Am Bahnhof Luzern war Geduld gefragt

Zwischen Ärger und Verständnis – die Reaktionen der Pendler

Navid Lotfranaei (links) und zwei Mitreisende: Sie sind von der Situation genervt.

(Bild: pze)

Das Zugunglück diesen Mittwoch war eine grosse Herausforderung für die Einsatzkräfte. Auch im Bahnhof Luzern ging es turbulent zu und her: fleissige SBB-Helfer kümmerten sich um gestrandete Pendler. Nun wünschen sich alle möglichst rasch den Alltag zurück. Besonders, wer im Bahnhof sein Geld verdient.

Am Mittwoch stand der ganze Bahnhof Luzern still: Ein Eurocity war im «Nadelöhr», dem Engpass unter der Langensandbrücke, entgleist. Dabei wurde die Stromverbindung des ganzen Bahnhofs lahmgelegt – nichts ging mehr. Die Pendler sassen am Bahnhof fest, die SBB musste Ersatzbusse organisieren, dadurch kollabierte kurzzeitig der Verkehr in der Innenstadt (zentralplus berichtete).

Doch wie haben es die Pendler selber erlebt? Die Reaktionen gehen auseinander, wie eine Befragung von zentralplus vor Ort zeigt.

Chinesische U-Bahn-Drücker gewünscht

Navid Lotfranaei müsste nach Ebikon. Er erklärt: «Die Busse sind komplett überfüllt. Bei all den Leuten ist es unmöglich, einzusteigen.» Er scherzt sogar: «Es bräuchte Angestellte, welche die Leute in den Bus drücken – so wie in China.»

Ihm bleibe nichts anderes übrig, als zu warten: «Wir können nichts tun, ausser unsere Zeit totzuschlagen.» Lotfranaei zeigt sich vor froh, dass er heute keinen Termin mehr hat. Ärgerlich sei der Ausfall trotzdem.

Hotline am Nachmittag überlastet

Janine Birrer müsste in Richtung Wolhusen. «Jetzt geht es mit dem Bus nach Littau. Aber da könnte sein, dass wir gerade den Bummelzug nach Wolhusen verpassen.» Dieser fahre nur jede Stunde, deshalb wäre das doch sehr ärgerlich.

«Ich habe keine Ahnung, wie ich nach Hause kommen soll.»

Gestrandete Pendlerin

Insgesamt werde es wahrscheinlich rund eineinhalb Stunden später, bis sie zu Hause sei. «Wir hätten Schule, so haben wir einen guten Grund, heute den Unterricht ausfallen zu lassen», schmunzelt Birrer. Trotzdem erlebte sie den Zwischenfall nicht nur positiv. Der Informationsservice der SBB habe nicht problemlos funktioniert: «Am Nachmittag war die Hotline unerreichbar. Sie war total überlastet», so Birrer.

Janine Birrer (links) mit ihren zwei Freunden: Bis zu eineinhalb Stunden Verspätung.

Janine Birrer (links) mit ihren zwei Freunden: Bis zu eineinhalb Stunden Verspätung.

(Bild: pze)

Eine Frau, die nach Gelfingen muss, sagt dagegen etwas hilflos: «Ich habe keine Ahnung, wie ich nach Hause kommen soll.» Wahrscheinlich fahre irgendwo ein Bus. Und wie geht’s am Donnerstag weiter, wenn der Zugverkehr noch eingeschränkt bleibt? «Ich habe ehrlich gesagt keinen Plan. Das werde ich dann morgen spontan entscheiden», so die überforderte Pendlerin.

«Hauptsache, niemand hat sich verletzt»

Trotzdem: Für die schnellen Informationen von vielen Helfern am Bahnhof verteilen viele Gestrandete den SBB gute Noten. Eine Kundin, die anonym bleiben will, meint: «Für die SBB ist das viel Arbeit, da muss man Rücksicht nehmen.» Schuld wolle sie niemandem zuschieben. «Man kann nicht sagen, ob es der Fehler der SBB war.» Und wenn schon: Fehler passieren überall.

«Viele Leute zeigen Verständnis für die Situation.»

Mitarbeiter, Information SBB

Eine andere Frau, die nach Olten muss, erklärt: «Ich weiss zwar nicht, wie spät es wird, aber dafür, welchen Bus ich nehmen muss.» Sie sei im Grunde gut informiert worden von den SBB-Mitarbeitern, so die Reisende. Einzig, wie viel Verspätung sie am Ende haben wird, konnte ihr niemand sagen. Das sei allerdings sekundär: «Hauptsache, niemand hat sich verletzt», so die Pendlerin erleichtert.

Food-Geschäfte mit deutlich weniger Kunden

Als unbefriedigender Tag wird dieser Mittwoch nicht nur den zahlreichen gestrandeten Zugfahrern in Erinnerung bleiben: Den Food-Geschäften im Bahnhof Luzern hat die Kundschaft gefehlt. Kein Food-Verkäufer wollte sich öffentlich äussern, aber der Tenor der Essensstände war klar: Am Mittwoch hat man deutlich weniger verkauft als an normalen Tagen. Man hofft, dass sich die Situation am Donnerstag entspannt.

Diese beiden Pendler müssen nach Olten – wie viel später es wird, wissen sie nicht.

Diese beiden Pendler müssen nach Olten – wie viel später es wird, wissen sie nicht.

(Bild: pze)

SBB lobt Kunden für Verständnis

Der SBB-Hilfsservice selber lobt seinerseits die Kunden. «Die meisten sind sehr tolerant», so ein SBB-Mitarbeiter. Er zeige auch ab und zu die Bilder auf dem Handy, um den Leuten zu zeigen, was genau die Ursache der Störung sei. «Viele Leute zeigen Verständnis für die Situation.» Es sei alles sehr rund verlaufen. «Um zwei Uhr waren am Bahnhof sehr viele Menschen gestrandet. Durch die Ersatzbusse konnte die Situation aber sehr schnell entschärft werden.» Auch am Donnerstag werden die Helfer nochmals im Einsatz stehen, bis wann sich die Lage total normalisiert, ist derzeit noch nicht klar.

Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen: Für einmal durften die Pendler den neuen Busbahnhof vor dem KKL benutzen.

Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen: Für einmal durften die Pendler den neuen Busbahnhof vor dem KKL benutzen.

(Bild: jwy)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Steve Goldgap
    Steve Goldgap, 23.03.2017, 18:24 Uhr

    Sehr schade nur, dass am Bahnhof Luzern keine sinnvolle Führung der Reisenden auf die Sonderbusse erfolgt. Stattdessen schicken Mitarbeiter die Gäste noch auf die im Berufsverkehr eh überlasteten Linien 22 & 23. Die Konsequenz ist leere Sonderbusse und völlig überfüllte Nahverkehrsanbindungen. Ansonsten ist die Situation aber recht entspannt und in der Gegenrichtung wird auch vernünftig informiert.

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