Flugblatt mit schweren Vorwürfen im Umlauf

SVP Escholzmatt macht gegen Einbürgerung mobil – Juso prüft Anzeige

Eine 42-jährige Frau soll in den Augen der SVP Escholzmatt-Marbach wegen unsittlichem und anstössigem Verhalten, regelmässigem Männerbesuch und übermässigem Alkoholkonsum nicht eingebürgert werden. Die Partei hat deshalb in der Gemeinde ein Flugblatt verteilt. Die Juso will den örtlichen SVP-Präsidenten nun sogar anzeigen.

Am Freitag 2. Dezember stimmen die Einwohner der Gemeinde Escholzmatt-Marbach über Einbürgerungsgesuche ab. Die örtliche SVP hat in den letzten Tagen ein Flugblatt kursieren lassen und greift darin eine Gesuchstellerin aus Ostafrika direkt an: Die Frau würde offensichtlich zu viel Alkohol konsumieren und benehme sich anstössig und unsittlich in der Öffentlichkeit, ausserdem habe sie zu jeder Tages- und Nachtzeit männliche Besucher empfangen, schreibt die Partei auf dem Flugblatt, das zentralplus vorliegt.

Die Frau lebt seit 16 Jahre in der Gemeinde, 2011 verstarb ihr Marbacher Ehemann. Die Einbürgerungskommission ist anderer Meinung als die SVP. Die Kommission kam zum Schluss, dass aus rechtlicher Sicht nichts gegen eine Einbürgerung spricht. Aus Hausbesuchen und Gesprächen sei hervorgegangen, dass die Person «mit den örtlichen Lebensgewohnheiten vertraut» sei und die örtlichen Sitten und Gebräuche kenne.

Inhalt ist ehrverletzend

Die Betroffene wird ihr Gesuch zurückziehen, erklärte sie gegenüber der «Luzerner Zeitung»: «Es hat doch keinen Sinn mehr.» Obwohl laut Felix Bommer, Professor für Strafrecht an der Universität Luzern, der Inhalt insgesamt ehrverletzend sei, verzichtet die 42-jährige Frau auf eine Anzeige. «Ich habe Angst, dass man mich dann noch mehr hassen würde», begründet die Frau den Verzicht auf eine Strafanzeige.

Der SVP-Ortsparteipräsident Fritz Gerber verteidigt die Publikation des Flugblattes. Es gehe nicht um Hetze gegen bestimmte Personen: «Der Gemeinderat hat die Bevölkerung jedoch nicht korrekt über die Gesuchstellerin informiert. Deshalb mussten wir dies übernehmen.»

Juso erwartet eine Entschuldigung

Die Juso Kanton Luzern will die Geschichte nicht abhacken: «Wir sind schockiert über das Vorgehen der SVP Escholzmatt-Marbach gegenüber einer einbürgerungswilligen Frau und sehen darin einen klaren Strafbestand», schreibt die Partei am Freitag. «Was die SVP hier macht ist Rufschädigung. Wir erwarten, dass sich Sektionspräsident Fritz Gerber persönlich bei der Frau entschuldigt und öffentlich sein Fehlverhalten zugibt», sagt Yannick Gauch, Präsident der JUSO Kanton Luzern. Er erwartet von Sektionspräsident Fritz Gerber sich bis Montagmittag bei der betroffenen Frau zu entschuldigen. Andernfalls will die Juso ein Strafverfahren wegen Ehrverletzung und Rufschädigung prüfen «und gegebenenfalls sofort einleiten».

Zudem will sich die Juso mit der betroffenen Frau in Verbindung setzen, um mit ihr die rechtlichen Möglichkeiten zu besprechen und Sie zu ermutigen Ihr Gesuch noch einmal zu stellen, teilt die Partei mit.

SVP Escholzmatt macht gegen Einbürgerung mobil – Juso prüft Anzeige
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