App für kurzweiliges Reisen durch die Schweiz

Zwei Zuger heben das Geschichtenhören auf ein neues Level

Rony Speck und Matthias Stadler haben eine App kreiert, die Reisende sowohl unterhalten, überraschen und belehren soll. (Bild: wia)

Eine Reise von A nach B kann langweilig sein. Zwei Zuger entwickeln derzeit eine App, mit der Fahrten durch die Schweiz kurzweiliger, lehrreicher und in zweifacher Hinsicht überraschend werden sollen.

Da fährt man nichtsahnend dem Zugersee entlang, passiert gerade das Dorf Oberwil, und wie von Zauberhand ertönt aus dem Autoradio eine Geschichte. Kein Märchen, kein Kasperlitheater, sondern eine kurze Geschichte über die etwas penetranten, doch architektonisch spannenden «Tobleroneblöcke», die man als Autofahrer bei der Durchfahrt vor der Nase hat.

Wenige Minuten, nachdem der Geschichtenerzähler verstummt ist, wird der Fahrer mit der nächsten Episode überrascht. Diese dreht sich um die Zugersee-Insel Eiola, die man von der Artherstrasse aus in diesem Augenblick zu sehen bekommt. Eine Geschichte folgt auf die nächste, immer weiter, bis man schliesslich im Tessin ist.

Hinter den zahllosen Stories steckt die neue App Spiri, hinter dieser wiederum stecken die beiden Zuger Matthias Stadler (36) und Rony Speck (40). Letzterer erklärt zum Projekt: «Unsere Vision ist es, dass App-Nutzer in der Schweiz, egal wo und wie sie sich bewegen, von Spiri unterhalten werden und dabei auch etwas lernen können.» Dabei liege der Fokus vorerst bei den Ausflüglern, die mit dem Auto unterwegs seien.

Diese verbinden das Handy mit dem Lautsprecher des Autos, starten die App und fahren los. «Aktuell ist für Android ein Prototyp für die Strecke von Zug nach Lugano verfügbar. Dabei wird ungefähr alle fünf Minuten eine Geschichte von etwa 90 Sekunden eingespielt», erklärt der Grafiker Matthias Stadler.

Geschichten, die in kaum einem Reiseführer stehen

Überraschend soll die App in zweierlei Hinsicht sein. Zum einen, weil sie Objekte aufgreift, die in den üblichen Tourismusführern nicht vorkommen. Zum anderen, weil man als App-Nutzer nie so recht weiss, wann die nächste Geschichte losgeht.

Doch wie weiss es die App, wann sie eine Geschichte abspielen muss? Der Informatiker Rony Speck erklärt: «Wir arbeiten mit sogenannten Geofences, also quasi virtuellen Zäunen. Durchquert man einen solchen, wird automatisch eine Geschichte abgespielt. Man kann sich diesen als festgelegten Kreis vorstellen, in den man sowohl mit dem Zug, mit dem Auto oder je nachdem auch mit einem Schiff hineinfahren kann.»

Die App setzt eine Internetverbindung voraus und verwendet GPS, Mobilfunknetz und Wlan für die Standortermittlung. «Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass uns die Daten der Leute absolut egal sind. Wir brauchen sie einzig, damit die Nutzer die Geschichten hören können», sagt Speck.

Stadler ergänzt: «Die Besonderheit der App ist, dass sie auch dann funktioniert, wenn man keiner festgelegten Route entlangfährt und selber entschieden hat, ob man nun links oder rechts abbiegt.» Anders also als Angebote, die Tourismusorganisationen – etwa mittels Hop-on-hop-off-Service – bereits zur Verfügung stellen.

Klingt simpel, ist aber aufwändig

Je mehr die beiden Zuger erzählen, desto deutlicher wird: Spiri ist zwar ein Projekt, das zunächst simpel klingt, doch äusserst aufwändig aufzubauen ist.

Für die Gestaltung der Illustrationen ist Matthias Stadler verantwortlich. (Bild: zvg)

Nicht nur was die Programmierung der App angeht, für die sich Speck neue Kenntnisse aneignen musste. Unzählige Geschichten für alle Schweizer Regionen sollen letztlich hörbar sein. Geschichten, welche von den App-Machern erst noch entdeckt und niedergeschrieben werden müssen. Zu jeder Anekdote wird ein passendes Bild hinterlegt, das zum richtigen Zeitpunkt auf dem Handydisplay erscheint. «Das kann ein Mehrwert sein für beispielsweise Mitfahrer», sagt er.

«Mit den Rednerstimmen steht oder fällt, ob das Projekt gern genutzt wird oder nicht.»

Matthias Stadler, Mitbegründer von Spiri

Last but not least braucht es geeignete Sprecher für die einzelnen Geschichten. «Weil wir vorläufig die Schweizer Bevölkerung ansprechen, werden die Geschichten auf Schweizerdeutsch erzählt.» Dazu kommt die Wichtigkeit der Stimmqualität. «Die Rednerstimmen sind das Kernelement der App. Mit diesen steht oder fällt, ob das Projekt gern genutzt wird oder nicht», ist sich Stadler bewusst.

Die Krux mit den talentierten Sprechern

Talentierte Redner zu finden, sei entsprechend schwierig gewesen. «Wir haben unseren Freundeskreis abgeklappert und sind bisher auf zwei Freunde gestossen, die das sehr gut machen und bisherigen Geschichten in einem semi-professionellen Studio für uns aufgenommen und aufbereitet haben», erklärt der Grafiker, der beim Projekt unter anderem fürs Niederschreiben der Geschichten zuständig ist.

Sehr viel Zeit haben Speck und Stadler bereits fürs Projekt Spiri aufgewendet, beide setzen sich mittlerweile hauptberuflich für die App ein. «Uns ist früh bewusst geworden, dass das Projekt eine Riesenkiste wird und entsprechend aufwändig. Doch mussten wir lernen, unseren Blick zu kanalisieren, damit wir nicht alle Probleme auf einmal sehen», sagt Stadler. «Wir müssen strategisch vorgehen. Etwa indem wir zuerst alle Kantonsstrassen abdecken. Oder aber, indem wir einen Kanton nach dem anderen abdecken. So können wir langsam ein Netz aufziehen.»

«Es wäre schade gewesen, wenn dieses nach Abschluss der Arbeit einfach versandet wäre.»

Matthias Stadler, Mitbegründer von Spiri

Geboren wurde die Idee für Spiri im Rahmen einer Abschlussarbeit, die Matthias Stadler für seine Masterausbildung in Human Computer Interaction Design machte. Einer Fachrichtung, bei der es prinzipiell darum geht, Hardware und Software möglichst nutzerfreundlich zu gestalten.

«Im Zuge der Arbeit sammelte ich während eines Jahres das Grundmaterial für ein solches Projekt. Es wäre schade gewesen, wenn dieses nach Abschluss der Arbeit einfach versandet wäre», so Stadler. Eher zufällig begegnete er kurz darauf Rony Speck, einem alten Bekannten. Er erzählte ihm Anfang 2020 von seiner Idee, Speck stieg sogleich ins Projekt mit ein.

Das Risiko ist einkalkuliert

Noch rechnet sich Spiri finanziell nicht. «Profit darf nicht unser erster Gedanke sein. Sonst verbauen wir uns vieles. Wir müssen weiterdenken, über Jahre hinaus. Deshalb ist für uns im Moment viel wichtiger, dass wir eine grosse Community aufbauen. Je mehr Leute die App nutzen, desto grösser ist ihr Wert», sagt Stadler. Speck ergänzt: «Bis jetzt ist unsere Zeit der einzige finanzielle Aufwand. Die meisten anderen Ressourcen stehen uns gratis zur Verfügung. Doch natürlich ist es so, dass unser Vorhaben mit gewissen Risiken behaftet ist. Das ist bei jedem Projekt so, das man selbständig aufbaut.»

Der Name Spiri übrigens gründet tatsächlich in der bekannten Schweizer Autorin Johanna Spyri, der Urheberin von Heidi. «Sie verbindet Kultur mit bester Unterhaltung, genau wie Spiri», finden die Macher.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 28.10.2020, 12:46 Uhr

    Bitte nicht falsch verstehen, ich finde es gut, was die Beiden gemacht haben. Mir ist aber ein anderer Gedanke gekommen, können wir wirklich nicht mehr uns einfach langweilen und uns in unseren Gedanken suhlen. Ich als Behinderter will meiner Partnerin nur wo notwendig im Wege stehen. Aber wenn wir zusammen auf der Rigi sind, geht sie wandern und ich sitze im Restaurant und rauche meine Zigarre. Ich habe zwar immer ein Buch dabei, aber meistens schlage ich es nicht auf, sondern geniesse es meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ab und zu sende ich mir mit dem Mobil ein paar Stichworte, die ich dann zu Hause zu einem Text verarbeite. Aber was gibt es Schöneres als einfach zu sein Ich langweile mich eigentlich nie.

    Was ich vermute ist, dass sehr viele Menschen nicht mehr mit sich selber auskommen, und Angst haben vor ihren eigenen Gedanken.Einfach nachzudenken könnte ja etwa zu Tage bringen, mit dem man sich nicht beschäftigen will.

    Diese ständige Berieselung ist eigentlich ein Armutszeugnis. Wenn man jedoch wirklich etwas über die Gegend erfahren will, die man gerade durchquert, dann ist dieses App eine gute Idee, aber wenn man nur von sich selber ablenkt, dann verfehlt es seine Wirkung, den nur da mit sich selber Beschäftigen, dass sich selber aushalte, bringt uns weiter. Kurze Weile ist nicht immer die Lösung

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