Motionäre finden: Was für Politikerinnen gilt, soll für alle Mütter gelten

Zuger Regierungsrat will, dass sich frisch gebackene Mütter weiterhin ausruhen

Während des Mutterschutzes arbeiten? Zwei Politiker wollen das Gesetz aufweichen, die Regierung will nichts davon wissen. (Bild: zvg / Adobe Stock)

Zwei Zuger Parlamentarier wollen das Gesetz zum Mutterschutz aufweichen. So sollen Mütter früher wieder arbeiten können, ohne ihren Anspruch auf Entschädigung zu verlieren. Davon will die Zuger Regierung jedoch nichts wissen.

Wenn eine Mutter nach der Geburt ihres Kindes fit genug ist, soll sie kleine berufliche Tätigkeiten ausüben dürfen. Das forderten die beiden Zuger FDP-Politiker Rainer Leemann und Michael Arnold. In einer Motion beauftragten sie den Regierungsrat, beim Bund eine Standesinitiative einzureichen.

Das heutige Gesetz: Während der ersten acht Wochen nach der Niederkunft dürfen Arbeitnehmerinnen nicht beschäftigt werden. Der Mutterschaftsurlaub endet 14 Wochen nach seinem Beginn. Vollzeit- wie Teilzeitangestellte haben Anspruch darauf. Beginnt eine Frau früher wieder zu arbeiten, also frühestens nach acht Wochen, verfällt der Anspruch.

Mit der aktuellen Gesetzeslage verliert also eine frische Mutter den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung und Mutterschutz, wenn sie währenddessen beruflich tätig ist. Das gilt auch, wenn sie in einem kleinen Pensum arbeitet. Der Grund gemäss Regierungsrat: «Damit wollte der Gesetzgeber dazu beitragen, dass der Mutterschaftsurlaub von der Mutter voll ausgeschöpft wird.»

Das Mutterschaftsthema kommt von zwei Kinderlosen

Der Absender der Motion erstaunt: Der Vorstoss kommt von zwei kinderlosen Männern. Doch es gibt einen Grund dafür. Im Sommer nämlich hatten die beiden Kantonsrätinnen Anna Bieri und Barbara Häseli bereits eine Motion betreffend Standesinitiative eingereicht. Dies in Bezug auf politische Mandate während der Mutterschaft (zentralplus berichtete).

Das Gesetz solle dahingehend geändert werden, dass politische Mandate auf den Legislativebenen künftig auch während des Mutterschaftsurlaubs wahrgenommen werden können, forderten die Frauen. Der Kantonsrat erklärte die Motion als erheblich und beschloss die sofortige Einreichung einer Standesinitiative.

Für die beiden FDP-Herren griff die Motion der beiden CVP-Damen zu wenig weit. Das Gesetz solle nicht nur für Politikerinnen geändert werden, sondern für alle Mütter. Dies, damit «keine Ungleichbehandlung zwischen Müttern mit einer herkömmlichen Erwerbstätigkeit und Parlamentarierinnen» entstünde (zentralplus berichtete).

Der Regierungsrat ist mässig begeistert

Der Regierungsrat sieht die Sache etwas anders. Er bezeichnet die strenge Auslegung der Regeln über die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit «grundsätzlich als sinnvoll».

Die Bestimmungen des Mutterschutzes seien wichtige Errungenschaften, denen es Sorge zu tragen gelte und die nicht aufgeweicht werden sollen. «Gleichzeitig dürfen diese Regeln jedoch nicht dazu führen, dass Mütter ihre politischen Rechte nicht mehr wahrnehmen können», so die Exekutive.

Die «Ungleichbehandlung» respektive die Ausnahmeregelung für Parlamentarierinnen sei daher sachlich gerechtfertigt. Dies insbesondere, da sich die politische von der herkömmlichen Erwerbsarbeit unterscheide.

Im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmerin unterliegen Parlamentarierinnen keinem Weisungsrecht eines Vorgesetzten. Damit könne auch niemand Druck auf eine Mutter ausüben, an Sitzungen teilzunehmen und auf den ihr zustehenden Schutz zu verzichten.

Das Damoklesschwert hängt über den Müttern

Ausserdem, so schreibt der Regierungsrat, hänge über Müttern im Mutterschaftsurlaub – bildlich ausgedrückt – das Damoklesschwert der Kündigung. Denn gemäss Arbeitsrecht darf ein Vorgesetzter der Mutter 16 Wochen nach der Niederkunft kündigen.

«Angesichts dieser Ausgangslage wird eine Mutter kaum ihre wirtschaftliche Existenz gefährden und der Weisung eines Arbeitgebers entgegentreten, sie möge während des Mutterschaftsurlaubs doch diese oder jene kleine Arbeit erledigen.» Deshalb brauche es im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis eine strikte Auslegung der Regeln.

Parlamentarierinnen kann man nicht künden

Im Gegensatz zur parlamentarischen Tätigkeit, wo eine andere Ausgangslage herrsche: Parlamentarierinnen werden vom Volk für eine bestimmte Amtszeit gewählt.

Aus diesem Grund plädiert der Regierungsrat dafür, die Motion der beiden Kantonsräte als nicht erheblich zu erklären.

Leemann kritisiert das Grundmisstrauen

Zwar kann Motionär Rainer Leemann die Antwort des Regierungsrates nachvollziehen. Zufrieden ist er damit jedoch nicht. «Die Argumentation der Regierung basiert auf einem Grundmisstrauen gegenüber den Arbeitgebern. Sie geht davon aus, dass die Vorgesetzten ihre Mitarbeiterinnen zwingen würden, früher zu arbeiten.»

Gemäss der aktuellen Gesetzeslage ist es bloss verboten, während der ersten acht Wochen nach der Geburt zu arbeiten. «So könnten Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen ja bereits jetzt zwingen, ab Woche neun wieder zu arbeiten. Nur machen sie das nicht.»

Wer selbständig sei, habe es schwerer

Ausserdem gibt Leemann zu bedenken, dass die aktuelle Gesetzeslage Existenzen gefährden könne. Gerade bei Selbständigerwerbenden etwa. «Eine Musikerin, die während ihres Mutterschutzes ein wichtiges Konzert hat, darf dieses gemäss Gesetz nicht wahrnehmen. Sonst verliert sie ihre Mutterschaftsentschädigung», betont der FDP-Kantonsrat.

Er könne sich deshalb eine flexiblere Ausgestaltung des Gesetzes vorstellen. «Etwa, dass man während maximal drei oder fünf Tagen in dieser Zeit arbeiten darf.»

Leemann bedauert die klare Haltung der Regierung: «Ich hätte das Geschäft gern nach Bern geschickt, um es dort ganzheitlich beurteilen zu lassen.»

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