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Die Kinder werden so schnell gross

Vom Wachsen und Über-sich-Hinauswachsen

Wenn die kleinen Babyfüsschen plötzlich gross werden – Kinder beim Wachsen zu begleiten, ist eine Herausforderung. (Bild: nst) (Bild: nst)

Kinder beim Wachsen zu begleiten ist eine Herkulesaufgabe und zugleich wohl etwas vom Sinnstiftendsten, was wir tun können. Es ist wahrscheinlich das grösste Abenteuer, auf welches sich Menschen einlassen können.

Ich wollte nie eine Mutter sein, die sagt: «Geniesse es, die Kinder werden so schnell gross.» Nun schaue ich die Füsse der Fröleins an. Wann sind die klitzekleinen Babyfüsschen zu ordali grossen Füssen geworden? Sie werden wirklich schnell gross. Aber wenn man knietief im Kleinkindalter steckt, möchte man diesen Satz nicht um die Ohren gehauen bekommen. Kinder wachsen und entwickeln sich weiter. In Phasen, Schüben, in zähen und ringen Momenten, in grossen und kleinen Schritten. In Meilensteinen.

Und dann kommt die Pubertät. Erst schleichend. Die Eltern fragen sich: «Kann das schon sein?» – Die Zimmertüre, welche viele Jahre sperrangelweit offen stand, wird immer öfter zugezogen und dann in der Nacht wieder geöffnet. Eine Geste, die mich berührt. Auch an Tagen, an denen ich denke, wir hätten uns ein Stück weit verloren, sind wir doch verbunden. In der dunklen Nacht ganz besonders. Um wieder Kraft zu tanken für den nächsten Tag.

Wachstumsschmerz

Dass wachsen auch wehtut, sagt einem auch niemand. Physisch und psychisch in allen Facetten. Die Beine zerren und schmerzen. Die Gefühle überschlagen sich. Wann sind diese Arme und diese Beine so lang geworden? Wann hat sich ihre Sprache verändert? Da tauchen Wörter auf, die müsste ich googeln. Ich stehe vor dem Drogeriemarkt. Das grosse Frölein und ihre Freundin sind darin verschwunden.

So lange, bis ich vier E-Mails beantwortet, E-Banking gemacht und meine Füsse schon langsam zu nageln beginnen. Und, um womit herauszukommen? Durchsichtige Wimperntusche. Ja, so habe ich auch geguckt. Dachte bisher, der Sinn von Mascara sei es, dass man sie überhaupt sehe. Aber was verstehe ich schon?

Herausaltern und in Neues hineinwachsen

Ich beispielsweise musste ins Lippenstift- und Blazeralter hineinwachsen. Jetzt mit 40+ kann ich dies tragen, ohne auszusehen wie eine Dragqueen nach drei Stunden Schlaf im Kastenanzug. Wenn ich es mir recht überlege, gibt es da einige Dinge, in die ich erst hereinwachsen musste. So geht es auch den Fröleins. Es ist ein stetiger Prozess, in dem sie herausaltern aus gewissen Themen und Gegenständen und hereinwachsen in neue. Kleider, Spielzeug, Weggefährten, Zimmereinrichtung, Interessen, Schlafenszeiten und auch Sprache.

Einiges geht recht ring, anderes ist mit Wehmut verbunden. Zum Beispiel dann, wenn das Kinderbettchen – in welchem schon drei Generationen meiner Familie lagen – zu klein wird und durch ein grosses Bett ersetzt wird. Oder dann, wenn ein Lieblingspulli sich nicht mehr so zurechtzupfen lässt, dass er weiterhin passt. Dieses Wehmütigsein liegt, wenn ich es mir recht überlege, jedoch meist auf der Seite von uns Eltern.

Die Kinder lassen los und stürzen sich hinein in Neues. Ohne lange darüber nachzudenken und vor allem ohne zurückzuschauen. So hat das kleine Frölein sich gerade nach einigen Jahren vom Ballett verabschiedet und sich für den Unihockeyclub hier im Dorf entschieden. Ausschlaggebend war nebst dem Teamsport auch das Outfit. Und so wasche ich ihre Tutus ein letztes Mal, staune über die so kleinen Tanzschlärpchen und bin ein wenig wehmütig. Und dennoch weiss ich, es ist gut so, wie es ist.

Wenn ich mal gross bin, dann …

Wie oft träumen Kinder davon, was alles sein wird, wenn sie dann mal gross sind. Und dann? Wird es wirklich so toll sein, wie sie sich das Erwachsensein vorgestellt haben? In der Retrospektive war dies bei mir weniger der Fall. Zugegeben, es hat schon auch tolle Vorteile, aber es bringt eben auch Pflichten mit sich. Aber, hey, wenn mir jetzt jemand sagen würde, ich solle einen zünftigen Mittagsschlaf halten, ich würde doch ganz bestimmt nicht nein sagen.

Dennoch lasse ich ihre Visionen so, ohne diese zu zerstören. Ich mag es, den Fröleins beim Schmieden von Plänen und Entwickeln von Visionen zuzuhören. Ich lerne die Welt neu kennen, wenn ich sie durch ihre Augen sehen kann. Ich lasse mir ihre Zukunft in allen Farben erklären. Ob es dann Auswandern und das Hilfsprojekt für obdachlose Tiere sein wird oder doch lieber Bundesrätin im eigenen Lande, das werden wir sehen. Ich wünsche mir einfach, dass sie ihre Pläne nicht so schnell begraben wegen innerer und äusserer Kritiker. Auch, dass sie ein Stück Kindsein für immer in sich tragen werden. Und, wie sagte Erich Kästner: «Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.»

Ja, Kinder beim Wachsen zu begleiten, ist wohl das grösste Abenteuer, auf das sich Menschen einlassen können. Oftmals wachsen wir Eltern aber auch über uns hinaus.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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