Wohnen

Zuger Mieterverband kritisiert Entscheid des Stadtrats

Preisgünstige Wohnungen wie im Roost in der Stadt Zug sind begehrt.

(Bild: Yvonne Anliker)

In der Stadt Zug gibt es spezielle Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau. Der Stadtrat hat jüngst entschieden, dass in diesen Zonen auch preisgünstiges Wohneigentum realisiert werden kann. Das kann der Zuger Mieterverband nicht verstehen. Dessen Co-Präsident Urs Bertschi spricht von einer «schieren Gier» seitens der betroffenen Grundeigentümer.

Vor drei Jahren klopften sich in der Stadt Zug Politiker von rechts bis links auf die Schultern: Mit der jüngsten Ortsplanungsrevision wurden vier Gebiete einer Zone für den preisgünstigen Wohnungsbau zugeordnet. Auf diesen Liegenschaften sind mindestens 50 Prozent der anzurechnenden Geschossfläche für den preisgünstigen Wohnungsbau zu reservieren. Im Gegenzug wird auf diesen Anteil ein Ausnützungszuschlag von 10 Prozent gewährt. Mit dieser Neuregelung hat die Stadt ein Instrument geschaffen, um das Angebot an erschwinglichen Wohnungen in Zug zu erhöhen. Konkret sollen auf den vier Gebieten rund 340 davon entstehen.

Doch in der Zwischenzeit hat sich die Freude über den «wegweisenden Entscheid», wie er damals von einem Parlamentarier genannt wurde, bei einigen Zugern gelegt. Vor allem der Mieterinnen- und Mieterverband des Kantons Zug ist konsterniert. Der Grund: Der Stadtrat hat kürzlich entschieden, dass in den Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau auch preisgünstiges Wohneigentum realisiert werden kann. Noch in der entsprechenden Verordnung vom Dezember 2010 liess die städtische Exekutive nur Mietwohnungen zu – was die betroffenen fünf Eigentümer der vier ausgeschiedenen Gebiete damals veranlasste, die Verordnung anzufechten. So kam es zu einer  Verhandlung zwischen Stadt und Grundeigentümern, die von der kantonalen Baudirektion moderiert wurde.  

«Am Lottogewinn herumschrauben»

 «Die Grundeigentümer schrauben an ihrem Lottogewinn herum», kommentiert Urs Bertschi, Co-Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Kanton Zug. Mit Lottogewinn bezeichnet Bertschi die Tatsache, dass die vier Gebiete eingezont wurden, den Eigentümern jetzt also als Bauland zur Verfügung stehen. Er spricht auch von einer «schieren Gier, die die Grundstückbesitzer nun an den Tag legen», indem sie plötzlich den «Fünfer und das Weggli» wollen und sich damit «viele Optionen für die Zukunft offen halten».

«Doch während der Ortsplanungsrevision war nie die Rede von preisgünstigem Wohneigentum», ergänzt der SP-Politiker, der damals im Zuger Stadtparlament als Wegbereiter dieser Spezialzonen auftrat und heute als Präsident der Bau- und Planungskommission amtet. Es brauche in der Stadt vor allem bezahlbare Mietwohnungen. «Preisgünstiges Wohneigentum ist ein Widerspruch in sich.» Bertschi fragt sich, wer denn überhaupt Interesse haben soll an einer erschwinglichen Eigentumswohnung? «Wer nimmt eine solche Kapitalbindung in Kauf, wenn er die gleiche Wohnung günstig mieten könnte?» In Zug sind zudem Stimmen zu vernehmen, die dem Stadtrat vorwerfen, mit dieser neuen Regelung «ein Luxusproblem» beheben zu wollen.

Nachfrage nach Eigentum ist vorhanden 

Für die Grundeigentümer ist jedoch klar, dass eine Nachfrage nach bezahlbarem Wohneigentum besteht – und es sich dabei nicht um ein Luxusproblem handelt. «Wir sind überzeugt: Gerade jene Leute, die den Kanton Zug verlassen, sind auf der Suche nach Eigentum», sagt Adrian Moos. Der FDP-Politiker ist Rechtsvertreter einer der Landeigentümer.

Dass nach bezahlbarem Wohneigentum gefragt wird, bestätigt Urban Keiser, Präsident der Korporation Zug, die auch zu den betroffenen Grundeigentümer gehört. «Es gibt in Zug viele Familien, die etwas Eigenes kaufen möchten, das preiswert ist.» Dies zeige die Erfahrung der Korporation mit ihren bereits bestehenden erschwinglichen Eigentumswohnungen. Und, so merken die Landbesitzer weiter an, würden ja nicht alle der vorgesehenen 340 preisgünstigen Wohnungen zu Eigentum. Zulässig sind höchstens 30 Prozent, wobei diese Wohneigentumsnutzung innerhalb der vier Gebiete unterschiedlich verteilt werden kann.

Flexibilität wahren

Aber nicht nur die vorhandene Nachfrage nach erschwinglichem Wohneigentum hat die Grundeigentümer dazu bewogen, die einstige Verordnung des Stadtrats anzufechten. Die Erbengemeinschaften Keiser und Iten, die im Osten von Zug eine Überbauung planen, sprechen von «fairen Grundlagen», welche für die Bauherrschaften gelten sollen. Zumal es bei allen noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Bagger auffahren werden. «Die Entwicklung des Immobilienmarkts ist unvorhersehbar. Je nach Zinsentwicklung könnte es beispielsweise schwierig werden, den Bau ohne den Verkauf von einzelnen Wohnungen finanzieren zu können», teilen die beiden Erbengemeinschaften über ihre Rechtsvertreter mit. Mit der heutigen Regelung jedoch würden die Grundeigentümer die Möglichkeit und die Freiheit besitzen, auf die künftigen Verhältnisse flexibel und möglichst unabhängig von Bankauflagen reagieren zu können.

Ähnlich argumentiert Adrian Moos: «Für die Projektfinanzierung oder eine Aufteilung innerhalb einer Erbengemeinschaft ist es von Vorteil, wenn einzelne Wohnungen verkauft werden können.» Die Idee des preisgünstigen Wohnungsbaus solle ja sein, dass solche Wohnungen gebaut werden, nicht aber dass ein heutiger Landeigentümer diese auch alle behalten muss.

Diese Argumente haben den Stadtrat dazu gebracht, von seinem einstigen Entscheid abzurücken. Und wohl auch die Befürchtung, die Eigentümer könnten von einer Überbauung ihrer Liegenschaften und damit von einer Realisierung der dringend benötigten Wohnungen absehen, sollte die Stadt nicht auf die Forderung eingehen.

Auch die kantonale Gesetzgebung hat laut André Wicki, Bauchef der Stadt Zug, dazu geführt, dass der einmal getroffene Beschluss überdacht wurde. Denn der Kanton sieht für die Wohnförderung ebenfalls Mietwohnungen und Wohneigentum vor, und der Bund unterstützt ebenfalls beide Arten der Wohnnutzung finanziell.

Spekulationen mit Vorkaufsrecht unterbinden

Wicki erachtet die neu erarbeitete Lösung auch deshalb als vertretbar, «weil die Grundeigentümer Hand bieten für klare flankierende Massnahmen, damit mit den Eigentumswohnungen nicht spekuliert wird.» Im Klartext: Einerseits ist der Verkauf an eine Obergrenze, die noch definiert werden muss, gekoppelt. Andererseits räumen die Privaten der Korporation, der Stadt oder einer Genossenschaft ein Vorkaufsrecht ein.

Aber, entgegnet Urs Bertschi vom Mieterverband: «Das Vorkaufsrecht ist klar beschränkt.» Denn gemäss geltendem Gesetz kann ein solches nur für 25 Jahre im Grundbuch als Vormerkung eingeschrieben werden. «Wie soll eine Spekulation nach Ablauf dieses Zeitraums unterbunden werden?», fragt er. Nicole Nussberger, Leiterin Rechtsdienst im Baudepartement, bestätigt, dass die preisgünstigen Eigentumswohnungen nach 25 Jahren auf den freien Markt kommen. Sie befürchtet jedoch nicht, dass diese dann zu einem überhöhten Preis verkauft werden könnten. «Solange die Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau bestehen bleiben, wird mit solchen Wohnungen nie eine Rendite wie auf dem freien Markt erzielt.» Denn diese Wohnungen würden stets einer vom Stadtrat definierten Mietzinsobergrenze unterstehen.

Das ist für die Erbengemeinschaften Keiser und Iten der springende Punkt: «Über die Festlegung der Mietzinsobergrenzen ist gesichert, dass die Preise beim Verkauf von einzelnen Stockwerkeigentumswohnungen sowieso nicht exorbitant nach oben steigen können, weil mit einem zu hohen Kaufpreis und der gleichzeitigen tiefen Miete gar keine genügende Rendite realisiert werden kann.»

Es gibt keine Richtlinien für die Privaten

All dies kann den SP-Politiker Urs Bertschi sowie den Mieterverband nicht beruhigen. Erstens sei die Durchsetzung eines Vorkaufsrechts nicht immer leicht, sagt Bertschi. Diese Erfahrung muss derzeit die Korporation Zug machen. Gemäss Urban Keiser ist in dieser Sache nämlich ein erster Fall hängig, Details dazu gibt er keine bekannt. Zweitens, sagt Bertschi, «sind die privaten Eigentümer an keine Richtlinien gebunden, an wen sie die Wohnungen – ob Miete oder Eigentum – abgeben sollen.» Dies im Gegensatz zur Stadt, die über eine ganze Liste mit Kriterien verfügt, welche potentielle Mieter von städtischen Wohnungen erfüllen müssen. Auch die Korporation Zug kennt ein entsprechendes Reglement.

Tatsächlich hat das Stadtparlament während der Ortsplanungsrevision – trotz anderslautenden Anträgen – explizit auf die Festlegung einer Regelung verzichtet, wonach die preisgünstigen Wohnungen von den privaten Eigentümern nur an Personen hätten abgegeben werden können, welche sich über ein geringes Einkommen ausweisen. Für Martin Spillmann ist es nach wie vor richtig, dass damals keine solchen Vorschriften erlassen wurden. Spillmann hat als FDP-Politiker und damaliger Präsident der Bau- und Planungskommission die Ortsplanungsrevision eng begleitet. «Mit der Bauordnung kann keine Sozialpolitik betrieben werden», sagt er.

Das bedeutet aber, dass der Eigentümer grundsätzlich frei ist, wem er eine preisgünstige Wohnung überlässt. Für Rechtsvertreter Adrian Moos ist das kein Problem: «Aufgrund der Tatsache, dass die Wohnungen aber von der Grösse und vom Ausbaustandard her sehr bescheiden konzipiert werden müssen, werden auch die Interessenten für solche Wohnungen wohl nicht die sein, welche sich eine viel grössere oder luxuriösere Wohnung leisten können.»

Noch ein Sieg für die Grundeigentümer

Die fünf Landbesitzer waren mit ihrer Intervention beim Stadtrat aber nicht nur bezüglich der Frage «Eigentum Ja oder Nein» erfolgreich. Sondern auch in jener der Mietzinsobergrenze, welche der Stadtrat für die preisgünstigen Mietwohnungen festlegt. Diese wurden nach oben korrigiert. Denn neu gelten als Berechnungsgrundlage für die vom Stadtrat festgelegte Obergrenze die Anlagekostenlimiten gemäss kantonaler Gesetzgebung und der Zinssatz der Zuger Kantonalbank für variable Hypotheken.

Zuvor lagen der Rechnung die Anlagekosten und der hypothekarische Referenzzinssatz des Bundesamtes für Wohnungswesen zu Grunde. Die Konsequenz der veränderten Berechnungsgrundlage sind höhere Mietzinsobergrenzen. Heute rechnet das Baudepartement beispielsweise für eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer Mietzinsobergrenze von 1591 Franken (ohne Nebenkosten), für eine 5-Zimmer-Wohnung mit 2952 Franken; dies bei einem Zinssatz von 2,5 Prozent. Entstehen werden also Wohnungen für den Mittelstand.

Diese Erhöhung der Mietzinsobergrenze, die im Vergleich zu den angefochtenen Zahlen rund 10 Prozent beträgt, ist ganz im Sinn der Grundeigentümer. Denn vor zwei Jahren stellten sich einige der privaten Grundbesitzer die Frage, ob sich mit den tieferen Obergrenzen ein Bau der preisgünstigen Wohnungen überhaupt rentiere. Ob nun mit den neuen Mietzinsobergrenzen eine Rendite erzielt werden kann, wissen die Grundeigentümer heute noch nicht.

«Entscheidend werden die tatsächlichen Baukosten sein und auch die Frage, zu welchem Preis das Land der Grundeigentümer, falls überhaupt, eingesetzt werden kann», heisst es seitens der Erbengemeinschaften Keiser und Iten. Bei den Baukosten würden die Auflagen der Stadt sowie die weiteren allfälligen Pflichten der Grundeigentümer, beispielsweise Strassenverlegungskosten, Schaffung von Grünflächen usw. eine wesentliche Rolle spielen.

«Aus meiner persönlichen Sicht kann ich es mir heute kaum vorstellen, dass der Bereich des preisgünstigen Wohnungsbaus ohne Quersubventionierung durch den nicht preisgünstigen Wohnungsbau überhaupt rentabel geführt werden kann», sagt Rechtsanwalt Stephan Kamer, der eine der betroffenen Erbengemeinschaften vertritt. Dabei sei anzumerken, dass auch im Bereich preisgünstiger Wohnungsbau sowohl die künftigen Mieter als auch die künftigen Stockwerkeigentümer berechtigte Ansprüche an den Standard ihrer Wohnungen haben werden, ansonsten sich diese Wohnungen im freien Markt gar nicht absetzen lassen werden. «Jeder zusätzliche Anspruch, der realisiert werden muss, bedeutet auch wieder zusätzliche Investitionskosten und wegen der Mietzinsobergrenze auch eine verminderte mögliche Rendite.»

Eine gescheite Planung als Grundlage 

Die Befürchtungen einer zu geringen Rendite teilt Urban Keiser von der Korporation Zug indes keineswegs. Er ist gar der Meinung, dass die vom Stadtrat neu definierten Mietzinsobergrenzen klar unterschritten werden können – «die Korporation tut dies jedenfalls bereits», sagt er und ergänzt: «Aus unserer Sicht ist es sehr wohl möglich, preisgünstige Wohnungen zu realisieren und damit eine normale Rendite zu erzielen.» Dieses Ziel sei mit klaren Rahmenbedingungen, die von Anfang bis Schluss eingehalten werden, zu erreichen. Dabei gehe es nicht darum, beispielsweise einfach günstigere und qualitativ minderwertigere Materialien zu verwenden, sagt Keiser. Aber: «Mit einer gescheiten Planung und Vorgehensweise können sehr schöne und preiswerte Wohnungen gebaut werden.»

Urs Bertschi macht bezüglich der Äusserungen von Stephan Kamer ein «unverständliches und gar unberechtigtes Jammern auf hohem Niveau» aus. Immerhin hätten die Grundeigentümer ihr Landwirtschaftsland «ohne jedwedes Zutun zu kostbarem Bauland ummünzen können», versehen mit einem Ausnützungsbonus von 10 Prozent, von dem plötzlich auch niemand mehr spreche. «Wenn die Grundeigentümer das Land zu einem vernünftigen Wert einsetzen, bleibt der angestrebte Wohnungsbau tatsächlich preisgünstig und wird auch nicht zum Risiko. Ansonsten lässt sich der Boden sicherlich an Wohnbaugenossenschaften verkaufen», fügt Urs Bertschi an, «denn diese sind auf zahlbaren Boden angewiesen.»

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 26.01.2013, 15:15 Uhr

    Das Stadtzuger Stimmvolk hatte der Initiative «Wohnen in Zug für alle» von SP, Alternativen, CSP und Mieterverband klar zugestimmt. Dies muss jetzt auch umgesetzt werden. Die Mietzinsobergrenze muss runter, und in den Zonen für preisgünstiges Wohnen dürfen nicht für die meisten unbezahlbare Eigentumswohnungen entstehen!

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