Herr der Luzerner Wirtschaftsförderung tritt ab

Zwischen Nanjing und Nebikon flirtet Walter Stalder mit der Wirtschaft

Walter Stalder, Direktor der Luzerner Wirtschaftsförderung.

(Bild: giw)

Die Luzerner Wirtschaftsförderung feiert ihr zehnjähriges Bestehen – gleichzeitig tritt Walter Stalder als Direktor zurück. Trotz schwierigem Marktumfeld gelang es ihm und seinem Team, sich bei Wirtschaft und Gemeinden Respekt zu verschaffen. Für seine Arbeit bewegt er sich in ganz unterschiedlichen Welten.

Walter Stalder begrüsst seine Besucher in einem grossen Saal mit einem massiven Holztisch als Herzstück. Darauf ein Luzerner und ein Schweizer Fähnchen. Stolz lächelnd zeigt er auf die Trophäen an der Wand – doch nicht etwa ausgestopfte Tiere säumen die beleuchteten Glasvitrinen, sondern zahlreiche Logos von Unternehmen, die in Luzern Hauptsitz oder Ableger haben.

Seit elf Jahren arbeitet Luzerns höchster Wirtschaftsförderer daran, den Kanton bei nationalen und internationalen Firmen schmackhaft zu machen. Zuvor war das Sache des Kantons, der diese Aufgabe 2006 auslagerte. «Als wir anfingen, hatten wir die Hälfte der Gemeinden, den Kanton und zwei Unternehmen als Partner.» 50 Prozent des Budgets kamen damals aus der Staatskasse.

Inzwischen finanzieren Unternehmen und Gemeinden 70 Prozent des 2,2-Millionen-Etats. Der Kanton konnte seine jährliche Beteiligung von ursprünglich 750’000 Franken auf 675’000 Franken reduzieren.

Oberstes Ziel: Niemand zieht weg

Für den Erfolg gibt der Luzerner Vollgas: «Ich bin meistens der Erste im Büro.» Noch rund ein Jahr wird der vielbeschäftigte 63-Jährige die Geschicke des Pionierprojekts mitgestalten. Derzeit läuft die Rekrutierung für seine Nachfolge. Stalder will sicherstellen, dass die Übergabe erfolgreich verläuft: «Hier sind viele persönliche Beziehungen entstanden.» Bereits vor vier Jahren hat er seinen Rücktritt angekündigt. Im Juni wird der Nachfolger eingestellt – der im Januar 2018 beginnt.

Gestartet sind er und seine inzwischen sieben Mitarbeiter mit dem Ziel, möglichst viele neue Unternehmen und damit Arbeitsplätze anzusiedeln – doch die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen richteten den Fokus der Wirtschaftsförderung vermehrt auf Besitzstandswahrung. Sein oberstes Ziel: Niemand zieht weg.

Luzern ist attraktiv

Die Arbeit der Wirtschaft schätzen die Gemeinden sehr, die freiwillig ihren Beitrag an die Stiftung ausbauten. 2016 siedelten sieben neue Firmen nach Luzern und mit ihnen kommen 90 neue Arbeitsplätze – rund 1’000 waren es schweizweit. Keine schlechte Quote, findet Stalder.

In den vergangenen zehn Jahren kamen auch klingende Namen, etwa der grösster Schokoladenhersteller der USA, die Firma Hershey, welche den weltweiten Einkauf von der Stadt aus tätigt, mit rund 20 Mitarbeitern. Oder der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney, der eine Niederlassung eröffnete – die Firma arbeitet beispielsweise mit Airbus zusammen. Grosse Namen wie Merck, MSD, Hershey oder Pratt & Withney, Corning, Schmolz+Bickenbach sind gut fürs Image – und dienen als weiteres Argument, nach Luzern zu ziehen.

«In Luzern ist jedes internationale Unternehmen ein grosser Fisch.»

Walter Stalder, Direktor Luzerner Wirtschaftsförderung

Denn der Säulikanton habe durchaus seine Qualitäten: «Hier ist jedes internationale Unternehmen ein grosser Fisch – wir können direkte Kontakte mit dem Regierungsrat, der Universität oder der Wirtschaft vermitteln.»

Das sei gegenüber der Konkurrenz im Kanton Zürich oder der Waadt ein klarer Vorteil – dort seien die meisten neu angesiedelten Firmen kleine Player, die Strukturen weniger engmaschig. Im Gegensatz zu vielen anderen Kantonen wie etwa Zug sind die Kontingente für Mitarbeitende aus Drittstaaten meist nicht ausgeschöpft.

Rund 400 Schlüsselfirmen im Kanton besucht das Team von Walter Stalder jährlich.

Rund 200 Schlüsselfirmen im Kanton besucht das Team von Walter Stalder jährlich.

(Bild: giw)

Luzern inzwischen Top-Standort

Ausserdem bietet der Kanton neben tiefen Unternehmenssteuern viel Lebensqualität – Softfaktoren haben gerade bei internationalen Firmen mit Top-Spezialisten einen hohen Stellenwert – Analysen zeigen, dass über 50 Prozent der Mitarbeiter von neu angesiedelten Firmen denn auch im Kanton wohnen. Das lässt die Kassen klingeln bei Steuern für natürliche Personen, welche 90 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen ausmachen.

«Als wir begannen, hatten wir das Image einer reinen Tourismusdestination. Firmen zogen Luzern kaum als Standort in Betracht», sagt Stalder. Inzwischen gehöre der Kanton zur Top drei oder vier auf der Shortlist im Land, die interessierte Firmen in der Regel für eine Ansiedlung in Betracht zögen.

Zur Person

Der 64-jährige Walter Stalder lebt in Eschenbach. Der ausgebildete Kaufmann studierte in einem Nachdiplomstudium an der HSG und absolvierte einen Master in Business Administration an der Universität Los Angeles. Nach seinem Rücktritt will er eine Beratungsfirma gründen und auf Mandatsbasis weiterarbeiten.

Wirtschaftsförderung – das sei eine Arbeit, die durchaus mit Glamour verbunden sei. Das liege in der Natur der Sache. Er und seine Mitarbeiter sind sehr viel unterwegs, repräsentieren, Sitzung reiht sich an Sitzung. Gleichzeitig sind er und sein Team tief verankert in Luzern – ein enormer Spagat: «Es kann sein, dass ich am Vortag ein Gespräch mit einem Exekutivmitglied einer Landgemeinde habe und am nächsten Tag bin ich beim CEO eines Multi in den USA.»

Zahlreiche Partner aus der Wirtschaft

Gerade vorhin habe er mit zwei Flüchtlingen einen Mikrokredit für deren Firmengründung abgeschlossen. Stalder, der sich als Stehaufmännchen bezeichnet, ist meist bereits um halb sieben im Büro am Alpenquai. Der dichte Arbeitstag ruht auch am Mittag und abends des Öfteren nicht, der Restaurantbesuch ist zumeist mit beruflichen Gesprächen und Netzwerkpflege verbunden.

200 der rund 400 hiesigen Schlüsselfirmen sucht die Public-Private-Partnership-Organisation jährlich auf. Eine wichtige Investition in die Bestandespflege. Er steht ausserdem in engem Kontakt mit den Gemeinden – dort hat sein Team die Fühler weit ausgestreckt. Bei sich anbahnenden Problemen – etwa fehlendem Raum für eine Erweiterung – sei man zur Stelle. Man helfe bei der Lösungssuche – auch bei Kleinstfirmen, ganz nach dem Motto «keiner zu klein, um wichtig zu sein». Die Arbeit wird geschätzt, inzwischen sind 160 Firmen Netzwerkpartner der Organisation. Sie tragen 60 Prozent des Budgets.

Enge Kontakte mit China

Während in Luzern die bestehenden Firmen intensiv betreut werden, ist die Wirtschaftsförderung auch mit zwei Repräsentanten in den USA und in China vertreten. Diese gehen aktiv auf eventuelle Neuansiedler in Luzern zu. Während es sich in den USA um einen reifen Markt mit zahlreichen potenziellen Unternehmen für den europäischen Markteintritt handelt, ist die Vertretung in China eine Investition in die Zukunft.

Essenziell für den Vorstoss nach Fernost ist dabei die Provinz Jiangsu mit rund 79 Millionen Einwohnern – sie gehört zu den am weitesten entwickelten Wirtschaftsräumen Chinas: Der Kanton Luzern hat mit der Region im Frühling 2010 ein Freundschaftsmemorandum unterzeichnet, um die Zusammenarbeit und den Austausch in den Bereichen Wirtschaft und Handel, Tourismus, Wissenschaft und Technik, Bildung und Kultur zu fördern.

Im nächsten Frühling gibt der 64-jährige Walter Stalder sein Amt ab.

Im nächsten Frühling gibt der 64-jährige Walter Stalder sein Amt ab.

(Bild: giw)

Tourismus ist ein Vorteil

«Wir konzentrieren unsere Bemühungen dabei auf Unternehmen in Privatbesitz – denn staatliche und halbstaatliche Firmen interessierten sich vor allem für Übernahmen.» Da die meisten Konzerne aus dem Reich der Mitte als Lieferanten für europäische oder amerikanische Firmen fungieren, würden sie laut Stalder derzeit selten Interesse an einer eigenen Expansion zeigen.

«Ich werde mein Pensum von 150 Prozent schrittweise reduzieren.»

Walter Stalder, Direktor Luzerner Wirtschaftsförderung

Dass Luzern als bekannte Tourismusdestination internationale Ausstrahlung geniesst – gerade bei der Oberschicht in Fernost –, sei ein grosser Vorteil. Es ist kein Zufall, dass die Wirtschaftsförderung und Luzern Tourismus mit der gleichen Brand auftreten. Denn sie arbeiten Hand in Hand zusammen. Im Herbst wird Walter Stalder mit Regierungsrat Robert Küng nach China reisen.

Anschliessend steht ein Besuch in den USA an. Einer der letzten grossen offiziellen Reisen in seinem Amt als Direktor. Doch Stalder wird sich nach seinem Rücktritt im kommenden Mai nicht einfach zur Ruhe setzen – das wäre nichts für den harten Chrampfer. «Ich werde mein Pensum von 150 Prozent schrittweise reduzieren – und dann vor allem Projekte angehen, die mir persönlich am Herzen liegen.»

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