Eltern
Blog
Wer bin ich? Wer war ich? Wer möchte ich sein?

Wie die Geburt meines Babys meine Identität veränderte

Auch das Umfeld muss die neue Rolle der Mutter akzeptieren. (Bild: Symbolbild: pexels)

Die Geburt eines Kindes verändert das Leben von Mama meist um 180 Grad, während das Leben von Papa meist in nur leicht angepassten Bahnen weiterläuft. In diesem ersten Teil der Blogreihe erzähle ich von der Herausforderung, mich mit meinem neuen Ich anzufreunden. Und von der Bedeutung des eigenen Umfelds, das ebenfalls lernen darf, meine neue Rolle zu akzeptieren.

Wer bin ich? Wer war ich? Und wer möchte ich in Zukunft sein? Das Mutter-Sein hat viele Aspekte, die ich mir so vorher nicht ausmalen konnte. Da ist einerseits diese neue Person, die ich gewissermassen selbst über Nacht kreiert habe. Und andererseits ist da diese Sehnsucht nach dem alten Ich. Eines, das so nie wieder zurückkehren wird. Aber was bedeutet Identität eigentlich und wie entsteht sie?

Wie ich mich als Mutter identifiziere

Der US-amerikanische Soziologe Erving Goffman definiert das Identitätskonzept unter der Verwendung der beiden Begriffe der sozialen und persönlichen Identität. Soziale Identität gewinnen wir aus unserer Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe. Persönliche Identität entsteht als Wahrnehmung des Selbst und das Wissen über sich selbst. Aber was hat das jetzt mit meinem neuen Mutter-Sein zu tun? Ganz schön viel!

Alles, was uns im Alltag begegnet, muss zuerst identifiziert werden; es muss bestimmt und benannt werden, welche Bedeutung dieses «Ding» in dieser oder jener Situation für uns hat und in Zukunft haben wird. Das ist bei der Identifikation, mich in der Mutter-Rolle zu fühlen, nicht anders. Nehmen wir dazu ein einfaches Alltagsbeispiel. Ich bringe mein Kind das erste Mal zu meiner Schwiegermutter. Natürlich hat sie mehr Erfahrung mit Babys. Schliesslich hatte sie selbst mehrere davon. Aber mein Baby ist eben mein Baby. Es ist anders, denke ich mir. Und schon fängt das «Problem» an.

Das veränderte die Geburt meines Kindes – mein neues Ich

Natürlich weiss ich, dass die Erzieherinnen mehr Know-how haben. Schliesslich haben sie (im Normalfall) auch schon etliche Kinder betreut und dabei zugesehen, wie diese grösser werden. Trotzdem ertappe ich mich, wie ich innerlich vor Wut platze, wenn ich Sätze höre wie: «Ja, also diesen Pullover würde ich auch nicht gerne tragen wollen.» Was noch schlimmer ist?

Wenn diese Sätze vom eigenen Umfeld kommen und sich Verwandte oder Bekannte – meist ohne zu fragen – in meine Mama-Baby-Beziehung einmischen. Ich habe mich dann gefragt, wie ich diesen Trigger loswerde. Und die Antwort ist – mit Goffman im Hinterkopf – eigentlich ganz einfach. Aber eben. Da ist ja noch das Wort «eigentlich».

Treffen zwei Personen aufeinander, erkunden sie immer zuerst, wer der andere ist und wer sie selbst in einer Beziehung zu dieser Person sein könnten. Je länger dann eine Beziehung dauert, desto stärker können wir unser eigenes Ich transformieren. Dauert diese Alltagsbegegnung also nur wenige Sekunden, wird sich unser eigenes Ich kaum verändern. Soweit, so gut. Das Ganze hat aber einen Haken.

Ich bin eine gute Mutter!

Je näher uns diese Personen stehen, desto grösser wird auch der Transformationsprozess, den sie in Gang setzen. Höre ich also Sätze aus meinem nahestehenden Umfeld wie «Darin wäre mir auch viel zu heiss», triggert mich das erst recht, weil sie meine Identität gewissermassen infrage stellen. Und das hat eben auch Auswirkungen auf meine neue Rolle als Mutter.

Gerade eben erst habe ich mich nämlich mit dieser neuen Rolle identifiziert. Was eigentlich schon herausfordernd genug ist. Und dann kommt da auch schon jemand, der diesen aufwendig geführten Identifikationsaufbau stört. Übersetzt heisst dieser Satz dann nämlich für mich: «Deine Mama hat keine Ahnung, was sie dir anziehen soll.» Was dann unweigerlich die Frage in mir nach sich zieht, ob ich eine schlechte Mutter bin. Wie kann ich mich von diesem Gefühl lösen?

Manchmal sollte man als Mutter gewisse Aussagen ignorieren

Das Gute daran ist, dass ich selbst entscheiden kann, wie nahe mir diese Personen kommen. Je näher sie mir sind, desto stärker legen sie meine Identität fest. Lassen wir also zu, dass uns solche Aussagen negativ idealisieren, machen wir uns klein. Stehen wir hingegen zu dem, was wir tun und sind gleichzeitig offen für diesen Aushandlungsprozess, können wir dieses neue Ich transformieren. Das nennt sich soziologisch gesprochen Rollenerweiterung.

Und wem auch das nicht weiterhelfen soll, darf beruhigt sein. Selbstbilder und Fremdbilder können auch widersprüchlich sein. Vor allem dann, wenn uns die Personen nicht so nahestehen. Bei Menschen aus unserem engsten Umfeld müssen wir nämlich meist weniger Identitätsarbeit leisten. Denn sie wissen glücklicherweise ganz genau, was wir in diesem Moment hören wollen und was nicht. Und wenn wir etwas für einmal nicht hören wollen, hilft es, die Ohren für einmal zu schliessen und gewisse Aussagen zu ignorieren.

Eltern
Blog
Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon