bürgerlichen die Mehrheit (siehe auch Infobox). Dennoch erhält der aktuelle Stadtrat vor allem Lob von der SP, auch die CVP und die Grünliberalen geben eine tendenziell positive Beurteilung ab. Viel Kritik kommt aber von grüner Seite. Die in Luzern klar rechts politisierenden Stadtparteien FDP und SVP (letztere ist als einzige Partei nicht im Stadtrat vertreten) sind ebenfalls nicht begeistert von der Stadtratspolitik.

SP, Grüne und GLP loben Verkehrspolitik

Der SP gefällt vor allem die Verkehrspolitik des neuen Stadtrats. SP-Fraktionschef Nico van der Heiden führt dies direkt auf das Engagement von Adrian Borgula zurück. Gelobt wird Borgula auch, wenig verwunderlich, von seiner eigenen Partei. Korintha Bärtsch, Fraktionschefin Grüne/Junge Grüne: «Im Vergleich zu den vergangenen Legislaturen ist es beeindruckend, wie viele Geschäfte aus dieser Direktion im Rat behandelt würden und wieviele heikle Fragen, die jahrelang Diskussionsstoff waren, inzwischen angegangen und teilweise auch politisch gelöst werden konnten». Als Beispiele nennt Bärtsch die Mobilitätsstrategie und die kürzlich eingeführte durchgehende Busspur auf der Pilatusstrasse.

Die Grünliberalen finden, der Stadtrat mache generell einen guten Job, und trete stark als Kollektiv auf. «Immerhin hat er die wichtigsten Geschäfte wie Steuererhöhung, BZO-Revision und die Verselbständigung der Altersheime (HAS) bereits durchgebracht», sagt Fraktionschef Andras Özvegyi. Die Verkehrspolitik wird von den Grünliberalen ebenfalls begrüsst. Özvegyi: «Einzig mit dem Parkhaus Musegg sind wir nicht einverstanden.»

SVP übt sich in Ironie

Ein linker Stadtrat?

Im Herbst 2012 wurden Adrian Borgula (Grüne), Manuela Jost (Grünliberale) und Martin Merki (FDP) neu in den Luzerner Stadtrat gewählt. Die bisherigen Exekutivmitglieder Stefan Roth (CVP) und Ursula Stämmer (SP) wurden bestätigt, Roth gewann gegen Ursula Stämmer die Wahl zum Stadtpräsidenten. Der Stadtrat hat jetzt Halbzeit in der Legislaturperiode 2012-2016.

Auch wenn dem Stadtrat von rechter Seite oft vorgeworfen wird, links zu politisieren, die Fakten sprechen eine andere Sprache: Sowohl im Stadtrat wie auch im Parlament regiert eine bürgerliche Mehrheit. Im Grossstadtrat sitzen 19 Linke (SP, Grüne/Junge Grüne) und 28 Bürgerliche (CVP, GLP, FDP, SVP). Doch in Luzern ist auch oft die Rede von der «Mitte» – CVP und GLP spielen oft das Zünglein an der Waage zwischen links und rechts.

SVP-Grossstadtrat Peter With antwortet ironisch auf unsere Frage, was die Exekutive gut gemacht hat: «Schliessung von WCs, vor allem beim Löwenplatz, Bänkli abschrauben, Michaelshof, Schulhaus Staffeln, Schwimmbad Zimmeregg, Spielplätze schliessen, zahllose widersinnige Verkehrsanordnungen…».

Welche Projekte sollte die Exekutive mehr vorantreiben? «Wir finden, dass es zu wenig vorwärts geht bei der Entwicklung der städtischen Schlüsselareale, also der grossen Grundstücke in kommunalem Besitz», sagt FDP-Fraktionschefin Sonja Döbeli Stirnemann. «Unter dem alten Stadtrat gab es mehr Schub, beispielsweise auf der Allmend.» Dass es insbesondere in der Industriestrasse nicht vorwärts geht, bezeichnet Döbeli Stirnemann als «Trauerspiel». «Vielleicht getraut sich einfach niemand, zu entscheiden», sagt die FDP-Fraktionschefin.

Schlüsselareale rascher entwickeln

Auch CVP und die Grünliberalen fordern die raschere Entwicklung der Schlüsselareale. Peter With von der SVP sagt: «Leider geht es in der Stadt kaum vorwärts. Sei es bei der Industriestrasse, oder jetzt auch beim Pilatusplatz kommt man reichlich spät. Gemäss Planung soll erst zehn Jahre nach dem Abriss der Schmitte fertig gebaut sein, das kann ja gar nicht sein.» Die Volkspartei ortet einen Grund dafür: «Insgesamt werden viel zu viele Gutachten, Expertenrunden, Echoräume und Volksbefragungen gemacht. Dies ist keine Führung, sondern nur ein Verwalten von Problemen», so With.

Auch die Finanzen bringe man kaum und nur mit grossem Druck durchs Parlament auf Kurs. «Dafür kann es bei Verkehrsanordnungen gar nicht schnell genug gehen und teuer genug sein, zumindest so lange sie gegen den motorisierten Individualverkehr gerichtet sind», sagt der städtische Parteipräsident der SVP.

Luzern vom Durchgangsverkehr entlasten

Stadtrat Adrian Borgula sollte nach Meinung der FDP-Fraktion mehr beim Kanton weibeln, damit die Stadt Luzern endlich vom Durchgangsverkehr entlastet wird. Döbeli Stirnemann: «Es kann ja nicht sein, dass jeder von Küssnacht nach Hergiswil mitten durch Luzern fährt. Es braucht Umfahrungsstrassen wie in anderen Städten.» Der Kanton habe die Spangen Nord und Süd jedoch aus finanziellen Gründen zurück gestellt. Es brauche mehr Druck der Stadt, damit Luzern nicht leer ausgehe, findet die Fraktionschefin.

Zur Finanzpolitik angesichts leerer Kassen meint die Grossstadträtin, sie würde sich wünschen, dass der Stadtrat sich überlegt, wie man ein Projekt finanzieren kann, bevor er es lanciert. «Der geplante Beitrag von 1,7 Millionen Franken an die private Gütschbahn ist ein solches Beispiel.»

Zu den Finanzen merkt der Fraktionschef der Grünliberalen Özvegyi an, der Stadtrat müsse selbstbewusster auftreten «und die Zentrumslasten besser auf die Agglomerationsgemeinden verteilen». Auch bei der Lösung des Carproblems am Schwanenplatz wünschten sich die Grünliberalen mehr Effort. «Das Thema einfach einer Arbeitsgruppe abzugeben, wie geschehen, ist der falsche Weg. Hier müsste der Stadtrat unserer Meinung nach schneller konkretere Lösungen bringen.»

«Nachhaltigste Stadt, eine Worthülse»

Wie schätzen die Parteien das Innovationspotential des Stadtrats ein? «Innovation ist keine vorhanden, es wird nur verwaltet», findet Peter With von der SVP kategorisch. Die Zwänge in der Finanzpolitik verhinderten Innovationen, meinen die Grünen. Korintha Bärtsch: «Die bürgerliche Mehrheit im Stadtrat führt zu einer äusserst restriktiven Finanz- und Steuerpolitik. Einzig bei Umwelt- und Energiefragen zeigt der Stadtrat eine etwas fortschrittlichere Haltung, im Vergleich zu anderen Städten sind wir in Luzern aber immer noch mit kleinen Schritten unterwegs.» Und weiter: «Die stadträtliche Vision, die nachhaltigste Stadt der Schweiz zu werden, ist mit dieser Politik eine leere Worthülse.» Die aktuelle finanzpolitische Diskussion beeinflusse alle Stadtratsentscheide zu sehr, so Fraktionschefin Bärtsch.

Team scheint zu funktionieren, aber…

Und wie steht es um den Teamspirit in der Regierung? Hier erhält die Exekutive gute Noten von allen Parteien. Einzig die SVP enthält sich einer Aussage, sie könne das ohne Vertreter im Stadtrat nicht beurteilen. Die Grünen wie auch die Grünliberalen heben hervor, dass der Stadtrat nur kurze Zeit gebraucht hat, um sich als Team zu finden. CVP-Fraktionschefin Franziska Bitzi-Staub: «Der Gesamtstadtrat scheint ein gutes Einvernehmen zu haben.» Dann folgt ein Aber: «Das Gremium ringt offenbar lange nach mehrheitsfähigen Lösungen, was Entwicklungen verlangsamt. Unser Eindruck ist, dass vielfach partizipativ diskutiert und Gutachten eingeholt werden statt dass man Entscheidungen fällt und die Verantwortung dafür übernimmt.»

Korintha Bärtsch von den Grünen stellt fest: «Im Vergleich zum vorherigen Stadtrat hat man insgesamt das Gefühl, dass die meisten Stadtratsmitglieder vor allem ihre eigene Direktion führen und nicht als Gesamtstadtrat die operativen Geschicke der Stadt Luzern leiten. Die gemeinsame Strategie für die ganze Stadt ist noch nicht spürbar und sichtbar.»

Wie präsent ist der Stadtrat in der Öffentlichkeit?

Stadtpräsident Stefan Roth (CVP) ist am meisten sichtbar in der Öffentlichkeit, er nimmt sehr viele Auftritte wahr. «Als Stapi hat er seine Rolle gefunden und ist vielenorts souverän präsent», sagt Franziska Bitzi-Staub von der CVP. Adrian Borgula und Manuela Jost nehme man gut wahr, stellen die Grünliberalen fest, Martin Merki am wenigsten. Andras Özvegyi: «Dort sehe ich bei Merki noch zu fest den Charakter des ehemaligen Journalisten, der Informationen einholt und wenig von sich preis gibt.»

Von SVP-Seite heisst es, der Stadtrat markiere sehr gerne Präsenz, «insbesondere bei Anlässen». «Bei Problemen wie den Bänkli und der WC-Geschichte lässt man aber gerne einen Verwaltungsangestellten sprechen und hält sich vornehm im Hintergrund», sagt Peter With. Er kritisiert auch die Kommunikation des Stadtrats: «Sie ist bestenfalls als unglücklich zu bezeichnen, was auch die Diskussion um die Spielplätze exemplarisch gezeigt hat.»

Vergleich zum letzten Stadtrat

Und wie politisiert der aktuelle Stadtrat im Vergleich zum Letzten? Der ehemalige Grossstadtrat und Kantonsrat Hans Stutz: «Wir hatten zwölf Jahre lang eine Wohlfühlregierung unter Stadtpräsident Urs W. Studer.» Die Stärke wie Schwäche des früheren Stadtrats sei gewesen, dass er sich gut verstanden habe. Hans Stutz: «Der jetzige Stadtrat hat sich noch nicht richtig gefunden, es ist ein gewisser Stillstand spürbar.» Stutz stellt aber auch einen «positiven Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik» fest.

Unter dem früheren freisinnigen Baudirektor Kurt Bieder habe wie in den Jahrzehnten zuvor die Devise gegolten, dass Private alles am besten machten. «Jetzt geht es vorwärts geht mit dem sozialen Wohnungsbau, da der Stadtrat durch zwei Volksabstimmungen, dazu gezwungen worden ist. Und Manuela Jost muss diese Politik umsetzen, mindestens teilweise wohl gegen ihre grünbürgerliche Überzeugung.»

Lesen Sie morgen, wie die Parteien die einzelnen Stadtratsmitglieder und den Stadtpräsidenten beurteilen.


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