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Wo gehöre ich hin?

Auch ich kam als verwirrtes Landei nach Luzern

Morgens an der frischen Bergluft … (Bild: Ida Huwyler)

Für das Studium ziehen viele Studentinnen vom Land in die Stadt Luzern. Das ändert den Blickwinkel, kann aber auch verwirren.

Fluchend stand ich bereits zum dritten Mal vor der Franziskanerkirche. Würde ich es zum Bahnhof schaffen oder auf Sisyphos’ Spuren den Rest meines Lebens um diese Kirche herumwandern? Statt wie eine Studentin nach einer Lehrveranstaltung an der Pfistergasse fühlte ich mich wie eine Touristin auf der falschen Seite der Kapellbrücke.

Diese Episode ereignete sich vor einigen Jahren, als ich an der Pädagogischen Hochschule studierte und diese damals genauso wie die Universität über die ganze Stadt Luzern verteilt war. Für ein Landei wie mich bedeutete dies eine zusätzliche Herausforderung im Studienalltag und ich war froh, konnte ich meistens wie ein Kälbchen der Kuh meinen Studienkolleginnen hinterhertrotten.

Die armen Städterinnen …

Heute lebe ich in der Stadt Luzern und es ist für mich nicht mehr nachvollziehbar, wie man sich auf dem Weg von der Pfistergasse zum Bahnhof verirren kann – sind es doch gerade mal einige hundert Meter.

Ich erinnere mich aber daran, wie viel Mitgefühl ich zu Studienbeginn mit den Stadtbewohnern hatte: Mussten diese doch hinter kleinen Fenstern in riesigen Häusern leben, den Herbst unter einer Nebeldecke verbringen und dafür im Sommer gefühlte 27 Stunden täglich eine Affenhitze über sich ergehen lassen. Und war es draussen doch mal angenehm, dann waren 10'000 Nachbarn sicher auch dieser Meinung.

… und die noch ärmeren Landbewohner?

Heute fühle ich genau umgekehrt. Besuche ich meine Eltern in dem Bergdorf, in welchem ich aufgewachsen bin, tun mir dessen Einwohnerinnen leid. In den Wintermonaten ist ab sechs Uhr abends niemand mehr unterwegs und tagsüber sind es auch hauptsächlich die Skitouristen in ihren fahrenden Blechbüchsen, die den Geräuschpegel dominieren.

Die neuesten Storys über Hedwigs neue Hüfte und Karis Kummer wegen seines kaputten Töfflis hauen mich auch nicht gerade aus den Socken. Immerhin haben meine Eltern einen Feldstecher in der Küche, um die grasenden Gämsen auf der anderen Talseite zu beobachten.

Hannah Montana

Klar, eine Odyssee um die Franziskanerkirche und Langeweile auf dem Land sind beides First-World-Probleme. Und doch: Die Kluft zwischen Stadt und Land, von Politikwissenschaftlern als «Cleavage» bezeichnet, scheint mir in der Schweiz sehr präsent und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dies so bald ändern wird. Und manchmal weiss ich selber nicht, wo ich hingehöre: aufs Land, weil ich den Duft von Heu liebe und mich über die Abgehobenheit der Städter nerve? Oder in die Stadt, wo was läuft und ich mich mit meinen Freunden über die Ewiggestrigen aus Hinterpfupfigen aufrege? Hin- und hergerissen wie eine Pubertierende fühle ich mich da … Aber eigentlich muss ich mich ja gar nicht entscheiden. Was sang damals Miley Cyrus alias Hannah Montana? «You get the best of both worlds!»

Nachts in der beleuchteten Stadt, wieso nicht? (Bild: Sabrina M. Eberli)
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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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