Autos, Busse, Velos, Fussgänger

Zuger Verkehrs-Kumbaya: Traum vom friedlichen Nebeneinander

In der Zuger Innenstadt sind die Verhältnisse eng und die Ansprüche gross. (Bild: Andreas Busslinger)

Die Stadt Zug strebt Verbesserungen für alle Verkehrsteilnehmer an. Die grosse Herausforderung: Alle sollen gleich behandelt werden. Doch sind in einer dicht bebauten Stadt Verbesserungen für die einen ohne Abstriche für die anderen realistisch? Die städtische Baudirektorin nimmt Stellung.

Mit welchen Verkehrsmitteln und auf welchen Wegen soll man künftig durch die Stadt Zug kommen? Fragen, die bei Politik und Bevölkerung seit Jahren für reichlich Diskussionsstoff sorgen.

Derzeit steckt die Stadt Zug mitten im Prozess seiner Ortsplanungsrevision. Darin gehört das Thema Mobilität zu den Kernpunkten. Zwar scheint sich die gesamte Stadt einig, dass Verbesserungen nötig und fällig sind. Dass etwa beim Velo- und Fussverkehr Luft nach oben besteht, ist ebenfalls praktisch unbestritten.

Wie Verbesserungen für den Langsamverkehr denn erreicht werden sollen, stellt die Stadt jedoch vor grosse Herausforderungen. Dies, weil Zug – im Gegensatz zu anderen Schweizer Städten – einen ganz eigenen Weg gehen will.

Ein Elefant namens Auto

Der Elefant im Raum ist unübersehbar: des Zugers Liebe zum Auto. Im Zusammenhang mit der Ortsplanungsrevision betonte der Stadtrat in der Vergangenheit wiederholt, dass er eine «Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer» anstrebt (zentralplus berichtete).

Zwar soll das zukünftige Mobilitätswachstum der Stadt möglichst über den Velo- und Fussverkehr und den öffentlichen Verkehr aufgefangen werden. Nur aber eben offensichtlich nicht auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer – sprich den motorisierten Individualverkehr. Mit dieser Grundhaltung steht Zug in starkem Kontrast zu vielen anderen Schweizer Städten, die ohne Umschweife auf eine Reduktion des Autoverkehrs hinarbeiten.

Die Motion zum Postulat

In welche Bahnen die städtische Verkehrspolitik gelenkt werden soll, wurde vergangene Woche auch an der Sitzung des Grossen Gemeinderates diskutiert. Ausschlaggebend war eine FDP-Motion, die unter anderem ein «Nebeneinander statt Gegeneinander von allen Verkehrsteilnehmern» forderte. Sprich: Velopendler, Fussgängerinnen und Autofahrer sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern friedlich koexistieren.

«Selbstverständlich kann nicht überall und für alle ein bestmögliches Angebot zur Verfügung gestellt werden.»

Eliane Birchmeier, Baudirektorin Stadt Zug

Sowohl ein durchgängiges Velonetz wie auch mehr Parkplätze waren in der Forderung der FDP inbegriffen. Ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Mobilitätsteilnehmerin

nen lasse sich jedoch nicht bewerkstelligen, lautete die Kritik im Rat, wo man vom FDP-Wunsch nach einer «eierlegenden Wollmilchsau» sprach. Dennoch wurde die Motion letztlich als Postulat überwiesen (zentralplus berichtete).

Probleme werden öffentlich bei Befragung

Politisch gefärbte Vorstösse sind das eine, die Meinungen der Bevölkerung das andere. Die zwei bisher durchgeführten öffentlichen Mitwirkungen zur Ortsplanungsrevision erlauben spannende Einblicke. Etwa, dass die engen Platzverhältnisse in der Zuger Innenstadt für alle Verkehrsteilnehmenden eine Sorge ist. So wird der Wunsch nach einer Entflechtung wiederholt geäussert.

Wie aber kann eine solche Entflechtung umgesetzt werden? Insbesondere im Zeitalter der urbanen Verdichtung? Mehr Raum gibt es schlicht nicht mehr. Die logische Schlussfolgerung: Mehr Platz für eine Gruppe bedeutet weniger Platz für eine andere Gruppe.

«Eine komplette Gleichbehandlung an jedem Ort und für alle Verkehrsteilnehmenden ist nicht das Ziel.»

«Selbstverständlich kann nicht überall und für alle ein bestmögliches Angebot zur Verfügung gestellt werden», erklärt Baudirektorin Eliane Birchmeier (FDP) auf Anfrage von zentralplus. In einer Stadt mit engen Platzverhältnissen wie Zug gelte es, den vorhandenen Raum effizient zu nutzen und Überlagerungen zuzulassen, wo dies gefahrlos möglich ist. «So können etwa Velofahrende auch auf der Strasse sicher und schnell unterwegs sein, wenn es Velostreifen hat. Ist dies aus Platzgründen nicht möglich, kann über eine allfällige Temporeduktion und entsprechende Gestaltung ein sicheres Angebot für Velofahrende geschaffen werden.»

Die Zuger Stadträtin Eliane Birchmeier. (Bild: bic)

Wie aber kann beispielsweise das Velowegnetz in der Stadt ausgebaut werden, ohne zwangsläufig Flächen zu beschneiden, die heute dem Fussgänger oder den Autos zugeordnet sind? «Verbesserungen im Velowegnetz sind nicht generell über weitere Kumulierungen von Verkehrsflächen anzustreben», sagt Birchmeier.

Stattdessen liege der Fokus bei Verbesserungen im Verkehrsfluss. «Dies kann durchaus bedeuten, dass eine Verkehrsfläche für den MIV schmäler wird, was nicht bedeutet, dass dies auch zu einer Verschlechterung für den MIV führt», erklärt Birchmeier.

Gleichberechtigtes Angebot

Auch wenn der Verkehr fliesst, schmälere Fahrspuren dürften einigen Autofahrern sauer aufstossen und als Ungleichbehandlung empfunden werden. Kritiker halten eine komplette Gleichbehandlung sowieso für illusorisch und auch die Baudirektorin relativiert: «Eine komplette Gleichbehandlung an jedem Ort und für alle Verkehrsteilnehmenden ist nicht das Ziel.»

Dies sei auch nicht notwendig, wie beispielsweise in der Altstadt, wo der Fussverkehr Priorität haben soll, oder auf wichtigen ÖV-Strecken, wo es auch einmal eine separate Busspur geben dürfe. «Es geht vielmehr darum, für die Verkehrsteilnehmenden und insbesondere für die Stadtzugerinnen und Stadtzuger ein gleichberechtigtes Angebot zur Verfügung zu stellen, sodass sie mit ihrem bevorzugten Verkehrsmittel sicher und attraktiv in der Stadt Zug unterwegs sein können.»

Eine Frage der Definition

Es stellt sich demnach die Frage, wie die «Gleichbehandlung aller Verkehrsmittel» definiert werden soll. Stadträtin Birchmeier tut dies so: «Alle Verkehrsarten sollen bei Planungen entsprechend berücksichtigt werden und ein adäquates Angebot erhalten. Dies bedeutet beispielsweise, dass an Orten, wo heute der motorisierte Verkehr dominiert, das Angebot für andere Verkehrsmittel verbessert werden soll.» Dies könne je nach Situation etwa mit einer Umgestaltung des Strassenraums erfolgen, indem Trottoirs verbreitert oder Velostreifen markiert werden, erklärt Birchmeier.

Für die von Birchmeier angesprochene Planung ist die laufende Ortsplanung entscheidend. Die dritte Mitwirkung findet im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am 20. November statt. Deren Inhalt ist noch nicht bekannt. Das Thema Mobilität dürfte jedoch wieder zu den Kernpunkten gehören.

Bis die Ortsplanungsrevision abgeschlossen ist, dauert es derweil noch Jahre. Aktuell ist eine Absegnung durch den Zuger Regierungsrat 2026 vorgesehen. Bis kurz davor wird das Ringen um die Ausrichtung der Verkehrspolitik andauern.

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