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Zuger Projekt will Wasserkraft zuhause nutzen

Eine grüne Zukunft dank Strom aus Regenwasser?

Die drei Akteure v.l.n.r.: Michael Hardegger, Pascal Gürber und Jannik Bruder. (Bild: zvg)

Nach umfangreichen Recherchearbeiten beschlossen drei Zuger Lernende, ein Wasserkraftwerk zu konzipieren. Ziel war es, auf dem Hausdach anfallendes Regenwasser zu nutzen und im Abwasserrohr eine Turbine einzubauen. Doch kann mit dieser Technik tatsächlich ausreichend Energie erzeugt werden?

Die Zuger Lernenden Michael Hardegger und Pascal Gürber behandelten erneuerbare Energien im Unterricht. Unter anderem waren die Wasserkraft sowie die verschiedenen Turbinenarten Unterrichtsgegenstand. So entwickelten sie grosses Interesse für dieses Gebiet und es kam die Idee auf, selber ein Wasserkraftwerk zu entwerfen.

Aufgrund des fehlenden Know-hows im Gebiet der Elektronik bauten sie ihr Projektteam mit Jannik Bruder, welcher Automatiker lernte, aus. Für die drei Lernenden war klar, dass das einheimische Wasser eine zukunftsweisende erneuerbare Energiequelle darstellt.

Den Lernenden gemeinsam war der Wunsch, etwas Dauerhaftes zu konstruieren und in Betrieb zu nehmen. Diese Arbeit sollte schliesslich etwas Nachhaltiges bewirken. Das Grossprojekt wurde durch die Talentförderung an der Gewerblich-industriellen Berufsschule GIBZ unterstützt.

Die Fragestellung

Öffentliche Kraftwerke werden nur bei grösseren Flüssen, also bei grösseren Durchflussmengen und Fallhöhen ab ungefähr zehn Metern gebaut. Dort werden mehrere Megawatt Leistung erzeugt. Die Frage der Lernenden war, ob es sich lohnen würde, bei acht Litern pro Sekunde und zwei Metern Fallhöhe eine Rohrturbine für den privaten Gebrauch zu installieren.

Würde die Frage mit Ja beantwortet werden, so könnte eigentlich in jedem Haushalt in einem Abwasserrohr eine Turbine eingebaut und Energie erzeugt werden.

Die Teilschritte

Anfangs existierte die Idee, die Anlage fix in einem Bach einzubauen. Schliesslich einigten sich die Lernenden aber aufgrund von Baubewilligungen, Rechtsgrundlagen und besseren Entwicklungsmöglichkeiten darauf, eine Turbine im Labor aufzubauen.
Die Idee des HydroLab war geboren.

Durch Besichtigungen bestehender Anlagen und Gesprächen mit Experten waren die Lernenden schliesslich bereit, sich an die Planung und Konstruktion der Anlage zu machen.

Talentförderung an der GIBZ

Alles ist möglich – gefragt sind Ideen, die den Alltag vereinfachen, für die Öffentlichkeit von Nutzen sind – technische oder humane Weiterentwicklungen, neue Denkansätze. Die Talentförderung in berufspraktischer Hinsicht am GIBZ richtet sich an alle Lernenden aller Berufe. Talentierte Lernende können ihre Projekte einreichen. Diese werden dann auf Innovationscharakter geprüft. Wird ein Projekt angenommen, erhalten die Lernenden finanziellen und personellen Support sowie Räumlichkeiten. Ohne den Support der Lehrbetriebe sind Grossprojekte aber schwer umsetzbar.

Nähere Infos unter: https://intern-gibz.lqc.ch/talent

Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Berufe (Konstrukteure und Automatiker) konnten sie ihre Anlage, bis hin zu den elektronischen Komponenten, mithilfe von Fachexperten selber planen und realisieren. Mit der Anlage war es ihnen möglich, verschiedene Fallhöhen und Volumenströme einzustellen.

Die Funktionsweise des HydroLab. (Bild: zvg)

Finales Projekt

Die Idee der Lernenden musste aufgrund der Kosten und Grösse mehrmals neu geplant werden. Das finale Labor umfasst dennoch die beachtliche Grösse von drei Metern Länge, 1,5 Metern Höhe und einem Meter Breite. Auch die Kosten konnten von mehr als 40'000 auf 17'000 Franken gesenkt werden. Über 1'500 Stunden waren die drei jungen Berufsleute an der Arbeit und dies meist in ihrer Freizeit.

Im finalen Projekt mussten die Lernenden die effektive Fallhöhe von ca. zwei Metern nicht nachbauen, sondern konnten diese mit dem Druck von 0,2 bar mittels Wasserpumpen nachbilden. Der Wasserdruck bzw. die künstlich erzeugte Fallhöhe konnte mit dem elektrischen Kugelhahn stufenlos gesteuert und reguliert werden.

In der Planung gelang es den Lernenden auch, über die möglichen Schwierigkeiten in der Versuchsanlage detailliert nachzudenken und die damit verbundenen Gefahren, wie z.B. die Erwärmung des Wassers aufgrund der Pumpen, die notwendige Grösse des Wassertanks bei einer Notausschaltung oder mögliche Vibrationen durch die enorme Wasserzirkulation, zu erkennen.

Stromgewinnung könnte sich lohnen

Das HydroLab wurde modular aufgebaut, sodass es einfach an Wettbewerben oder Ausstellungen aufgebaut werden konnte. In der Schule konnten die Lernenden auf den 3D-Drucker zurückgreifen und so gewisse Bauteile zuerst testen, bevor sie die definitiven bauten.

Hürden, wie der Umgang mit dem neuen CAD oder die Tatsache, dass Jannik Bruder eine neue Programmiersprache lernen musste, stellten sie sich. Um alle Sicherheitsaspekte zu bedenken, nahmen die Lernenden die Unterstützung der Lehrbetriebe in Anspruch.

Nebst dem technischen Wissen, welches sie sich mit diesem Projekt aneignen konnten, gewannen sie auch Sicherheit im Bereich der Kommunikation. Die Erstellung des Labors mit funktionierendem Rohrsystem und Pumpen ist gelungen. Es könnte sich also lohnen, bei acht Litern pro Sekunde und zwei Metern Fallhöhe eine Rohrturbine für den privaten Gebrauch in Betrieb zu nehmen.

Auch die Hongkonger Universität macht Versuche

Der Grundgedanke, Energie aus Kleinstwassermengen zu erzeugen, ist nun auch an der University of Hongkong ein Thema geworden. An der Hongkonger Universität wurden bereits zahlreiche Versuche unternommen, mit Regen Strom direkt zu erzeugen und es wurde dieses Jahr ein entsprechendes Paper dazu veröffentlicht.

Ein einzelner Regentropfen könnte so 140 Volt aufbringen, um damit 100 kleine LED-Lampen kurzzeitig zum Leuchten zu bringen. Zu diesem Zweck wurde ein Generator entwickelt, der eine Struktur im Stil eines Feldeffekttransistors verwendet, um aus Wassertropfen sofort eine überraschend hohe Spannung zu erzeugen.

Neuartiges Material

Generatoren aus früheren Zeiten, die ohne diese Struktur ausgerüstet waren, haben, laut den Wissenschaftlern, «tausende Male» weniger Sofort-Leistungsdichte erzeugt. Zu diesem Zweck kam ein neuartiges Material zur Anwendung.

Die neue Konstruktion des Generators verbindet eine Aluminiumelektrode mit einer mit PTFE (Polytetrafluorethylen) beschichteten Indiumzinnoxid-Elektrode. Indiumzinnoxid hat die vorteilhafte Eigenschaft der «quasi-permanenten» elektrischen Ladung.

Indiumzinnoxid gehört zu den Halbleiterstoffen, welche im sichtbaren Licht weitgehend transparent sind. Trifft nun ein Regentropfen auf die PTFE-Indiumzinnoxid-Oberfläche, werden die beiden Elektroden überbrückt und es entsteht ein geschlossener Stromkreis.

Gespeicherte Ladungen können damit vollständig freigegeben werden. Auch anhaltende Regenfälle können mit dieser Technologie bewältigt werden. Bei permanenten Regenfällen sammelt sich die Ladung bis zum Erreichen des Sättigungspunktes.

Ansätze im Vergleich

Bei der University of Hongkong handelt es sich, wie beim HydroLab, noch um ein Forschungsprojekt, bei dem «das Tal der Tränen» noch nicht durchschritten ist, um ein serienreifes Produkt vorweisen zu können.

Die Erzeugung eines kurzen Energieschubes ist vergleichsweise noch einfach zu bewerkstelligen. Genug von dieser Energie anzusammeln, um damit dauerhaft Strom zu erzeugen, ist beim «Hongkonger Ansatz» jedoch eine Dimension, die das Zuger Projekt schon erreicht hat.

Dadurch eröffnen sich bei HydroLab konkrete Anwendungsmöglichkeiten (etwa Häuser in Flussnähe oder die Nutzung von Abwasserrohren im Normalhaushalt) und somit auch bereits realistische Marktchancen. Eine entsprechende Marktumfrage ist der nächste logische Schritt, um das Marktpotenzial besser abschätzen zu können.   

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Im Fokus stehen Unternehmer und Entwickler. Autor Lars Rominger aus Menzingen, selbst ein Erfinder, Wissenschaftler und Fachbuchautor, zeigt die Menschen hinter einer Idee und stellt spannende Projekte vor.
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