Gefahr, Kunst und ein Sprung in die Schlucht

Zuger wandert 6000 Kilometer durch die Schweiz

6000 Kilometer durch die Schweiz: Ivo Moosberger im Schneegestöber.

(Bild: Ivo Moosberger)

Der Zuger Landart-Künstler Ivo Moosberger lief 6000 Kilometer durch die Schweiz auf der Suche nach schönen Plätzen. Er hat sie gefunden. Und dafür gehungert und gefroren. Und zeitweise wurde es sogar gefährlich.

Ivo Moosberger packte, drei Tage nach seinem letzten Arbeitstag als Polygraf, seinen Rucksack und trat vor seine Haustür in Zug. Ohne Plan lief er los, meist einfach seiner Eingebung folgend. In total zehn Monaten legte er 6000 Kilometer kreuz und quer durch die Schweiz zurück.

2010 war das. Mittlerweile haben seine Reisen Bücher gefüllt. Und ab diesem Januar auch Vortragssäle. Denn der 42-jährige Zuger wollte nicht nur möglichst einfach reisen, nicht nur die gesellschaftlichen Zwänge hinter sich lassen. Die Bewegung, den sportlichen Aspekt, wollte er mit seiner Liebe zur Kunst verbinden. «Ich suchte nach schönen Plätzen in der Schweiz. Meist lasse ich mich vom Platz und seiner Umgebung inspirieren, ich weiss nicht bereits im Voraus, was ich wo machen möchte», sagt er. Ein schöner Platz ist für Ivo Moosberger ein Ort, an dem die Zivilisation nicht stört, es keine Häuser oder Strassen gibt: «Ich brauche die Weite, und natürlich Farben und Formen der Umgebung.»

Verpönt: Auf allen Vieren nach Steinen suchen

Schon als Kind war Ivo Moosberger viel zu Fuss unterwegs. «Meine Eltern sind 70 und schnappen sich immer noch einen Schlafsack, um irgendwo im Freien zu übernachten», erzählt er lachend. Auch seine beiden Schwestern sind gerne draussen unterwegs. Das Unterwegssein, die Verbundenheit mit der Natur liegt also im Blut. Nur der künstlerische Zugang zur Natur, den hat in seiner Familie nur er.

Schneetürme im Abendlicht.

Schneetürme im Abendlicht.

(Bild: Ivo Moosberger)

Ivo Moosbergers Arbeitgeber ist gnädig. Er weiss um die Unruhe, die seinen Polygrafen ab und zu packt, und gewährt ihm die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu nehmen, damit er unterwegs sein kann. «Ich mache das jetzt schon etwa zwanzig Jahre. Mir war lange gar nicht klar, dass das eine Kunstform ist. Und dass auch andere sowas machen. Es ist in unserer Gesellschaft ja eigentlich etwas verpönt, wenn man als Erwachsener auf allen Vieren Steine sammelt.»

Fertigessen? Verleidet

Wenn Ivo Moosberger seine Kunstwerke fertig hat – das dauert je nachdem ein paar Stunden oder Tage –, wartet er, bis das richtige Licht das Objekt optimal beleuchtet und die Stimmung erzeugt, die er möchte: «Manchmal warte ich auch, bis ein Kunstwerk wieder zerfällt. Den Zerfall zu dokumentieren ist auch spannend.» Es kam auf seiner Schweiz-Reise vor, dass er auch mal hungerte, weil er noch auf das perfekte Licht wartete, nichts mehr zu essen hatte und zu weit von der Zivilisation weg war. Seine grosse Geduld wurde oft belohnt, wie er in seinen beiden Büchern zeigt.

Macht mehr Spass: Nudeln essen mit dem grossen Essgerät-Dings. Im Winter.

Macht mehr Spass: Nudeln essen mit dem grossen Essgerät-Dings. Im Winter.

(Bild: Ivo Moosberger)

Am Anfang seiner Tour achtete er übrigens noch auf das Gewicht des Essens. «Aber nach einer Weile ist mir das leichte Fertigessen verleidet. Ich kaufte mehr Gemüse und nahm in Kauf, dass der Essenssack fünf, sechs Kilo wog.» Der Wunsch des 42-Jährigen, möglichst einfach zu reisen, drückte sich auch in seinem Gepäck aus: Zelt, Schlafsack, eine warme Jacke, eine Regenjacke – die wichtigen Dinge durften nicht fehlen. Ebenso wenig wie seine Kamera und sein Handy, mit dem Ivo Moosberger den Wetterbericht checkte. Den Strom dafür erzeugte er mit Lars, seinem Solargerät: «Selten machte Lars schlapp. Dann habe ich auch mal ein Kinderkarussell ausgesteckt, um meine Geräte laden zu können», gibt er lachend zu.

In der Schlucht steckengeblieben

Allein unterwegs ist nicht immer einfach: «Ich musste mich etwa drei Wochen an die Einsamkeit gewöhnen, bis ich sie geniessen konnte. Es war komisch am Anfang, man will alle Erlebnisse mit jemandem teilen. Je nach Weg habe ich natürlich tagsüber Leute getroffen, doch abends gingen sie heim und ich hatte wieder meine Ruhe», erzählt Ivo Moosberger. Wenn er Leute traf, schlüpfte der Naturkünstler meist in die Rolle des Zuhörers.  

«Einmal sprang ich in eine kleine Schlucht, um mich zu waschen, und merkte dann, dass ich da kaum wieder raufkam.»

Ivo Moosberger

Er vermisste seine Freunde und Familie. «Ein Freund hat mich wöchentlich angerufen. Das war lieb gemeint, aber hat mich manchmal aus meiner Ruhe gerissen», erinnert er sich. Doch er betont: «Man braucht Wurzeln, um so lange allein zu sein. Sonst wird so eine Reise zur Flucht.» So auf sich gestellt landete Ivo auch mal in brenzligen Situationen: «Einmal sprang ich in eine kleine Schlucht, um mich zu waschen, und merkte dann, dass ich da kaum wieder raufkam. Ein anderes Mal habe ich mich auf einem Abendspaziergang vom Zelt entfernt. Es zog Nebel auf und wurde dämmrig. Ich musste das Zelt lange suchen», sagt Ivo Moosberger. Manchmal hatte er Angst. «Und nicht immer habe ich mich in der Natur willkommen gefühlt. Ich habe mich oft auch als Störenfried empfunden.»

Höhlenmaler, Grasflechter, Blätterleger

Der Landart-Künstler ist froh, dass er seine Kunstwerke fotografiert. So sei ihr Zerfall nicht so traurig. «Wenn ich eine Idee habe, setze ich mich mit dem Ort intensiv auseinander. Die Objekte entstehen dann ganz automatisch, inspiriert von den natürlichen, archaischen Formen.» Von der Höhlenmalerei bis zur Gegenwartskunst: Ivo Moosberger interessiert sich für jede Art von Kunst. «Wenn ich daheim bin, zeichne und male ich. Für den Vortrag habe ich einige Illustrationen gemacht, weil ich unterwegs nicht immer alles fotografiert habe.»

Steinkralle auf Felsen.

Steinkralle auf Felsen.

(Bild: Ivo Moosberger)

In seinem Vortrag wird Ivo Moosberger von seinen Abenteuern erzählen, von seinen Wanderungen in öden, weiten Landschaften in der Schweiz oder in Zentralasien und natürlich von seiner Landart. Er könnte wohl stundenlang davon berichten, wie er im Zelt eingeschneit war, wie er in militärischem Sperrgebiet fast unter Beschuss geriet. Vielleicht verrät er auch, was er machte, wenn er sich motivieren musste: «Ich ass Gummibärchen. Ab und zu in rauen Mengen, bis ich Bauchweh hatte», lacht er.

Jetzt wird Ivo Moosberger also noch einmal wochenlang in der Schweiz unterwegs sein, dieses Mal mit seiner Live-Präsentation statt mit dem Zelt. Die Tickets haben sich so gut verkauft, dass überall schon Zusatzvorstellungen gebucht wurden. Eine längere grössere Reise ist aber nicht geplant. «Inzwischen bin ich Vater von zwei Kindern (4, 1). Eine Woche wegbleiben geht, aber die Abenteuer sind im Moment kleiner. Ich hoffe dann aber schon, dass, wenn die Kinder etwas älter sind, wir als Familie einfach unterwegs sein werden, zum Beispiel mit dem Velo oder einem Camper.» Und sicher mit ein paar Packungen Gummibärchen.

 

zentralplus verlost Tickets für den Multimediavortrag am Mittwoch, 11. Januar 2017, in Cham. Hier gehts zur Verlosung.

Jetzt ist fertig mit Wandern – zumindest für so lange Touren: Moosberger ist Vater von zwei Kindern.

(Bild: Ivo Moosberger)

 

 

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