Kirschessigfliege auf dem Vormarsch

Zuger Chriesibauern schlagen Alarm

Die Kirschessigfliege ist eine grosse Bedrohung für die Kirschbauern im Kanton Zug. Sollte nicht bald ein Mittel gegen den Schädling gefunden werden, wird sich das Landschaftsbild wohl etwas anders präsentieren.

(Bild: pbu)

Zuger Kirschbauern sind besorgt: Die Kirschessigfliege hat sich rasant im Kanton ausgebreitet und sorgt für immense Ernteausfälle. Die Zukunft der Hochstammkirschen-Produktion ist höchst ungewiss – und es besteht die Gefahr, dass die Chriesibäume schon bald aus dem Zuger Landschaftsbild verschwinden.

Die diesjährigen Wetterbedingungen sind optimal. Respektive verheerend: ein milder Winter, ein verhaltener Frühling und viel Niederschlag. «Während die Population der Kirschessigfliege letztes Jahr durch die warmen Temperaturen etwas gebremst werden konnte, ist diese heuer regelrecht explodiert.» Philipp Hotz, Obstbaufachmann und Betriebsleiter auf dem Bauernhof «Hotzenhof» in Baar, ist beunruhigt. Wie die meisten Kirschbauern im Kanton umtreibt ihn zurzeit eine brennende Frage: wie weiter?

Wie weiter mit den Hochstamm-Kirschbäumen, bei denen man dem Schädling nichts entgegenzusetzen hat? Was tun gegen dieses kleine Insekt, das seine Eier in die Kirsche legt und damit deren Konsistenz zerstört und die Frucht ungeniessbar macht? Auf den Ländereien der Familie Hotz-Mathis stehen 60 solcher Hochstämmer. Der älteste Kirschbaum ist gut 150 Jahre alt. «Uns sind die Hände gebunden», sagt Hotz. «Anlagen aus Klein- und Niedrigstämmern lassen sich gut mit Netzen vor der Fliege schützen. Aber bei Hochstämmern ist das schlicht nicht möglich.»

Mit «Bauerntricks» gegen den Schädling

Das hat Folgen. Die Ernteeinbusse bei der Familie Hotz beträgt dieses Jahr rund 15 Prozent. Das mag nach wenig klingen, ist aber letztlich nur darauf zurückzuführen, dass die Kirschen bewusst früher geerntet wurden. «Bevor sich die Essigfliege auf den Bäumen ausbreiten konnte», erklärt Hotz, der daneben mit dem Einsatz von Kalk versucht, die Ausbreitung hinauszuzögern. «Der Kalk nimmt dem Schädling die Nahrungsgrundlage, die Hefe. Dadurch wird die Frucht nicht mehr so attraktiv für die Fliege und die Schäden lassen sich etwas tiefer halten.»

«Die Stimmung unter den Bauern ist schlecht. Alle sprechen nur noch vom Roden.»

Christian Horath, Zuger Bauer

Kleine Fliege, grosser Schaden

Die weiblichen Kirschessigfliegen bohren sich in die Früchte und legen darin 300 bis 400 Eier ab. Die Larven bilden Essig und fressen dann die Frucht von innen auf, bis nur noch die Schale und der Stein am Stil hängen. 2011 wurde der Schädling mit dem lateinischen Namen Drosophila suzukii erstmals in der Schweiz festgestellt. Ursprünglich stammt er aus Südostasien.

Beträgt die Lufttemperatur über längere Zeit mehr als 32 Grad Celsius, werden die Männchen unfruchtbar. Deshalb haben die Wetterbedingungen einen grossen Einfluss auf die jeweilige Population. Nicht geerntete Bäume oder zu spät geerntete Früchte sind Brutstätten und gefährden andere heranreifende Kulturen. Deshalb sollten reife Früchte konsequent geerntet und befallene Früchte entsorgt werden.

Den «Trick» mit der frühen Ernte wendet auch Bauer Christian Horath auf seinem «Klosterhof» in Zug an. Gut 80 Kirschbäume stehen auf seinem Grundstück. So richtig glücklich ist er mit der auferzwungenen Massnahme allerdings nicht: «Darunter leidet die Qualität. Die Kirschen haben weniger Aroma wegen des tieferen Zuckergehalts. Und das wirkt sich wiederum negativ aufs Destillieren aus.» Horaths Ernteausfall dieses Jahr: rund 1000 Kilogramm.

Düstere Zukunftsaussichten für Hochstämmer

«Die Kirschessigfliege ist ein Riesenproblem», sagt der Bauer konsterniert. Für ihn ist klar: Wenn nicht bald ein Mittel gegen den Schädling gefunden wird, dann sieht es düster aus für die Zuger Chriesibauern. «Die Stimmung unter den Bauern ist schlecht», erzählt Horath. «Alle sprechen nur noch vom Roden.» Bauer Philipp Hotz sind diese Stimmen ebenfalls zu Ohren gekommen. «Das wäre extrem schade. Auch für das Landschaftsbild von Zug.»

Für Hotz selbst kommt Roden zurzeit nicht infrage. Das liegt aber auch daran, dass sein Grundstück zehn Hektaren Niedrigstammanlagen umfasst. «Das ist bei uns der Haupterwerb. Die Hochstammkirschen brauchen wir zur Kirschproduktion, nicht für Tafelkirschen.» Er ist denn auch der Überzeugung, dass sowohl Tafel-, als auch Konserven- und Brennkirschen zukünftig vermehrt in Niedrigstammanlagen angebaut werden. So, wie das im Baselbiet schon länger der Fall sei.

Bauer Philipp Hotz: «Unsere Hochstämmer können wir vor der Kirschessigfliege nicht schützen.»

Bauer Philipp Hotz: «Unsere Hochstämmer können wir vor der Kirschessigfliege nicht schützen.»

(Bild: pbu)

Sabotage an Zuger Imagepflege

Keine guten Nachrichten also für den Kanton Zug. Seit 2008 treibt die IG Zuger Chriesi das Projekt «1000 Kirschbäume für Zug» voran. Wie der Name schon sagt, sollen 1000 neue Hochstamm-Kirschbäume in der Region gepflanzt werden. Nicht nur, um das Zuger Chriesi in all seinen Erscheinungsformen zu fördern, sondern auch, um dem Kanton ein Kirschen-Image gegen aussen zu verleihen. Nun sabotiert die Kirschessigfliege also Zugs Imagepflege.

«Das Projekt ‹1000 Kirschbäume für Zug› ist eine gute Sache, weil es dem Kanton das Wirtschaftsimage nimmt.»

Philipp Hotz, Obstbauer aus Baar

«Es ist natürlich unschön, dass der Schädling gerade jetzt auftaucht», sagt Bauer Hotz, der der Chriesioffensive grundsätzlich positiv gegenübersteht und im Zuge von «1000 Kirschbäume für Zug» selbst 40 Hochstämmer gepflanzt hat. «Das Projekt ist eine gute Sache, weil es dem Kanton das Wirtschaftsimage nimmt und ihn nicht auf Steuerbegünstigungen reduziert.» Es stelle sich nun allerdings die Frage, ob sich überhaupt noch Bauern finden lassen, die sich dazu bereit erklären, Hochstammbäume zu pflanzen.

Die Erfolgsaussichten stehen momentan jedenfalls alles andere als gut. «Es sieht schlecht aus für die Zukunft», meint Bauer Christian Horath. Wenn sich nicht bald ein chemisches Mittel finden lasse, das seinen Zweck auch nachhaltig erfülle, dann sehe er schwarz für die Hochstämmer. Vielleicht wäre ein Anpflanzungsstopp zurzeit gar angebracht, findet er.

Die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii. (Bild: Wikipedia)

Die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii. (Bild: Wikipedia)

Chriesi-Projekt wird zur Gefahr

Denn für Bauern, die vollumfänglich vom Obstbau leben, ist es enorm wichtig, dass all die Kirschbäume im Kanton abgeerntet werden. Ein mit Kirschessigfliegen befallener Baum, der einfach so in der Landschaft stehe, fungiere als gefährlicher Vermehrungsherd, erklärt Hotz. «Da sehe ich die grosse Gefahr für uns Obstbauern. In diesem Sinne, also wenn Bäume nicht gepflegt werden, ist das Projekt ‹1000 Kirschbäume für Zug› auf jeden Fall eine Gefahr für die Obstbauern.»

Die Kirschessigfliege begnügt sich nämlich nicht mit Kirschen, sondern hat es auf alle weichen Sommerfrüchte abgesehen. Alle Beerenarten, Kirschen, Aprikosen, Zwetschgen und Weintrauben sind potenzielle Brutstätten des Insekts. Hotz musste dies am eigenen Leib erfahren, als die Fliege vor zwei Jahren seinen Zwetschgenertrag arg dezimierte.

Die Hochstammkirschbäume der Familie Hotz-Mathis in Baar. Ein Bild der Vergangenheit?

Die Hochstammkirschbäume der Familie Hotz-Mathis in Baar. Ein Bild der Vergangenheit?

(Bild: pbu)

Ein ganzer Kontinent auf der Suche

Wie weiter also? Alle Bäume fällen? In abwartender Haltung den chemischen Heilsbringer herbeisehnen? Hotz hofft auf eine biologische Lösung. Kirschen nur wenige Tage vor der Ernte mit Chemikalien zu behandeln, sei für ihn keine Lösung. «So komisch es klingen mag, das Gute an der Sache ist, dass wir nicht die einzigen Betroffenen sind, sondern sich die Kirschessigfliege in ganz Europa ausgebreitet hat. So versucht der ganze Kontinent mit Hochdruck, das Problem in den Griff zu bekommen.»

In der Zwischenzeit hofft der Bauer auf einen eisigen Winter. «Das würde den Druck im Frühling stark reduzieren», sagt er. Ganz ausrotten lasse sich die Fliege allerdings nicht. Die anpassungsfähigen Tiere sind da – und werden auch da bleiben. «Es gefällt ihnen hier, weil sie hier das perfekte Klima vorfinden.» Umso mehr drängt die Zeit. Denn sonst bleibt in Zukunft von den Hochstamm-Kirschbäumen ausser nostalgischen Erinnerungsfetzen nichts weiter übrig.

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