Analyse zu den Luzerner Ständeratswahlen

Zwei Fragen, die über Sieg und Niederlage der CVP entscheiden

Jemand aus dem Trio Franz Grüter, Andrea Gmür und David Roth (von links) dürfte gemeinsam mit Damian Müller die Luzerner Vertretung im Stöckli bilden. (Bild: les)

Die CVP hofft, dass Andrea Gmür im Sog von Damian Müller (FDP) den CVP-Ständeratssitz von Konrad Graber verteidigen kann. Doch das Bündnis mit der FDP könnte die CVP in eine ungemütliche Ausgangslage bringen. Und was passiert, wenn Andrea Gmür bei den Nationalratswahlen unerwartet schlecht abschneiden sollte? Eine Einschätzung.

Noch knapp drei Wochen dauert es, bis die Bevölkerung wählt. Bei den Nationalratswahlen dürften SVP und CVP in Luzern je einen Sitz verlieren, die Grünliberalen ihr vor vier Jahren verlorenes Mandat zurückholen (zentralplus berichtete). In der nächsten Legislatur kann Luzern nur noch neun statt bisher zehn Nationalräte nach Bern schicken.

Beim Ständeratswahlkampf ist die Ausgangslage spannender, weil der Sitz von Konrad Graber frei wird. Es dürfte zu einem zweiten Wahlgang kommen. Dabei spielen zwei Fragen eine entscheidende Rolle:

Frage 1: Wird Damian Müller im ersten Wahlgang gewählt?

Der bisherige FDP-Ständerat Damian Müller muss nicht zittern. Offiziell wird er von der CVP unterstützt – im Gegenzug empfiehlt die FDP Andrea Gmür zur Wahl und nicht SVP-Unternehmer Franz Grüter.

Dennoch, eine Wahl im ersten Wahlgang ist schwierig. Auch Konrad Graber musste vor vier Jahren in einen zweiten Wahlgang. Sollte es Müller im ersten Wahlgang nicht schaffen, so bleibt die Ausgangslage quasi unverändert. FDP und CVP dürften sich weiterhin gegenseitig unterstützen.

Viel spannender ist, wenn es Müller im ersten Wahlgang schafft. Die entscheidende Frage in diesem Szenario: Wer profitiert davon und wem schadet dies?

Franz Grüter muss Stimmen ausserhalb der SVP holen. Da geraten natürlich die FDP-Wähler in den Fokus. Hat die FDP ihren Kandidaten bereits im Trockenen, dürften sich die Liberalen gegenüber der CVP weniger in der Pflicht fühlen. Die missratene CVP-Onlinekampagne hat dieses Bündnis sowieso bereits stark belastet – und das missratene SVP-Wurmplakat in den Hintergrund rücken lassen. Grüter dürfte profitieren, falls Müller im ersten Wahlgang gewählt wird.

Im links-grünen Lager ist David Roth (SP) der prominenteste Kandidat. Er dürfte gegen Monique Frey (Grüne) und Michèle Graber (GLP) die Nase vorne haben und so auch in der Pole-Position für einen zweiten Wahlgang stehen. Auf ein Szenario, dass die Frau der Grünen den SP-Mann übertrumpft – so geschehen beim ersten Wahlgang der Regierungsratswahlen im März – deutet derzeit nichts hin.

SP-Ständeratskandidat David Roth könnte nichts Besseres passieren, als eine Wahl von Müller im ersten Wahlgang. CVP und SVP würden sich im bürgerlichen Lager Stimmen streitig machen. Und da jeder Wähler nur noch eine Stimme hätte, würden sich die Stimmen viel mehr verzetteln.

Wenn es Roth gelingt, das gesamte links-grüne Lager hinter sich zu scharen, könnte mit einem Linksrutsch, etwas Glück und einem hauchdünnen Ergebnis der Ständeratssitz gar ins linke Lager abwandern. Kleines Zahlenspiel: Damian Müller holte bei den Ständeratswahlen 2015 im zweiten Wahlgang 51’550 Stimmen – Korintha Bärtsch holte bei den Regierungsratswahlen 2019 im zweiten Wahlgang 51’640 Stimmen.

Sollte tatsächlich die SP den Sitz holen: Es wäre ein historisches Ereignis und eine faustdicke Überraschung.

Alle grossen Parteien treten für den Ständerat an. Die Augen sind besonders auf Andrea Gmür gerichtet. (Bild: les)

Und nun zur CVP. Der Ständeratssitz gehört zum Selbstverständnis der Partei, die bis 1955 sogar beide Luzerner Mandate im «Stöckli» belegte. Nun soll es Andrea Gmür richten. Sie positioniert sich im Wahlkampf als perfekte Ergänzung zu Damian Müller. Er, der Mann vom Land, sie, die Frau aus der Stadt. Doch wenn Müller im zweiten Wahlgang nicht mehr dabei ist, wie soll sich Gmür verhalten? Es bestünde die Gefahr, dass Gmür zwischen den Lagern zerrieben wird.

Und vor allem: Jedes Wort von Gmür würde auf die Waagschale gelegt. Sobald sie sich sozial positionieren würde, kämen von rechter Seite die Rufe, sie sei zu links. Und ob eine solche Positionierung auf linker Seite nicht als Anbiederung beurteilt würde, ist die zweite Frage. Positioniert sie sich liberal und wirtschaftsfreundlich, ist sie derselben Problematik ausgesetzt.

Durchaus ein delikates Szenario: Insbesondere, wenn man bedenkt, dass die CVP diese für sie nachteilige Situation selbst zu verantworten hätte. Schliesslich hätte sie Müller im ersten Wahlgang zum Erfolg verholfen.

Frage 2: Was passiert, wenn Gmür auf der CVP-Nationalratsliste abschifft?

Noch dramatischer dürfte es werden, wenn Gmür im ersten Wahlgang der Ständeratswahlen aussen vor bleibt und auf der Nationalratsliste schlecht abschneidet. Sie gilt als Zugpferd, aber nicht alle CVPler finden diese Doppelkandidatur gut. Man kann zwar argumentieren: Unbedingt müsse man ihre Präsenz durch den Ständeratswahlkampf nutzen. Allerdings kann man es auch als Zeichen von Schwäche deuten. Sie will sich absichern, damit im Falle eines Scheiterns bei den Ständeratswahlen ihre politische Karriere nicht abrupt endet.

Nun, die Nationalratswahlen werden am 20. Oktober entschieden. Gemeinhin sieht man die bisherigen Andrea Gmür, Ida Glanzmann und Leo Müller vorne. Gelingt Gmür der Sprung ins Stöckli, muss niemand die Schmach einer Abwahl verkraften, auch wenn die CVP einen Sitz verliert. Wer für Gmür nachrutschen könnte, würde mit einem blauen Auge davonkommen.

Andrea Gmür (vierte von rechts) ist das Aushängeschild der CVP-Nationalratsliste. (Bild: les)

Geht die Taktik mit dem Zugpferd Andrea Gmür auf, so sollte sie den Spitzenplatz der CVP-Liste belegen. Landet sie auf dem zweiten Platz, hätte sie mindestens die Wahl in den Nationalrat geschafft. Sollte Gmür aber weiter hinten landen, so wird’s ganz heikel. Vor vier Jahren war sie nur ganz knapp vor Priska Wismer und Christian Ineichen. Beide kandidieren erneut. Mit Josef Wyss lässt ein weiterer CVP-Kandidat die Muskeln spielen. Wenn es Gmür nicht gelingt, diese interne Konkurrenz zu überflügeln, taucht zweifellos die Frage auf: Hat die CVP wirklich auf die Beste gesetzt?

Rufe nach einem Kandidatentausch würden bestimmt laut. Nimmt man die Person mit dem besten Ergebnis bei den Nationalratswahlen? Oder setzt man auf Yvonne Hunkeler, die in der CVP-internen Ausmarchung nur knapp an Gmür scheiterte? Sie würde als auf dem Land wohnhafte Unternehmerin insbesondere SVP-Kandidat Franz Grüter viel weniger Angriffsfläche bieten als Andrea Gmür.

Oder setzt die CVP auf Guido Graf? Dem Regierungsrat wurden stets Ambitionen auf einen Sitz in Bern nachgesagt. Übrigens auch Reto Wyss. Beide hätten sich wohl 2023 zur Verfügung gestellt, wurden aber vom unerwarteten Rückzug von Konrad Graber überrascht. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich bereits im Nominationsprozess zu den Regierungsratswahlen.

Und jetzt? Reto Wyss steht nicht zur Diskussion. Er hat als Finanzdirektor neue politische Ziele gefasst. Mitgeholfen hat bei der Regierungsrochade auch Guido Graf. Steigt er tatsächlich ins Rennen, könnte man auch auf die Idee kommen, es sei Grafs von langer Hand geplanter Masterplan, Wyss dort zu «versorgen».

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