Er machte sich ein schönes Leben in Thailand

Zuger Fahrlehrer inszenierte Unfälle, um das Versicherungsgeld zu kassieren

Der Mann arbeitete weiter als Fahrlehrer – und besserte so den Erwerbsersatz auf, den er von den Versicherungen kassierte. (Symbolbild: Adobe Stock)

Drei Mal ist ein Fahrlehrer extra in einen Betonpfosten gefahren. Nach dem angeblichen Unfall kassierte er von verschiedenen Versicherungen Zahlungen von über 500'000 Franken. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Der angebliche Unfall ereignete sich im Dezember 2007. Gegenüber seinen Versicherungen gab der Mann an, er sei an jenem Abend mit einem Fahrschüler unterwegs gewesen. Plötzlich sei ein dunkel gekleideter Velofahrer ohne Licht im Affenzahn auf sie zugerast. Im letzten Moment habe der Fahrschüler das Lenkrad herumreissen können. Der Velofahrer sei unverletzt geblieben und sogleich verschwunden. Doch das Auto sei mit rund 40 Kilometern pro Stunde in einen Betontrog geknallt.

Der Fahrlehrer machte gegenüber dem Notarzt schwere Unfallfolgen geltend. Insgesamt wurden in den Folgejahren Versicherungsleistungen in der Höhe von 520'000 Franken ausbezahlt.

Fahrschüler zu falschen Angaben angestiftet

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben mittlerweile jedoch: das Ganze ist erstunken und erlogen. Der damalige Fahrschüler bestätigte Jahre später gegenüber der Polizei, dass es den Unfall nie gegeben hatte. Der Fahrlehrer habe ihm gesagt, was er gegenüber dem Notarzt aussagen solle.

«Ich habe auf der Überholspur gelebt. Ich bereue, was passiert ist, und es tut mir leid.»

Beschuldigter

Nachdem die Masche so gut funktioniert hatte, wiederholte sie der heute 70-Jährige ein paar Jahre später. Erneut wandte er sich mit einer Unfallmeldung an seine Versicherung. Diesmal gab er an, während des Aussteigens über die Türschwelle seines Autos gestolpert zu sein. Er sei kopfvoran auf den Boden gefallen. In der Folge wurde er an der Schulter operiert.

Arbeit trotz Arztzeugnis

Doch war es diesmal wirklich so? Die Staatsanwaltschaft glaubt nicht daran. Aus einer SMS an eine Drittperson geht nämlich hervor, dass der Mann vielmehr in Thailand einen Unfall gehabt hat – als er von einer 30 Meter hohen Klippe gesprungen ist.

Tatsächlich hielt sich der Fahrlehrer in jenen Jahren die meiste Zeit des Jahres in Thailand auf. Dort wurde er denn 2018 auch verhaftet. Dass er seinen Wohnsitz zuvor faktisch ins Ausland verlegt hatte, verschwieg er seinen Versicherungen allerdings.

«Er hat aus Habgier und rein egoistischen Motiven gehandelt.»

Staatsanwältin

Wenn er in jener Zeit in der Schweiz war, arbeitete er weiterhin als Fahrlehrer. Über 200 Schüler hatte er zwischen 2007 und 2013. Sie konnten dank der Daten aus dem Mobiltelefon ausfindig gemacht werden. Pikant daran: Der Mann war zu der Zeit angeblich zu 100 Prozent arbeitsunfähig und bezog entsprechenden Erwerbsersatz. Nach dem zweiten Unfall wurden weitere 250'000 Franken ausbezahlt.

Ein Teil der Strafe wurde abgesessen – im «Horrorknast»

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zudem vor, er habe die Mitarbeiterin eines Inkassobüros bei ihrem Chef zu Unrecht verunglimpft. Hintergrund: Die Frau hatte ihn wegen sexueller Belästigung angezeigt, weil er ihr Bilder seines Geschlechtsteils geschickt hatte.

Die Staatsanwaltschaft beantragt in einem abgekürzten Verfahren eine Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs und Verleumdung. Und zwar zu einer Freiheitsstrafe von 23 Monaten. «Er hat aus Habgier und rein egoistischen Motiven gehandelt», sagte die Staatsanwältin am Dienstag an der Verhandlung vor dem Zuger Strafgericht.

«Die U-Haft in der Schweiz kam mir im Vergleich vor wie ein Luxushotel.»

Beschuldigter

Einen Teil der Strafe hat der Mann mit der Untersuchungshaft bereits abgesessen. Der Rest wird nur vollzogen, wenn der Mann innerhalb der nächsten drei Jahre rückfällig wird. Sofort fällig wird eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à je 30 Franken. Damit folgt das Strafgericht dem Antrag, den Staatsanwaltschaft und Verteidigung gemeinsam gestellt haben.

«Ich wurde gefoltert»

Dass der bedingte Vollzug gewährt wird, ist eine letzte Chance für den Mann. Eine, die er nutzen will, wie er in der Verhandlung vor dem Zuger Strafgericht versichert. «Ich habe bereits recht gebüsst», meint er dazu.

Er sei in Thailand in einem «Horrorknast» gewesen und sei gefoltert worden. «Ich hatte eine akute Blutvergiftung und habe 20 Kilo Körpergewicht verloren. Ich musste schon recht büssen. Die U-Haft in der Schweiz kam mir im Vergleich vor wie ein Luxushotel.»

Fahrlehrer ist geständig

Diese besonderen Entbehrungen hat die Staatsanwaltschaft bei der Strafzumessung berücksichtigt. «Die Gesundheit des Beschuldigten hat unter den misslichen Haftbedingungen gelitten», räumt die Staatsanwältin ein. Strafmildernd berücksichtigt sie die drohende Verjährung – und das vollumfängliche Geständnis des Mannes.

«Die Gesundheit des Beschuldigten hat unter den misslichen Haftbedingungen gelitten.»

Staatsanwältin

«Ich habe auf der Überholspur gelebt. Ich bereue, was passiert ist, und es tut mir leid. Ich habe ein neues Leben angefangen», sagt der Beschuldigte denn auch in der Verhandlung.

Der Mann lebt heute von der AHV-Rente – ansonsten hat er kein Einkommen. Er anerkennt zwar die Zivilforderungen der Versicherungen. Aber es sieht nicht danach aus, als könnte er den angerichteten Schaden in absehbarer Zeit zurückzahlen. «Er ist als gebrochener Mann aus Thailand zurückgekommen. Er hat alles verloren: seine Familie, seine Freunde und sein Vermögen», sagt der Verteidiger. Das Urteil ist rechtskräftig.

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