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Wie man den Kindern einfach Grenzen setzen kann

Erziehung ohne Gewalt

Gerade im Einkaufszentrum lässt es sich gut töibelen. (Bild: Aura)

Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell sich ein Kind vom Engelchen in Sekunden in ein Teufelchen verwandelt. Und wie man bei den umstehenden Leuten in den Gesichtern ablesen kann: «Wie reagiert die Mutter jetzt wohl?»

Neulich im Laden an der Kasse. «Mami, darf ich ein Schoggiei?» «Nein, du hast heute schon Schoggi zum Dessert gehabt.» «Ich will aber ein Schoggiei.» «Nein, davon kriegst du Bauchweh.» «Aber ich will!» (Stampfen) «Schau mal, da vorne, das herzige Hündli!» «Ich will!!» (doppelte Lautstärke, doppeltes Stampfen) «Schau doch, was für ein schönes weiches Fell.» «Ich will!!!!» (liegt schreiend am Boden und schlägt Armen und Beinen um sich)

Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell sich ein herzallerliebstes Engelchen von einem Moment zum andern in ein Teufelchen verwandeln kann. Und wie man von den umstehenden Leuten dann mehr oder weniger offen beobachtet wird und in den Gesichtern ablesen kann «Wie reagiert sie jetzt wohl?». Ich gebe zu, auch ich beobachte jeweils – mit einem, wie ich hoffe, verständnisvoll wirkenden Lächeln im Gesicht – wie Mami oder Papi mit der Situation umgeht. Man kann ja immer was lernen.

Alles im Griff mit der Erziehung?

Und ehrlich gesagt, bin ich immer auch froh, dass ich nicht die einzige bin, der das passiert. Dass es kein Erziehungsfehler ist. Und da wären wir beim Thema, das mich aktuell sehr beschäftigt. Erziehung. Von den Eltern wird erwartet, dass sie die Kinder – zumindest in der Öffentlichkeit – unter Kontrolle haben. Gerade in der Diskussion um das Restaurant Weisses Kreuz ging es ja auch um gut oder schlecht erzogene Kinder, die sich im Restaurant entsprechend verhalten. Schnell einmal wird eine solche Szene interpretiert, dass die Mutter das Kind nicht «im Griff» habe.

Aber wie das Kind erziehen? Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, dass ich denke, dass es «früher» (Gottseidank in meiner Kindheit schon nicht mehr) wohl einfacher gewesen sein muss. Es wurde einem eine gewischt und fertig.

Für meinen Mann und mich war aber immer klar, wir würden unsere Kinder ohne Gewalt erziehen. Das heisst für uns nicht nur keine Ohrfeigen, sondern auch keine Klapse, kein Ziehen am Schläfenhaar («Zännihaar») und auch keine verbalen Gewaltausbrüche.

Und doch habe ich mich schon vor meiner Tochter kniend, sie an den Schultern packend und schreiend erwischt. Sie wollte partout kein Bisi vor dem ins Bett gehen machen. Und ich sah nur den Berg aus Bettwäsche vor mir, den ich am nächsten Morgen zu waschen hätte. Und da klickte es zum Glück bei mir und ich realisierte, «du schreist da als Erwachsene ein dreijähriges Kind an, das kann’s ja wohl nicht sein». Ich gab nach und wurde dafür belohnt: Mitten in der Nacht wurde ich von einem «Mami, ich muss aufs WC» geweckt. Glaubt mir, ich empfand das wirklich als Belohnung.

Grenzen setzen ja, aber nicht mit Gewalt

Schaue ich mich unter den Eltern um, entdecke ich Erschreckendes. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein gleichaltriges Kind wie meine Tochter eine Ohrfeige kassiert hat, wie Kinder am Zännihaar gezogen werden oder auch Klapse auf den Po kriegen. Auch in der heutigen Zeit noch.

Kinder testen ihre Grenzen erbarmungslos aus. Man tut dem Kind keinen Gefallen, wenn man ihm keine Grenzen setzt. Egal, wie sehr man sich vorgenommen hat, man wolle dem Kind eine Freundin sein und kein voll «uncooles» Mami, das immer stänkert.

Aber bei allem Verständnis: nicht mit Gewalt. Klar ist der Weg komplizierter und braucht viel mehr Selbstbeherrschung und man weiss nicht einmal, ob es sich lohnen wird. Was ich aber jetzt schon weiss, weil ich es mit eigenen Augen gesehen habe: Ein Kind, das mit Ohrfeigen, Klapsen oder ähnlichen Methoden erzogen wird, folgt nicht besser.

Bei uns gibt es das berühmte Time-Out. Bei gröberen Töibeli-Anfällen geht’s ins Zimmer. Das heisst dann von der Mütterberatung her «Raum geben, um Dampf abzulassen». Das wirkt eigentlich (noch) recht gut. Und in vielen anderen Fällen heisst es «ruhig bleiben, ignorieren». Das mag zwar nach Kopf in den Sand stecken tönen, aber wirkt ebenfalls erstaunlich gut. Wenn die erwartete Reaktion der Eltern ausbleibt, ist manches Trotzverhalten plötzlich nicht mehr interessant. Leider natürlich nicht immer.

Wie hätte ich auf die Anfangssituation reagiert? Ich reagiere darauf immer gleich: Ich ignoriere das Geschrei sowie alle Umstehenden, lächle die Kassiererin beim Bezahlen freundlich an und gehe. Natürlich mitsamt dem Kind. Es hört dann meist von selber auf zu schreien. Meistens draussen, wo das Spielzeug-Automaten-Auto steht. Da heisst es dann: «Mami, darf ich einen Batzen fürs Auto?»…

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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