Am Postplatz gibts Felsenbirnen auf Betonwüste

Zuger Stadtrat pflanzt Sträucher – und erntet Häme

Postplatz in Zug: Es bleibt viel Beton.

Vor einem knappen Jahr wurden auf dem der Oberen Postplatz in Zug die Parkplätze aufgehoben. Die Fläche bleibt aber kahl und ungenutzt. Nun hat die Stadtregierung eine Belebungsanstrengung mit Sträuchern unternommen – doch das ist vielen Zeitgenossen auch wieder nicht recht. Resultat: viel Spott.

Bäume in Töpfen wolle man auf den neu gestalteten Postplatz setzen, liess die Zuger Stadtregierung im Frühling verlauten (zentralplus berichtete). Sie wollte so den häufigen Schimpftiraden der Leute auf der Strasse und in den lokalen Leserbriefspalten entgegentreten.

Die titulierten die neueste Errungenschaft verkehrsbefreiter Stadtzuger Urbanität im Normalfall als «Betonwüste», manchmal  auch als «Verbrechen» oder «Schandfleck».

Echo in sozialen Medien

Nun also sind sie da, die sieben Bäumce – und können pünktlich zur hochsommerlichen Hitze auf dem Platz Schatten spenden. Sollte man meinen. Jedoch sind die Bäume keine richtigen Bäume, sondern grosse Ziersträucher, genauer Felsenbirnen. Ihre Höhe übertrifft die Zweimetermarke nur wenig. Ihr Blätterdach ist durchlässig und licht, das Erdreich fürs Wurzelwerk in den Stahlblechtöpfen knapp.

«Glauben Sie mir, ich hätte selbst am liebsten richtige Bäume gepflanzt.»

Eliane Birchmeier (FDP), Stadträtin

Kein Wunder, brach nach der Ankündigung der Stadt Zug, auf dem Platz winterhartes und anspruchsloses einheimisches Gehölz zu platzieren, in den sozialen Medien ein Shitstorm los.

Platz für Aufmärsche

Der Stadtrat hatte bisher immer argumentiert, eine dauerhafte Begrünung des neuen Platzes sei unmöglich, weil man ihn flexibel nutzen wolle und für Anlässe wie Weihnachtsmarkt oder Märlisunntig freiräumen wolle. Auch Bauvorsteherin Eliane Birchmeier (FDP), seit Jahresbeginn im Amt, stösst in dieses Horn.

(Bild: Screenshot Facebook Stadt Zug)

«Der Postplatz soll ein Versammlungsort sein, so wie er es früher schon war», sagt sie und erinnert etwa an die Mobilmachung, als die Zuger Wehrmänner auf dem Postplatz antraten.

Diese Funktion als Treffpunkt sei wohl vielen Zugern noch zu wenig bewusst, obwohl mit den Klimademonstrationen ein Anfang gemacht wurde. «Wir appellieren an die örtlichen Vereine und Veranstalter, sich bei uns zu melden, wenn sie einen Anlass oder ein Fest auf einem zentralen Platz durchführen wollen», sagt sie.

Leitungen und Röhren

Doch ganz ehrlich: Würden ein paar richtige, hohe und schattenspendende Bäume denn wirklich einen Anlass auf dem Platz verunmöglichen? «Im Untergrund befinden sich auf der gesamten Fläche des Postplatzes verschiedenste Leitungen und Kanäle für Strom, Telekommunikation, Wasser oder Entwässerung», sagt Birchmeier.

Zwischen den Leitungen gebe es nirgendwo ausreichend Raum für das Wurzelwerk eines fest gepflanzten Baums, so die Stadträtin. «Glauben Sie mir, ich hätte selbst am liebsten richtige Bäume gepflanzt.»

Freie Sicht auf Beton, Stahl und Glas

Die Stadtregierung ist gefangen zwischen den Wünschen der Bevölkerung, eigenen Aussagen und den Vorgaben früherer Planungen, welche mit dem Revival der architektonischen Moderne zusammenhängen.

Bahnhofstrasse in Zug: Ohne hinderliches Grün kann man die zeitgenössische Architektur geniessen.

Bahnhofstrasse in Zug: Ohne hinderliches Grün kann man die zeitgenössische Architektur geniessen.

Blenden wir zurück: 2003 wurde die dichtbepflanzte Bahnhofstrasse in Zug vom Bewuchs durch Bäume befreit. Planer und Gestalter wollten die Stadt urban machen, die Architektur der Gebäude in der Strasse sichtbar – deswegen musste das Grünzeug weg. Darauf gabs einen Sturm der Entrüstung in der Stadt, eine Petition forderte die Pflanzung von 500 neuen Bäumen in Zug. Als Konzession wurden zwei Weiden an Sichtachsen gepflanzt, ansonsten blieb die Strasse aber eine Steinwüste.

Einst waren Bäume vorgesehen

Wenig später wurde auch die neue Verkehrsführung für den Postplatz und die Aufhebung des Parkplatzes aufgegleist – und nun vergangenes Jahr realisiert. In den ersten Visualisierungen erscheint der verkehrsbefreite Obere Postplatz aber noch baumbestanden.

Dies hat sich später mit dem Gestaltungskonzept verändert, welches das Chamer Büro Appert Zwahlen nach Vorgaben der Stadtregierung ausarbeitete und das Stadtparlament durchwinkte. Damit wurde es bindend – und der Postplatz zur Steinwüste.

Ende 2004 wollte der Zuger Stadtrat den Postplatz noch mit Bäumen begrünen – später liess er eine Betonwüste realisieren.

Ende 2004 präsentierte der Zuger Stadtrat den Postplatz in einem Antrag ans Parlament noch mit Bäumen begrünt – später liess der eine Betonwüste realisieren.

(Bild: zvg)

Beeren am Boden

Für den Stadtrat, der nun die Stadt mit 800 weiteren Bäumen begrünen will, um so der Aufheizung des Stadtklimas entgegenzutreten (zentralplus berichtete), sind die geschaffenen Fakten unpraktisch. Denn auch an der Bahnhofstrasse wurden mittlerweile Leitungen und Röhren in den Trottoirs verlegt, sodass eine Bepflanzung mit Bäumen schwer möglich sei, wie Stadträtin Birchmeier sagt. Wobei die Bahnhofstrasse sich nicht im Stadtbesitz befinde, sondern eine Kantonsstrasse sei.

Doch zurück zum Postplatz, wo die Felsenbirnen derzeit Früchte tragen. Diese erinnern entfernt an Heidelbeeren oder verschrumpelte Kirschen. Man könnte daraus auch Konfitüre machen, wenn man die giftigen Kerne entfernt – aber das geschieht nicht und so kleben die Beeren auf dem Boden.

Stadt schmückt sich fürs ESAF

Sie hoffe, dass sich der Schattenwurf in den kommenden Jahren noch verbessere, sagt Birchmeier. «Ich gebe zu, dass das Gestaltungskonzept bis jetzt noch nicht viele Freunde gefunden hat», sagt sie. «Aber ich hoffe, immer mehr Leute werden daran Gefallen finden.» Dazu hat man die Metallkübel auf der Südseite des Platzes konzentriert, der grösste Teil bleibt Freiraum.

Frühte der Felsenbirne.

Früchte der Felsenbirne.

Hier soll eine Wasserinstallation Platz finden, die momentan hoch willkommen wäre. «Sie soll noch vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest installiert werden», verspricht Birchmeier. «Wir arbeiten daran.»

Einen Profiteur der Neugestaltung gibt es indes: Das Café Plaza, das den Aussenraum mit einigen Tischreihen erweitern konnte. Es hat als hübsches Strassencafé gewonnen und versprüht nun einen ersten Hauch jener Italianità, die der frühere Stapi Dolfi Müller für den Postplatz immer versprochen hatte.

Hat durch zusätzliche Fläche und Bäumchen gewonnen: Das Café Plaza am Zuger Postplatz.

Hat durch zusätzliche Fläche und Bäumchen gewonnen: Das Café Plaza am Zuger Postplatz.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von igarulo
    igarulo, 30.06.2019, 17:40 Uhr

    Der Postplatz ist in seiner Ausgestaltung eine Katastrophe des planerisch zu kurz gedachten Zeitgeistes und zeigt exemplarisch, das Unvermögen der Zuger Stadtplaner Zug Einwohner gerecht zu gestalten. In den verantwortlichen Köpfen fehlt wirkliche gestalterische Kompetenz weitgehend, wie auch die Bahnhofstrasse zeigt. Wer dort die Bäume ausriss, damit die Architektur der Gebäude in der Strasse sichtbar werde, hat wohl das Theoriebuch (Architektur sichtbar machen ist urban) mit der situativen Realität verwechselt und die zu gestaltende Strasse kaum in Bezug mit der bestehenden Umgebung geplant, sonst hätten sie erkennen müssen, dass die architektonische Qualität auf den Seiten der Bahnhofstrasse jedem gewöhnlichen Baum unterlegen ist. Zug pflanzt lieber Kirschbäume irgendwo.

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