Prognose: 50 Prozent der Brauereien verschwinden

Zuger Bierbrauer lassen sich von Provokation nicht beirren

Grosser Bierkenner: der Zuger Biersommelier und Braukursleiter Roland Singer.

(Bild: zvg)

Eben erst sind in der Zentralschweiz zahlreiche Kleinbrauereien entstanden – da prophezeit der Chef der grössten Schweizer Brauerei, dass in den nächsten Jahren die Hälfte der Betriebe eingehen werden. Doch wie präsentiert sich die Situation bei den 16 Brauern im Kanton Zug, wie viele sind tatsächlich vom baldigen Aus bedroht?

Die Brauerei Einhorn in Hünenberg hat kürzlich erst das Aktienkapital erhöht und neue Anlagen angeschafft. Die vier Brauer von Bachweg Brewing in Edlibach fühlen sich in ihrer Scheune beengt und sehen sich nach einer grösseren Arbeitsstätte um. Und die grösste Brauerei im kleinen Kanton Zug, jene in Baar, hat ihren Bierausstoss innerhalb von zehn Jahren auf zwei Millionen Liter verdoppelt: Das klingt nach einem weiteren Aufschwung der Kleinbrauereien.

Im krassen Gegensatz dazu steht die These von Thomas Amstutz, CEO von Feldschlösschen. Dieser hatte vor mehreren Wochen in den Medien prophezeit, dass in den nächsten fünf Jahren die Hälfte der Schweizer Brauereien dicht machen würde. Doch was ist dran an dieser Ausage, und was sagen die Zuger Brauer zu ihrem baldigen Ende?

Nachfolgeregelung ist ein Problem

«Die These finde ich schon ein wenig provokativ», sagt Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar. Sein Betrieb hat im vergangenen Jahrzehnt davon profitiert, dass die grossen Schweizer Brauereien ausnahmslos von Multis übernommen worden sind – und bei einem Teil der Konsumenten Goodwill eingebüsst haben. Auf der anderen Seite ist Uster mit Thomas Amstutz im Vorstand des Schweizer Brauerei-Verbandes und glaubt ihn zu verstehen: «Er spricht hier nur von den 50 bis 70 professionellen Brauereien in der Schweiz.»

Also von Betrieben, die nur vom Brauen leben und so gross sind, dass sie auch Lehrlinge ausbilden können. Von denen gibt es in der Zentralschweiz drei: Eichhof in Luzern, die Brauerei Baar und die Brauerei Rosengarten in Einsiedeln. Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen werde es zu einer Bereinigung kommen, glaubt Uster. «Und zwar nicht in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil für Familienbetriebe kein Nachfolger gefunden wird.» Das Problem der Nachfolgeregelung würde aber auch KMU in anderen Branchen betreffen.

Sprung zur Profi-Brauerei ist schwierig

Urs Frei, Sprecher von Heineken Schweiz, zu der die Brauerei Eichhof gehört, glaubt auch die Kleinstbrauer in Gefahr. Es gebe 1’000 Braustätten in der Schweiz, Voraussetzung für eine Registrierung als Brauerei sei bereits ein Ausstoss von 400 Litern jährlich, die man verkaufen wolle. «Im internationalen Vergleich ist das unglaublich wenig.» Diese Kleinst-, Mikro- und Nanobrauereien scheiterten oft bei der Professionalisierung ihrer Betriebe. Grössere Anlagen anzuschaffen sei kostspielig.

Ausserdem unterschätzten die Kleinstbetriebe den Faktor Zeit, meint Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes. Sobald sie es schafften, ins Fass- und Liefergeschäft einzusteigen, müssten sie unglaublich viel Aufwand betreiben, um ihre Abnehmer zu versorgen. «Bierbrauen ist ein Skalengeschäft», sagt Kreber. «Es braucht ein gewisses Volumen, damit sich der Aufwand lohnt.»

Craft-Bier hat Umsatzprozente hinzugewonnen

Vielleicht reden die Herren aber auch ihre lästige Konkurrenz von der Craft-Beer-Bewegung schwach? «Mir scheint Thomas Amstutz hat die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt», sagt Ruedi Blattmann, Bierbrauer im Ägerital. «Wir Craft-Brauer haben den Grossen schon das eine oder andere Umsatzprozent abgenommen.»

«Für Freunde und die Region zu brauen hat absolut seinen Reiz und macht am Ende des Tages sehr glücklich.»

Freddy Niklaus, Wirt und Brauer aus Hünenberg

Die Situation im Kanton Zug scheint ihm recht zu geben. Schon nur im Ägerital mit seinen knapp 15’000 Einwohnern gibt es neben Blattmann Bier seit Kurzem mit Ä Bier einen zweite Anbieter, der in Unterägeri Gerstensaft herstellt . Die Bäckerei Kreuzmühle in Unterägeri lässt in Winterthur überdies ein eigenes Bier brauen.

Eisbock übernimmt Franzen Bräu

Drei Hobbybrauer in Menzingen, welche sogar auf 30-Liter-Heimanlagen Bier brauen und verkaufen, sind immer noch im Geschäft und präsentierten sich eben auch zum zweiten Mal auf dem Zuger Bierschiff. Die Chamer Brauerei Abi & Abi hat sich mit ihrem IPA etabliert und braut das Spezialbier mittlerweile auch in einer dunklen Variante.

In Baar hat zwar die Brauerin Julia Franzen die Segel gestrichen und ihre Mikrobrauerei, mit der sie achtbare Craft-Biere produzierte, verkauft. Aber die Brauerei Eisbock – betrieben von vier Zuger Biersommeliers, welche bis anhin ihre Rezepte auswärts brauen liessen – sind in die Lücke gesprungen, haben die Anlagen übernommen – und sich so einen Traum erfüllt. «Wir sind vielleicht gerade der Gegenbeweis von Amstutz› These», sagt Adrian Woerz von Eisbock. 

Eines der neueren Erzeugnisse auf dem Zuger Craft-Biermarkt: Dunkles Lager und helles Weizenbier der Zuger Braufreunde.

Eines der neueren Erzeugnisse auf dem Zuger Craft-Biermarkt: Dunkles Lager und helles Weizenbier der Zuger Braufreunde.

(Bild: mam)

Auf 7’800 Einwohner kommt ein gewerblicher Bierbrauer

Per saldo gibt es im Kanton Zug 16 Braustätten. Auf 7’800 Einwohner kommt ein Bierfabrikant, die Tendenz ist immer noch steigend. Doch es gibt auch nachdenkliche Stimmen. Etwa von Freddy Niklaus, der mit seinem Hünenberger Einhorn Bräu eine Grösse erreicht hat, mit der eine Kleinbrauerei wirtschaftlich überleben kann. «Der Höhepunkt der Craft-Bier-Bewegung ist erreicht», meint er. In Deutschland wie auch in anderen Ländern würden Brauereien schon wieder geschlossen.

Auch eine kleine Brauerei müsse jährlich 200’000 Liter ausstossen können – «alles andere ist eher unrentabel und mit viel Liebe zum Hobby verbunden», sagt Freddy Niklaus, der zweitgrösste Bierproduzent im kleinen Kanton.

Craft-Bier bleibt ein Nischenprodukt

98 Prozent des Biermarktes würde nach wie vor durch die 50 professionellen Brauereien in der Schweiz gedeckt. Die Nische für die Kleinstbrauereien sei begrenzt, glaubt Niklaus, nur schon, weil ein Preis von mindestens 3.20 Franken für ein kleines Fläschchen beim Getränkehändler – und entsprechend höher in einer spezialisierten Bar – nur von einem überschaubaren Publikum akzeptiert würde. 

«Doch wer nicht mit einer oder ein paar Millionen Franken Investitionen in den Markt eintritt, wird kaum zu den 50 grössten Brauereien gehören», schliesst Niklaus.  Der Rest braue weiterhin für Kollegen, Freunde und die Region. «Das hat aber absolut auch seinen Reiz und macht am Ende des Tages sehr glücklich.»

Zusammenspannen wäre eine Idee

Was also ist zu tun für jene, die trotz allem kommerziell handwerklich hergestelltes Bier produzieren möchten? «Kleinbrauereien müssten eigentlich erreichen, was Grossbrauereien geschafft haben», sagt Niklaus. Etwa ein Kompetenzzentrum für die Abfüllung zu schaffen, wie die Schaffhauser Brauerei Falken, welche für viele Brauereien Dosen und Bügelflaschen abfüllt – bekanntlich fertigte es einst auch das Lozärner Bier (zentralplus berichtete).

Ausserdem sagt Niklaus: «Das Überleben der sogenannten Kleinbrauereien kann nur durch alternative Geschäftszweige und tiefen Investitionsbedarf erfolgen.» Was nützt ein teures Sudhaus, wenn es nur einmal in der Woche laufe, fragt er. Die Anlage sollte ständig in Betrieb sein, um sie finanziell amortisieren zu können. Dies geschehe bei Mikrobrauereien häufig nicht.

Erfolgszwang wegen Krediten

Ins gleiche Horn stösst Ruedi Blattmann aus Unterägeri: Das Wachstum einer Mikrobrauerei müsse organisch erfolgen, möglichst ohne Aufnahme von Fremdgeldern. «Kleinbrauer, die einen Kredit bedienen müssen, sind praktisch dazu verdammt, den Ausstoss stetig zu steigern.»

Ein alternativer Geschäftszweig kann die Herstellung von Abfüllanlagen sein, wie es Ruedi Blattmann verfolgt. Oder aber die Produktion von anderen Getränken und Lebensmitteln, wie es etwa Abi & Abi in Cham tut.

Gesucht: Lokal für Zuger Tap-Bar

Die Lieblingsalternative der Kleinbrauer ist aber eine andere: Nämlich sich selber in der Gastronomie zu versuchen. Die Macher des Chomer Biers betreiben dazu schon den Kiosk in der Badi Hirsgarten in Cham; Freddy Niklaus ist Wirt im Hünenberger Restaurant Zoll-Huus. Dort will er im Mai auch einen brauereieigenen Biergarten eröffnen, der neben den Einhorn-Bieren auch andere nationale und internationale Biere ausschenkt.

Von etwas Ähnlichem träumen die Brauer von Bachweg Brewing in Edlibach ebenfalls. «Ich war kürzlich in Kalifornien», sagt einer der Brauer. «Und die Tap-Houses dort sind immer voll.» Solches möchten die Menzinger Brauer, die zur Hälfte aus Schweizern, zur anderen Hälfte aus Expats bestehen, auch in der Umgebung von Zug realisieren: Ein In-Lokal mit einer Vielzahl Zapfsäulen, über die ausschliesslich Craft-Bier ausgeschenkt wird. 

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