Anrecht auf Mietzinssenkung

Zuger Vermieter bringen «schräge Argumente»

Die hohen Mieten in der Stadt Zug sollten mit dem tiefen Referenzzinssatz eigentlich sinken.

(Bild: zvg)

Zug ist ein teures Pflaster. Der tiefe Referenzzinssatz müsste den Mietern jetzt eigentlich entgegenkommen. Die Vermieter halten sich jedoch nicht an die Spielregeln und spekulieren mit den Ängsten ihrer Klientel. Der Mieterverband zeigt sich enttäuscht, gibt sich aber kämpferisch. Denn es gibt Hoffnung auf Erfolg.

Am 1. Juni ist der Referenzzinssatz auf ein Rekordtief von 1,75 Prozent gesunken (zentral+ berichtete). Was gerade für Mieter in der Hochpreisinsel Zug nach einem Grund zur Freude klang, entpuppt sich nun als Nährboden für unfaires Gebaren. Denn: «Nur ein kleiner Bruchteil der Verwaltungen gibt die Senkung des Referenzzinses weiter», sagt Urs Bertschi, Co-Präsident des Mieterverbands Kanton Zug.

Soweit, so bekannt. Trotzdem: Es sei ein Mangel an Fairness und höchst bedauerlich, dass die Vermieter nicht von sich aus kämen, meint Bertschi weiter. Er fügt an: «Schliesslich tun sie das bei ansteigenden Zinssätzen unmittelbar auch. Sie spekulieren damit, dass die Mieter ihre Rechte nicht einfordern. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein und ist eine Frage der Transparenz, dass sie die Mieten ebenfalls unaufgefordert nach unten anpassen.»

Run auf Beratungsstellen

Eigeninitiative ist also gefragt. Nach der jüngsten Zinsanpassung sei diese denn auch spürbar. «Es hat extrem viele Anfragen gegeben», heisst es vonseiten des Mieterverbands. «Mit 60 – 70 hat sich deren Anzahl gegenüber der letzten Senkung in etwa verdoppelt. Dazu kommen telefonische Rechtsberatungen, was ein Total von gut 100 Anfragen ergibt.» Daneben existiere eine Dunkelziffer an Mietern, die auf direktem Weg ohne Beratungsinstanz eine Reduktion verlangen würden.

«Die Verwaltungen bauen zusätzliche Hürden auf.»

Urs Bertschi, Co-Präsident Mieterverband Kanton Zug

Damit ist es jedoch längst nicht getan. Im Gegenteil: In vielen Fällen beginnt die Senkungsanfrage nun zu einem Mühsal zu werden. So zeigt sich Urs Bertschi nicht nur enttäuscht ob der ausbleibenden Weitergabe seitens der Vermieterschaft. Was ihn darüber hinaus ärgert, ist deren Verhalten gegenüber Mietern, welche eine entsprechende Mietzinssenkung von sich aus verlangen. «Die Verwaltungen bauen zusätzliche Hürden auf. Da wird mit nichtssagenden Standardbriefen geantwortet, bepackt mit scheinheiligen Argumenten, die dafür sorgen, dass die Mieter ihre Ansprüche fallen lassen.»

Keine Käfer in der Stadt

Ein oft gehörtes Argument sei die Orts- und Quartierüblichkeit. «Das ist ein schräges Argument», echauffiert sich Bertschi. «Das ist so, als würde man sagen, in der Stadt Zug dürften keine Käfer mehr rumfahren.» So abwegig diese Analogie klingen mag, sie hat durchaus ihre Berechtigung. Schliesslich sind teure Limousinen und SUV ein stadtübliches Bild auf Zuger Strassen und Parkplätzen. Daneben würden «Allerweltsargumente» wie ungenügende Rendite und Mietzinsvorbehalte beziehungsweise Mietzinsreserven geltend gemacht, sagt Bertschi.

«Bei der Quartierüblichkeit liegt die Beweispflicht gänzlich beim Vermieter.»

Alain Fuchs, Präsident Hauseigentümerverband HEV Zugerland

Auch der Hauseigentümerverband HEV Zugerland verzeichne eine deutliche Zunahme an Senkungsanfragen. Deren Präsident, Alain Fuchs, weist aber den Rückgriff auf die Orts- und Quartierüblichkeit als Argument gegen eine Mietzinsanpassung klar von sich. «Das empfehlen wir nicht. Bei der Quartierüblichkeit liegt die Beweispflicht gänzlich beim Vermieter. Diese zu erbringen ist praktisch unmöglich, deshalb geben wir in dieser Hinsicht keinerlei Empfehlung ab.» Er könne nicht für alle Verwaltungen sprechen, da diese autonom handelten. Als beratende Institution gäbe der HEV lediglich Empfehlungen ab, was die Vermieter letztlich damit tun, sei deren Sache.

Widersprüchliche Einigkeit?

Referenzzinssatz so tief wie noch nie

Der Referenzzins ist für die Berechnung der Mietzinsen massgebend. Das Bundesamt für Wohnungswesen hat am 1. Juni die Senkung von 2 auf 1,75 Prozent bekannt gegeben. Dies ist zugleich der tiefste Stand seit Berechnung der Referenzgrösse. Da der Referenzzins noch nie so tief war, können fast alle Mieter einen Senkungsanspruch geltend machen.

Gesamtschweizerisch ergibt sich dadurch ein Senkungsanspruch der Miete um bis zu 2,91 Prozent. Bei einer Miete von 2000 Franken ergäbe das eine monatliche Ersparnis von knapp 60 Franken – gut 700 Franken im Jahr. Zudem haben Mieter auch noch Ansprüche auf nicht umgesetzte Mietzinsreduktionen aus der Vergangenheit. Es hängt jedoch vom Einzelfall ab, ob und in welchem Ausmass es zu einer Mietzinsreduktion kommt.

Für Fuchs sei klar, dass nur wertvermehrende Investitionen und Mietzinsvorbehalte stichhaltige Gründe seien, um Senkungsansprüche nicht zu gewähren. Die Empfehlung des HEV scheint indessen auf taube Ohren zu stossen. Denn die kantonale Schlichtungsbehörde bestätigt, dass die Ortsüblichkeit «sehr häufig» als Argument der Vermieterschaft angeführt werde. «Das wird in den meisten Fällen als Grund angegeben. Nur zum Teil wird mit ungenügenden Renditen und Vorbehalten argumentiert», sagt Simona Dognini, Leiterin der juristischen Abteilung.

Ein krasser Widerspruch. Das verwundert insofern, als der HEV Zugerland und der Mieterverband grundlegend ein ähnliches Credo vertreten. «Selbstverständlich ist es für den Vermieter ein Anliegen, dass die Rendite stimmt», sagt Alain Fuchs. «Zufriedene Mieter sind aber genauso wichtig. Deshalb empfehlen wir den Vermietern, eine Senkung des Mietzinses vorzunehmen, falls keine Gründe bestehen, dem entsprechenden Anliegen nicht nachzukommen.»

Wie auch immer diese Diskrepanz bei scheinbarer Einigkeit zustande kommen mag, viele Mieter werfen ihre Flinte bei negativen Rückmeldungen ins Korn. Das meint Bertschi, wenn er von zusätzlichen Hürden spricht. «Die Mieter sind gehemmt, sie haben Angst davor, den Vermieter zu vergraulen», so Bertschi. Wer will schon ein schlechtes Verhältnis zu seinem Vermieter riskieren? Auch in Zug ist der Wohnungsmarkt angespannt. Die Wohnungen sind nicht nur teuer, sondern zahlenmässig auch knapp verfügbar. Froh sei der, der eine bezahlbare Bleibe gefunden hat – da liegt es einem fern, den Unmut des Besitzers auf sich zu ziehen. «Die Leute suchen keinen Streit», so Bertschi.

«Die Leute müssen diese Blindflüge hinterfragen.»

Urs Bertschi, Mieterverband

Gute Erfolgsaussichten

Dennoch: Der Mieterverband empfiehlt, dranzubleiben. «Man darf sich nicht abschrecken lassen. Die Leute müssen diese Blindflüge hinterfragen. Jeder hat das Recht, eine Anfrage zu stellen. Und wenn der Referenzzinssatz sinkt, dann haben die Mieter das Recht auf die Reduktion des Mietzinses, sofern der Vermieter keine Kostensteigerung geltend machen kann. Das sind die Spielregeln. Daran sollten sich alle Beteiligten halten.» Wenn der Vermieter den Antrag auf eine Mietzinsreduktion mit stichaltigen Begründungen ablehne, dann sei das so zu akzeptieren. Das gälte jedoch nicht, wenn unhaltbare Argumente ins Spiel gebracht würden.

Dass dies aber einfacher klingt, als es faktisch ist, weiss auch Bertschi. Wenn ein Mieter einen negativen Bescheid bekäme, dann mache sich oftmals Konsternation breit. «Der nächste Schritt wäre dann der Gang zur Schlichtungsbehörde. Die wenigsten hatten in ihrem Leben mit solch einer behördlichen Stelle zu tun. Sie scheuen sich, diesen Schritt zu wagen.» Ängste, den Vermieter zu verärgern, mangelnde Kenntnisse der Materie oder auch Trägheit: Die Gründe für das Strecken der Waffen sind vielfältig.

Dabei sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Senkungsklage alles andere als düster – gerade wenn die Vermieterschaft mit der Orts- und Quartierüblichkeit argumentiert. Simona Dognini von der Schlichtungsbehörde bestätigt: «In solchen Fällen gehen die Klagen mehrheitlich zugunsten der Mieterschaft aus. Die Senkungen werden gewährt, weil der Vermieter beweisen muss, dass die Miete im Verhältnis zu anderen Quartierobjekten zu tief angesetzt ist.»

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