Wer hier bauern will, muss reich sein

Zuger Bauer, verheiratet, sucht …

Brigitta und Martin Birchler mit ihren Kindern. Sie geniessen das Landleben in einer gemieteten Wohnung neben dem Bauernhof Fürschwand am Gubel (im Hintergrund).

(Bild: mbe.)

Die Zuger Landwirtschaft steuert auf ein Problem zu. Viele Kinder von Bauern wollen den elterlichen Hof nicht weiterführen. Dabei gäbe es durchaus Interessenten. Familie Birchler aus Menzingen sucht seit fünf Jahren einen Hof. Doch die Sache ist verzwackt. Es geht um Geld, Familienbande und eigenartige Gesetze.

Das Ehepaar Birchler ist begeistert vom Bauernberuf und im besten Alter: Der in Neuheim aufgewachsene Martin Birchler ist 30 geworden, seine Frau Brigitta Birchler ist 32 Jahre jung. Nur: Der Hof fehlt. Dabei haben sie schon alles versucht.

Immer Absagen erhalten

Birchlers haben schon alles Menschenmögliche unternommen, um einen Hof pachten oder kaufen zu können. «Wir haben Inserate geschaltet, auf Chiffre-Inserate von Landwirten geantwortet, Mundpropaganda betrieben», erzählt Martin Birchler. Sie suchen im Kanton Zug und in der ganzen Schweiz; im Aargau, Solothurn, Bern, im Berner Jura und Graubünden durften sie je einmal einen Hof besichtigen. Im Kanton Zug hatten sie noch nie das Glück.

Anzahl Bauernhöfe seit 1975 halbiert

Der Kanton Zug zählte Ende 2015 noch 573 Landwirtschaftsbetriebe. Fünf bis zehn Bauern geben jährlich ihren Hof auf. Zum Vergleich: 1996 gab es noch 709 Bauernhöfe, 1975 waren es sogar 910. 2015 waren 73,3 Prozent der Bauernhöfe hauptberufliche Betriebe. 1750 Personen arbeiten in der Zuger Landwirtschaft, und die landwirtschaftliche Nutzfläche beträg 10’631 Quadratmeter. Quelle: Bundesamt für Statistik.

 

Schlussendlich scheiterte es meist an der Geldfrage. Ein Bauernhof koste 1,5 bis 2,5 Millionen Franken, ohne Inventar, erklärt Birchler. Zentral sei der Zustand der Gebäude und nicht die Landfläche. Wer einen Hof pachte, müsse meist das Inventar übernehmen, und je nach Zustand der Maschinen mit Kosten von 500’000 bis 800’000 Franken rechnen. «Mancher Besitzer hat uns gleich gesagt, wir müssten so und so viel Kapital bringen, sonst sollten wir gar nicht zur Besichtigung kommen.» Und wenn sie eingeladen wurden, waren sie nicht die einzigen. «Manchmal hatte es 20 bis 30 oder mehr Interessenten.» Dann kam immer eine Absage.

Kleinbauern-Vereinigung warnt

Mit ihrer Suche ist die Familie Birchler nicht alleine. Seit 1980 hat sich die Anzahl Bauernhöfe in der Schweiz halbiert. Die Kleinbauern-Vereinigung hat vor einigen Tagen auf das Problem aufmerksam gemacht. Als Chance, diesen Trend zumindest teilweise zu stoppen, sieht die Vereinigung die ausserfamiliäre Hofübergabe. Dies sei allerdings mit Hindernissen verbunden, räumt die Vereinigung ein. Doch vielen Bauern fällt es sehr schwer, ihr Lebenswerk in fremde Hände zu geben.

Die Kleinbauern-Vereinigung hat eine neue Anlaufstelle gegründet, die zwischen externen Interessenten und Bauern und Bäuerinnen, die vor der Pensionierung stehen, vermitteln soll. Das Ehepaar Birchler hat sich bei dieser Stelle angemeldet und hofft, damit endlich zum Ziel zu kommen.

Landwirtschaftliche Ausbildungen gemacht

Denn sie hätten gute Voraussetzungen: Beide Eheleute haben die Landwirtschaftliche Schule besucht, er hat die Ausbildung zum Landwirt mit dem eidgenössischen Fachausweis abgeschlossen. Als Erstausbildung lernte er Zimmermann. «Als ich auf dem Hof im Jura war, hatte ich den Lehrvertrag schon in der Tasche, sonst hätte ich zuerst Landwirt gelernt.» Heute arbeitet Martin Birchler als Buschauffeur bei den Zugerland Verkehrsbetrieben, während sie sich um die kleinen Kinder kümmert. Damian ist zwei Jahre alt, Mitte Juli kam Jonas zur Welt.

Martin Birchler sagt zu seiner Motivation: «Ich finde den Beruf sehr vielseitig. Man ist viel in der Natur und hat mit Tieren zu tun. Ausserdem ist man sein eigener Chef.» Vor zwölf Jahren arbeitete er ein Jahr lang auf einem Hof im Jura. Seither hat ihn die Idee nicht mehr losgelassen, einmal einen eigenen Betrieb zu führen. Brigitta Birchler ist selber auf einem kleinen Hof in Hütten aufgewachsen. «Den Betrieb führt mein älterer Bruder weiter», erklärt sie. Deshalb suchen sie schon lange einen Hof zur Pacht oder zum Kauf. «Am liebsten einen Hof mit Milchwirtschaft und Aufzucht.»

«Wir hätten am liebsten einen Hof mit Milchwirtschaft und Aufzucht.»
Martin und Brigitta Birchler

Direktverkauf spricht Konsumenten an

An Ideen fehlt es den Wunsch-Bauersleuten jedenfalls nicht. Brigitta Birchler: «Je nach Lage des Betriebs könnten wir uns Direktverkauf von Milch- und Fleischprodukten gut vorstellen.» Die Leute wollen wissen, woher die landwirtschaftlichen Produkte kommen, fügt er hinzu. Für das alles bräuchte es aber einen Bauernhof.

Das Landleben zumindest kann die Familie geniessen; sie wohnt zur Miete in einem rustikalen Mehrfamilienhaus neben dem Bauernhof Fürschwand in Menzingen. Für das Gespräch besuchten wir sie auf dem Gubel. Birchlers haben vor zwei Wochen ihr zweites Kind bekommen, in einem Raum steht eine schöne Holzwiege.In einer Vitrine beim Eingang der Wohnung hängen viele Medaillen: Martin Birchler war 2010 und 2011 Schweizermeister im Armbrustschiessen, 10 Meter kniend.

Vor zwei Wochen kam der zweite Sohn zur Welt. Damian, Martin, Brigitta und Jonas Birchler in der Kinderstube.

Vor zwei Wochen kam der zweite Sohn zur Welt. Damian, Martin, Brigitta und Jonas Birchler in der Kinderstube.

(Bild: mbe.)

Teurer Kanton Zug

Für den Präsidenten des Zuger Bauernverbands, Franz-Toni Imfeld, ist der Verkauf eines Hofs an Externe denkbar, aber die Ausnahme. Das Problem sei der Preis des Landes im Kanton Zug. «Zug ist eine der teuersten Regionen der Schweiz», sagt Imfeld. Der Verkehrswert eines Hofs mit zirka 20 Hektaren Land betrage hier zwei bis drei Millionen Franken. «In Bergregionen sind es vielleicht 1,5 Millionen Franken.» Das sei nie und nimmer aus Erträgen der Landwirtschaft amortisierbar.

Dazu komme ein emotionales Problem: «Der Bauer hat jahrelang auf seinem Hof gearbeitet und vielleicht eine gewisse Hemmung, an Externe zu verkaufen. Er weiss ja nicht, wie diese seinen Hof weiterführen.» Deshalb verpachteteten sie lieber an Nachbarn. Oder verkaufen stückweise das Land. «Grosse Betriebe müssen laut Gesetz in der Landwirtschaft bleiben. Bei Kleinbetrieben mit einer kritischen Grösse von acht bis zehn Hektaren ist das nicht der Fall. Parzellen auf dem Land sind sehr begehrt.»

«Im Kanton Zug kann ein Hof bis zu drei Millionen Franken kosten.»
Franz-Toni Imfeld, Präsident Zuger Bauernverband

Bauernpräsident: Problem könnte grösser werden

Das bäuerliche Bodenrecht erschwert ausserdem Externen den Landkauf: Zahlen die Familienmitglieder nur den so genannten «Ertragswert» für den Hof, müssen Externe den «Verkehrswert» bezahlen. «Dieser kann ein Zehnfaches des Ertragswerts betragen», sagt der Zuger Bauernpräsident. Er kenne einen Fall aus dem Kanton Zug, wo ein Hof mit Ertragswert von 150’000 Franken für 1,5 Millionen Franken verkauft worden sei. Imfeld: «Wenn Sie keinen reichen Onkel in den USA haben oder Bauland verkaufen können, ist das praktisch unmöglich.»

Trotzdem ist auch Franz-Toni Imfeld der Meinung, dass das Problem der Hofübergabe in Zukunft grösser werden könnte. «Das durchschnittliche Alter der Betriebsleiter liegt um die 50 Jahre», sagt er.

Zuger Amtsleiter hält nichts von Idee

Roger Bisig, Leiter des Landwirtschaftsamts des Kantons Zug, sieht die Sache anders. «Die Aussage der Kleinbauern-Vereinigung ist ziemlich verschroben», sagt er auf Anfrage. Die Kleinbauern verlangten, dass man die Landwirte zwinge, ihre Betriebe günstig zu verkaufen. Das macht man auch bei einem anderen Familienbetrieb nicht, zum Beispiel bei einem Malergeschäft, das übergeben werden soll.»

«Die Aussage der Kleinbauern ist ziemlich verschroben.»
Roger Bisig, Leiter Zuger Landwirtschaftsamt

Ein Bauernbetrieb sei kapitalintensiv. Man müsse halt das Geld haben, sonst seien die Chancen klein, einen Hof zu bekommen, fügt Bisig hinzu. Sollte man vielleicht das Bundesgesetz ändern? Bisig ist gar nicht begeistert, als wir ihm diese Frage am Telefon stellen. Er findet, man müsste den Landwirten ohne Besitz eher helfen, ans nötige Kapital zu kommen.

Bisig ist weniger pessimistisch, was das Bauernsterben in Zug betrifft. Der Leiter des Landwirtschaftsamts beobachtet einen neuen Trend, den es vor zehn Jahren noch nicht gab. «Es gibt manche verpachtete Betriebe, bei denen die übernächste Generation der Besitzerfamilie den Betrieb übernimmt und ihn wieder aufleben lässt.» Doch diese hätten natürlich den Vorteil, das Land schon zu besitzen.

Das idyllisch gelegene Wohnhaus beim Gubel, wo Birchlers Mieter sind und das Landleben geniessen.

Das idyllisch gelegene Wohnhaus beim Gubel, wo Birchlers Mieter sind und das Landleben geniessen.

(Bild: mbe.)

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