Streitgespräch um tiefere Stadtratslöhne

Zwe Politiker im Reng, gänd enand ofe Greng

Peter With (SVP, links) teilt gegen Nico van der Heiden (SP) aus. (Bild: Samuel Schalch)

Grosses Duell im zentral+-Boxring: Peter With (SVP) und Nico van der Heiden (SP) schenken sich im verbalen Infight um die Senkung der Luzerner Stadtratslöhne nichts. Der Kampf ist umso interessanter, weil die SVP nächstes Jahr selber in den Stadtrat gewählt werden will.

Müssen die fünf Luzerner Stadträte schon bald mit weniger Lohn auskommen? An diesem Sonntag stimmen die Stadtluzerner über die SVP-Initiative «200’000 Franken sind genug!» ab. Die Initiative will den Lohn der Stadträte von heute 247’000 auf 200’000 Franken senken (siehe Box). zentral+ hat für ein Streitgespräch zwei erfahrene Kämpfer in den Ring geholt.

In der rechten Ecke macht sich Peter «Eisenfaust» With, Präsident der Stadt-SVP, warm. In der linken Ecke bereitet sich SP-Fraktionschef Nico «das Wiesel» van der Heiden auf den Verbal-Fight vor. Dass With bezüglich Körperfülle eher zu den Schwergewichtlern zählt und von der Heiden zu den Fliegengewichtlern, spielt für einmal keine Rolle.

1. Runde: Aufwärmen, heiss machen

Beide Kontrahenten machen einen ausgesprochen gelösten Eindruck, von Aggressivität keine Spur, sie scherzen sogar! Das ist natürlich schlecht für einen ordentlichen Fight. Drum heizen wir die Situation zuerst mal etwas an.

zentral+: Nico van der Heiden, Sie sind ein Sozi. Und als solcher kämpfen Sie für hohe Löhne für Staatsangestellte. Was ist mit 1:12 oder Mindestlohninitiative?

Nico van der Heiden: (lacht) Ja, 1:12 ist genau das richtige Stichwort. Wir haben nun bei den städtischen Löhnen ein Verhältnis von knapp 1:6. Das ist also gar kein Problem. Das Problem sind die hohen Löhne in der Privatwirtschaft.

zentral+: Sie finden also den Lohn eines Stadtrates von 247’000 Franken vollumfänglich für gerechtfertigt?

Um wie viel soll der Stadtratslohn sinken?

Auslöser der Abstimmung ist die Volksinitiative der SVP, wonach ein Stadtrat jährlich noch 200'000 Franken verdienen soll. Dem Stadtpräsidenten bliebe noch 220'000 Franken. Bislang verdient ein Stadtrat 247'000 Franken, der Stapi 264'000 Franken. Stadtrat und alle Stadtparteien ausser der SVP und der JUSO unterstützen den abgeschwächten Gegenvorschlag. Dieser sieht für «normale» Stadträte einen Anfangslohn von 227'000 Franken vor. Bis ins sechste Amtsjahr steigt dieser Lohn bis auf 237'000 Franken. Beim Stadtpräsidenten wäre eine Steigerung von 243'000 auf 253'000 Franken möglich.

Van der Heiden: Vergleichsweise finde ich den Lohn nicht hoch. Auch wenn ich aus privater Perspektive zugeben muss, dass das nicht so einfach ist. Für uns Normalsterbliche sind das sicher hohe Löhne. Aber verglichen mit ähnlichen Stellen mit ähnlicher Verantwortung und Arbeitsbelastung in der Privatwirtschaft sind die Löhne tief.

Aha, endlich, ein erster Angriff. Noch etwas defensiv, aber da kommt sicher noch mehr. Jetzt müssen wir nur noch Peter With in die Gänge bringen.

zentral+: Herr With, in einem Jahr findet der nächste grosse Kampf der städtischen SVP statt: Ihre Partei will dann bei den Wahlen unbedingt einen Stadtratssitz gewinnen. Würde Ihre Initiative angenommen, erhielte Ihr eigener Stadtrat weniger Lohn.

Peter With: Das können wir dann per Volksinitiative wieder ändern. Die Unterschriften hätten wir schnell zusammen (lacht). Nein im Ernst. Um das geht es nicht, auch wenn wir nächstes Jahr sicher mit einem Kandidaten antreten werden. Für uns geht es mit der Initiative aber auch nicht um eine Qualifikation des Stadtrates, wir setzen nicht ein Zeichen, dass seine Leistung nicht stimmt. Sondern wir wollen, dass auch der Stadtrat zur aktuellen Spardebatte etwas beitragen soll.

So, nun sind beide Seiten heiss genug. Aufwärmphase ist vorbei, jetzt lassen wirs krachen.

Nico van der Heiden (vorne) und Peter With im Streitgespräch.

Nico van der Heiden (vorne) und Peter With im Streitgespräch.

(Bild: Samuel Schalch)

2. Runde: Angreifen, Schwächen suchen

zentral+: Nico van der Heiden, Sie sagen, der heutige Lohn der Stadträte ist im Vergleich zur Privatwirtschaft angemessen. Woher wissen Sie das so genau?

Van der Heiden: (lacht) Ich arbeite bei einem Verband, nicht direkt in der Privatwirtschaft. Aber zum Teil weiss man das mit den Löhnen. Man weiss auch, was KMU-Chefs verdienen, die sind zum Teil drunter. Aber wenn es um grössere Unternehmen geht, weiss man, dass die vergleichbar sind mit den Stadtratslöhnen. Es gab auch Diskussionen um Personen, die gesagt haben, sie würden diese Arbeit für diesen Lohn nicht machen.

Naja, das läuft eher unter Kitzeln statt Boxen. Punkte gibt’s dafür keine. Wohl deshalb wirkt Peter With noch immer entspannt. Aber nicht mehr lange.

zentral+: Peter With, schon heute ist es schwierig, geeignete Kandidaten für politische Ämter zu finden. Wenn unsere Stadträte nun 50’000 Franken weniger verdienen – dann wird doch die Suche noch viel schwieriger?

With: Ich kann mir das nur schwer vorstellen. Die meisten Stadträte hatten vor ihrer Wahl wohl keine Viertelmillion Franken Einkommen. Man darf auch die Zusatzleistungen mit der Pension nicht vergessen: Nach acht Jahren kann man aufhören zu arbeiten. Das ist etwas, das in einem KMU sicher nicht der Fall ist.

zentral+: Trotzdem: Mit 200’000 Franken würden unsere Stadträte teils deutlich weniger verdienen als ihre Amtskollegen in anderen Städten. Können Sie mit Überzeugung sagen, es sei überhaupt kein Problem, auch damit geeignete Leute zu finden oder hoffen sie einfach, dass es so kommt?

With: Wenn dem so wäre, dann würden ja jetzt bei den nächsten Stadtratswahlen sämtliche Stadträte zurücktreten (lächelt). Das wird nicht der Fall sein. Das wissen die anderen Parteien auch. Auch 200’000 Franken ist viel Geld. Zudem ist das Amt ein Ehrenamt. Man setzt sich für die Stadt ein, ist ein Repräsentant. Stadtrat zu werden ist für Viele das letztes Ziel einer politischen Karriere.

Das hat gesessen, Peter «Eisenfaust» With hat seinen gefürchteten rechten Haken ausgefahren und einen Treffer gelandet. Doch Nico «das Wiesel» van der Heiden schüttelt den Schlag ab und geht beherzt zum Gegenangriff über.

3. Runde: Den Knock-out suchen

Van der Heiden: Ich glaube zwar auch, dass es immer gelingen wird, jemanden zu finden. Trotzdem ist in dieser Frage der Lohn für einige Kandidaten ein wichtiger Aspekt. Ich halte es deshalb durchaus für denkbar, dass sich weniger geeignete Kandidaten für das Amt finden liessen.

zentral+: Peter With, wir sind uns sicher einig: Fürs höchst anspruchsvolle Amt als Stadtrat muss man die besten Leute haben. Sind die Voraussetzungen dafür auch mit gekürztem Lohn noch vorhanden?

With: Die Beurteilung, ob wir tatsächlich die besten fünf Leute im Stadtrat haben, überlasse ich den Lesern (lächelt). Fakt ist, dass bei der Auswahl der Kandidaten viele andere Kriterien eine Rolle spielen. Zuerst mal die Parteizugehörigkeit, dann ob Mann oder Frau, etc. Es sind deshalb oft nicht die besten Leute aus einer Partei, die kandidieren, sondern die, die zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Die Qualität einer Person hat nicht wirklich viel mit dem Lohn zu tun.

Van der Heiden: Der Lohn hat keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung? Das ist sehr sozialistisch argumentiert. Fakt ist, dass es leider anders ist, sowohl bei der Selektion als auch bei der Ausübung der Tätigkeit. Mir wär’s auch wohl, es wäre anders und alle Leute würden zu einem Einheitslohn eine Leistung erbringen. Aber das wär dann auch nicht im Sinne der SVP.

Ganz klar, With führt nach Punkten. Er sucht und findet die Schwächen seines Gegenspielers. Von einem K.o. ist er aber weit entfernt. Van der Heiden zeigt zwar keine Ermüdungserscheinungen, dringt mit seiner flinken Linken jedoch kaum durch Withs Deckung. Aber er kämpft weiter, konditionell im Vorteil, scheint er bei voller Kampflänge auf einen Punktesieg aus zu sein.

Peter With am Argumentieren.

Peter With am Argumentieren.

(Bild: Samuel Schalch)

4. Runde: Den Sieg über die Distanz bringen

zentral+: Nico van der Heiden, Sie setzen sich für den Gegenvorschlag ein. Bezüglich Spareffekt bringt der aber kaum etwas?

Van der Heiden: Es lohnt sich aber leider so oder so nicht. Im Rahmen des Sparpakets handelt es sich hier um eine Scheindebatte. Würde man die SVP-Initiative umsetzen, könnte man etwa 200’000 Franken pro Jahr einsparen. Das ist gerade mal 1,25 Prozent vom aktuellen 16-Millionen-Sparpaket.

With: Also ich komme auf einen höheren Betrag, fünfmal 50’000 Franken ist eine Viertelmillion. Man muss immer sehen: Betroffen von dieser Massnahme sind nur fünf Personen in der Stadt. Ich glaube, es gibt keine einzige Sparmassnahme, die eine kleinere Personengruppe betrifft. Eine Scheindebatte ist das sicher nicht.

zentral+: Aber am finanziellen Problem der Stadt ändert das nichts.

With: Das ist richtig. Jetzt noch Millionenbeiträge einzusparen, wird aber extrem schwierig. Deshalb ist auch der Sparbeitrag des Stadtrates wichtig.

Schluss, aus, der Kampf ist vorbei! K.o. gab’s keinen, auch angezählt werden musste niemand. Der Fight war hart, aber fair, doch wer hat gewonnen? Die Jury sagt: Unentschieden. Deshalb muss der Gürtel im grossen zentral+-Verbal-Politkampf anders vergeben werden: Wer das richtige Abstimmungsresultat tippt, holt sich den Titel.

Van der Heiden: Ich tippe auf ein Doppel-Ja, wobei der Gegenvorschlag mit 56 Prozent siegt.

With: Wahrscheinlich gibt’s ein Doppel-Ja. Ich sage, die Initiative gewinnt mit 58 Prozent.

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