Kulturförderung wirft Fragen auf

Zuger Werkjahr geht an die Schwester des Amtsleiters für Kultur

Claudia Caviezel, Textildesignerin mit internationalem Ruf und Wurzeln im Kanton Zug. (Bild: Basil Stücheli)

Der Kanton Zug vergibt das mit 50'000 Franken dotierte Werkjahr 2020 an die Textildesignerin Claudia Caviezel. Diese macht spannende Sachen im Grenzbereich zwischen Haute Couture und bildender Kunst. Trotzdem wirft dieser Förderentscheid Fragen auf.

Claudia Caviezel, Jahrgang 1977, überzeugte die Fachury, die kantonale Kulturkommission und die Zuger Regierung am meisten: Ihre Bewerbung für das Zuger Werkjahr wurde acht anderen Bewerbungen aus den Bereichen bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur und Film vorgezogen. Mit dem Förderbeitrag kann die ausgezeichnete Designerin nun ein Projekt umsetzen, das Textil und Keramik kombiniert.

In ihrem Schaffen verwische Claudia Caviezel Grenzen zwischen Textildesign und Kunstgeschichte, schreibt die Fachjury über ihre Arbeit: Ebenso verfolge sie künstlerische Ansprüche. «Ihre Werke sind im Resultat opulent, unabgeschlossen, offen formuliert, stets in Bewegung und agil.»

Aldo Caviezel war im Ausstand

Claudia Caviezel ist indes auch die Schwester von Aldo Caviezel, der das Amt für Kultur leitet, welches mit der Kulturförderung in Zug befasst ist. Diese Tatsache wird vom Kanton Zug offen kommuniziert. In der Mitteilung heisst es, Caviezel sei während des ganzen Vergabeprozesses im Ausstand gewesen.

Die Vergabe von Förderbeiträgen und des Werkjahres werde von Fachjurys vorbereitet, die aus ausserkantonalen Experten besteht. Dann bildet sich die kantonale Kulturkommission eine Meinung und der Regierungsrat fällt den Entscheid.

Zuger Regierung war über Verwandschaft im Bilde

Landammann Stephan Schleiss (SVP), Vorsteher der Direktion für Bildung und Kultur des Kantons Zug, sagt auf Anfrage von zentralplus, er habe den Regierungsrat über das verwandtschaftliche Verhältnis informiert. Und Mitglieder der nach Parteien zusammengesetzten kantonalen Kulturkommissionen beteuern, das Vorgehen in diesem Fall sei «sehr korrekt» und «vorbildlich» gewesen.

An der Qualifikation von Claudia Caviezel, die 2016 den Schweizer Grand Prix Design erhielt, besteht also kein Zweifel. Und dennoch wirft ihre Verwandtschaft mit dem Amtsleiter Fragen zur Kulturförderung auf, die sich im kleinräumigen Kanton immer wieder stellen.

Wer 2020 im Kanton Zug Fördergelder erhält

Neben dem Zuger Werkjahr für Claudia Caviezel vergibt die Zuger Regierung 120'000 Franken an Förderbeiträgen aus dem Lotteriefonds. Aus dem Bereich bildender und angewandter Kunst erhalten Anderson Mitchell, Remo Hegglin, Milan Hofstetter und Robin Meier. Aus der Musik Andreas Bissig, Laura Livers, Laura Müller und Valeria Schneider Gil.

«Zuger Künstler» leben oft nicht in Zug

Zum Beispiel: Wer ist eine Zuger Künstlerin und eine Zuger Künstlerin, die Förderung verdient haben? Denn die Kriterien sind weit gefasst. Wer 10 Jahre im Kanton Zug gelebt hat, wird ewig als Zuger Künstler gelten. Ebenso, wer im Kanton aufgewachsen ist – selbst wenn sie oder er längst woanders lebt und gefördert wird.

Auch die am Donnerstag mit Förderbeiträgen bedachten Kulturschaffenden wohnen mehrheitlich längst in Metropolen wie Zürich oder Berlin. Claudia Caviezel lebt in St. Gallen.

Regelmässige Diskussionen um Voraussetzungen

Die Frage sei erlaubt: Inwieweit profitiert der Kulturstandort Zug von Kulturschaffenden, die woanders wirken? Und wie fühlen sich die zu Hause Gebliebenen, die nie einen grossen Preis abräumen?

Fragen, welche sich die politisch Verantwortlichen durchaus stellen. Es fänden regelmässig Klausuren mit der Kulturkommission statt, in denen die Richtlinien für die Vergabe von Kulturgeldern überprüft und diskutiert würden, sagt Stephan Schleiss. «Auch die Regierung thematisiert solche Fragen.»

Bezüge zu Zug sind nötig

Barbara Gysel, Präsidentin der IG Kultur Zug, gibt zu bedenken, dass Kulturschaffende, die ein Projekt verfolgen, das nicht ortbezogen ist, oft nur an ihrem Geburts- und an ihrem Wohnort Förderbeiträge beantragen könnten.

Natürlich sei es nötig, genügend Bezüge zu Zug zu schaffen. «Aber das ist ein strukturelles Problem, für das es keine einfache Lösung gibt.» Am Ende würde Zug auch profitieren, wenn die Künstler anderswo leben. «Ihre Herkunft schafft Renommee.»

Ist Gebrauchskunst förderungswürdig?

Eine weitere Frage: was ist überhaupt förderungswürdige Kunst – und wo wird die Grenze zur angewandten Kunst gezogen? Denn Förderbeiträge und das Werkjahr gibt’s es im Kanton Zug auch für angewandte Kunst.

«Die Vergabe des Zuger Werkjahrs an Claudia Caviezel ist schon lange überfällig.»

Barbara Gysel, Präsidentin IG Kultur Zug

Dies sei seit Jahren so, sagt Corinne Wegmüller, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Bildungsdirektion. Sie sagt: «Angewandte Kunst ist eine Kunst in dem Sinne, dass es auch hier um eigene, geistige Schöpfungen geht, die mit Mitteln der Darstellung hervorgebracht werden.»

Angewandte Kunst ist kein Kunsthandwerk

Für Landammann Stephan Schleiss steht es ausser Frage, dass mit den Fördergeldern künstlerische Leistungen gewürdigt werden – und kein reines Kunsthandwerk, wie es etwa Restaurateure ausüben.

«Die Förderung von angewandter Kunst ist seit Langem anerkannt», sagt auch Barbara Gysel dazu. «Design etwa ist per se zum Gebrauch bestimmt – kann aber dennoch mit einem hohem künstlerischem Anspruch verbunden sein.»

Die Vergabe des Zuger Werkjahres an Claudia Caviezel sei überfällig, sagt die Präsidentin der IG Kultur Zug. «Sie ist national und international derart anerkannt, dass ich mich wundere, warum sie es nicht schon viel früher gewonnen hat.»

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 05.09.2020, 10:42 Uhr

    Nepotismus und Simonie in Reinform! Bananenrepublik Schweiz, Grüezi!

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  • Profilfoto von Matthias Jauch
    Matthias Jauch, 04.09.2020, 19:13 Uhr

    Kriege ich hier genügend Rückmeldungen werde ich versuchen via Volksabstimmung dem Kanton Zug sämtliche Kulturausgaben zu verbieten.
    Und ja, ich halte echte Kultur für ein sehr hohes Gut!

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  • Profilfoto von Matthias Jauch
    Matthias Jauch, 04.09.2020, 19:08 Uhr

    Die zugemischte Kultumafia breitet sich frisch, froh, fröhlich, frei weiter aus.

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