Mitglied der Kulturkommission fährt nicht nach Genua

Zuger Stapi räumt unmissverständlich Fehler ein

Ist in der Angelegenheit rund um die Kulturkommission gefordert: Der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt. (Bild: Facebook/FDP Stadt Zug)

Anu-Maaria Calamnius-Puhakka, Mitglied der Stadtzuger Kulturkommission, will das Atelierstipendium, das ihr vom eigenen Gremium zugeschanzt worden war, nun doch nicht in Anspruch nehmen. Die Zuger Stadtregierung beurteilt den Entscheid, der den Eindruck von Vetterliwirtschaft hervorrief, als «fragwürdig». Grundsätzliche Fragen bleiben.

Drei parlamentarische Vorstösse hat er schon ausgelöst: Der Entscheid der Stadtzuger Kulturkommission, einen dreimonatigen Aufenthalt in einem Künstleratelier samt Lebenskostenzuschuss an ein eigenes Mitglied zu vergeben (zentralplus berichtete). Obwohl das Mitglied seine Bewerbung zu spät einreichte, die konkurrierenden Projekte kannte und bei der Vergabesitzung laut Protokoll auch nicht in den Ausstand getreten war (zentralplus berichtete).

Am Montag hat nun die Zuger Stadtregierung versucht, reinen Tisch zu machen. Die Antworten zu den zwei Interpellationen und der Kleinen Anfrage, welche SVP und Grünliberale zur Affäre eingereicht hatten, wurden veröffentlicht.

«Unpräzis und unvollständig»

In der Antwort zur Interpellation «Fragen zur Transparenz: Fragwürdige Entscheidungen der Kulturkommission», räumt der Departementsvorsteher, Stadtpräsident Karl Kobelt (FDP) «unmissverständlich» Fehler ein. «So ist die Protokollierung teilweise unpräzis und unvollständig erfolgt», heisst es. Der Einhaltung des Eingabeschlusses sei nicht das gebührende Gewicht verliehen worden. Für die Zukunft verspricht der Stadtrat Besserung.

Die Vergabe eines Atelieraufenthalts an ein Kommissionsmitglied sei zwar rechtens, findet die Stadtregierung. «Sie ist jedoch aus der Sicht der Corporate Governance als fragwürdig zu taxieren.»

Mündliche Ankündigungen

Diese Eingeständnisse relativiert der Stadtrat in seinen Antworten auf Detailfragen. So bestätigt er zwar, dass einzig die nicht berücksichtigte Künstlerin Vreni Spieser ihr Dossier fristgerecht vorgelegt hat. Die beiden verspäteten Mitbewerber hätten aber mündlich angekündigt, dass sie eine Projekteingabe nachreichen wollten.  

«Als erste Fragen auftauchten, hat der Departementsvorsteher die Vergabe des Stipendiums ausgesetzt.»

Karl Kobelt (FDP) namens der Zuger Stadtregierung

Ausserdem hebt der Stadtrat hervor, dass sich in einer ersten Bewerbungsfrist fürs Atelierstipendium, die bis 17. Juni lief, gar niemand gemeldet hätte. Spieser habe sich erst beworben, als öffentlich bekannt gegeben wurde, dass die Frist bis 25. Juni verlängert wird. Offenbar relativiert dies in den Augen der Stadtregierung den Makel, dass Calamnius-Puhakka als Letzte ihre Kandidatur für den Atelieraufenthalt bekanntgab – so spät, dass die Kommission das Dossier nicht mehr studieren konnte. Sondern ihr zuliebe die Entscheidung um zwei Monate aufschob, um dann prompt zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Im Protokoll «vergessen»

In seiner Antwort zur Kleinen Anfrage «Atelierstipendium: Aufhebung des Beschlusses aufgrund Verletzung der Ausstandspflicht» dementiert der Stadtrat, dass Calamnius-Puhakka am 1. Juli, als sie ihr Dossier einreichte und über den Atelieraufenthalt entschieden werden sollte, mitdiskutierte. «Anu-Maaria Calamnius-Puhakka trat in den Ausstand», schreibt er. Muss aber zugeben: «Dies ist im Sitzungsprotokoll nicht vermerkt.» Was zwingend vorgeschrieben wäre.

Von der künstlerischen Güte von Calamnius-Puhakkas eingereichtem «interdisziplinären Mediationsprojekt» ist der Stadtrat nach wie vor überzeugt. Doch das spielt nun keine Rolle mehr.

Bewerberin zieht sich zurück

«Als erste Fragen auftauchten, hat der Departementsvorsteher die Vergabe des Stipendiums, welches formell noch nicht bestätigt wurde, ausgesetzt», heisst es. «Der Atelieraufenthalt wird nicht vergeben.» Mittlerweile sei die Vergabe sowieso obsolet geworden, weil die Bewerberin ihre Kandidatur zurückgezogen hat.

Gregor R. Bruhin (SVP) und Stefan W. Huber (GLP), Fraktionschefs im Stadtparlament, wollten wissen, wie verhindert wird, «dass die Kommissionsmitglieder sich selbst, oder ihnen nahestehenden Personen Fördergelder oder Aufträge unberechtigterweise zuschanzen».

Fachwissen soll Korruption verhindern

Überraschende Antwort der Stadtregierung: «Durch die ausgewiesene Expertise der einzelnen Kommissionsmitglieder.» Das Fachwissen und die praktische Erfahrung der einzelnen garantierten Qualität.

Dann erklärt er die Doktrin: «Gerade weil Gleichbehandlung und Fairness zentrale Anliegen der Kommission bei der Vergabe von Beiträgen oder Stipendien sind, soll nicht generell ausgeschlossen werden, dass auch einmal ein Mitglied der Kommission, das selber künstlerisch oder kulturvermittelnd tätig ist, in den Genuss eines Beitrags kommen kann.» Dann sei es jedoch selbstverständlich, dass sich das betreffende Mitglied in den Ausstand begebe.

Wer entscheidet wirklich?

Unklar bleibt, wer sich diese Handhabe ausgedacht hat. An einer Stelle heisst es, die Kulturkommission habe bei ihrem Entscheid diese Auffassung vertreten. Später ist die Rede davon, dass der Stadtrat dies so wolle.

Überhaupt besteht Unklarheit darüber, was die Kulturkommission nun entscheidet, und was der Stadtrat. Die Interpellation «Verbindliche Kommissionsentscheidungen – Unzulässige Rechtspraxis in der Stadt Zug?» setzt sich mit dieser Frage auseinander. Die Stadtregierung sieht sich genötigt, über mehrere Seiten zu erklären, dass die Kulturkommission eigentlich nur beratende Funktion hat, dass sie lediglich Empfehlungen zuhanden des Stapis oder der Stadtregierung ausspricht, dass die Geldvergabe nur über die Stadtväter und -mütter erfolgen kann.

Missverständliches Communiqué

Der Grund für diese Verwirrung liegt darin, dass die Kulturkommission im September mitteilte, sie selber habe den Entscheid zur Vergabe des Atelierstipendiums getroffen. Dass Mitglieder der Kulturkommission ihn dann in den Medien auch noch lautstark verteidigten, zeigt, wo die Probleme liegen.

Die Kommissionsmitglieder wissen gar nicht, was zulässig ist. Die Kommunikation obliegt nämlich nach den gesetzlichen Vorgaben allein dem Kommissionspräsidenten, Stapi Karl Kobelt.

Kulturvermittler unter sich

Und auch der ist sich der Wurzel allen Übels offenbar kaum bewusst. Nicht nur die gesetzlichen Grundlagen stellen die Zusammensetzung der Kommission aus «versierten Kulturschaffenden und Kulturveranstaltern aus verschiedenen Sparten, die sich ehrenamtlich für eine lebendige und vielfältige Zuger Kulturlandschaft engagieren», in Frage. 

Nein, die Kleinheit von Zug mit den gegenseitigen Verflechtungen und Abhängigkeiten erfordert eine stärkere Abgrenzung, als sie auch in andern Städten zwischen Kulturschaffenden und Kulturfördernden nötig ist.

Engagements bei geförderten Projekten

Die Zuger Kulturkommission besteht nicht bloss aus Leuten, die gelegentlich selber mit eigenen Projekten künstlerisch oder kulturvermittelnd tätig sind, wie es die Stadtregierung darstellt. Die Hälfte der Kommission beteiligt sich ausserdem öfter mit Tanz-, Musik-, Wort- und Bildbeiträgen an den Kulturprojekten anderer und wird dafür richtigerweise auch entschädigt.

Problematisch ist dies, wenn diese Leute dafür in der Kulturkommission Geld gesprochen hatten, aber nicht in den Ausstand getreten waren, da ihr Engagement noch nicht bekannt gewesen war.

Kulturkommission schmort im eigenen Saft

Hinzu kommt die Frage der teilzeitlich oder vorübergehend Angestellten der städtischen Kulturstelle, die zwar nicht entscheiden können, aber der Kulturkommission als Protokollantinnen oder Gäste beisitzen. Auch die müssten laut Vorschriften sehr oft in den Ausstand, weil sie allesamt privat Kultur schaffen und vermitteln. Nur traten sie bisher nie erkennbar in den Ausstand.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, wie man bei der Stadt Zug Mitglieder für die Kulturkommission sucht. «Einladungen basieren auf Empfehlungen von bisherigen Kommissionsmitgliedern, Kulturschaffenden sowie städtischen oder kantonalen Fachstellen», schreibt die Stadtregierung. Konkret: Hört ein Mitglied auf, überlegt die Kommission und ihre Beisitzer selber, wen sie als Ergänzung holen wollen.

Der letzte Unabhängige geht bald

Der nächste in der Stadtzuger Kulturkommission, der Ende Jahr seine Tätigkeit beendet, ist Oliver Frey. Er ist neben dem Stadtpräsidenten der Einzige, der keine eigenen Kulturprojekte realisiert. Neben Kobelt ist er der Einzige, der nicht zuweilen öffentliche Fördergelder beantragt.

Natürlich hat sich die Kulturkommission Gedanken gemacht, wen sie anstelle von Frey einladen will. In den Protokollen der letzten Sitzungen fällt der Name einer äusserst aktiven 26-Jährigen, die sich stark beim Verein Kunstpause, dem Festival Rock the Docks und bei vergangenen und künftigen Kulturprojekten engagiert, welche die Stadt Zug mit Fördergeldern unterstützt. Und die kürzlich ein Praktikum bei der Kulturstelle der Stadt Zug absolviert hat.

Wie schreibt doch die Stadtregierung in einem anderen Zusammenhang? Richtig: «Dies ist aus Sicht der Corporate Governance als fragwürdig zu taxieren.»

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