Kantonsrat verschärft Schulgesetz

Zug will Pädophilen an den Kragen

Kinder vor Missbrauch schützen: Zug will die Schlupflöcher in seinem Schulgesetz gegen pädosexuell veranlagte Lehrpersonen stopfen.

(Bild: Symbolbild Fotolia)

Die Parlamentarier waren sich im Grundsatz einig: Zug verschärft nach dem Ja des Volkes zur Pädophileninitiative als einer der ersten Kantone der Schweiz sein Schulgesetz. Bewerber für einen Lehrerposten werden künftig gründlich durchleuchtet und müssen mehrere Strafregisterauszüge vorweisen.

Angeregt hat die Gesetzesänderungen SVP-Kantonsrat Thomas Werner, der selber bei der Zürcher Polizei im Kinderschutzbereich tätig ist. Seine Motion überwies der Kantonsrat 2014 an den Regierungsrat. Werner verlangte, dass Stellenbewerber für einen Lehrerposten künftig einen aktuellen Strafregisterauszug vorlegen müssen. Wer einen Eintrag wegen eines Sexualdelikts gegen Kinder, Kinderpornografie oder sogar ein Berufsverbot hat, darf nicht mehr beschäftigt werden.

Der Kantonsrat debattierte lange über die vom Regierungsrat vorgeschlagene Änderungen im Schulgesetz. Laut Martin Pfister (CVP), Präsident der vorberatenden Bildungskommission, will man den Gemeinden und ihren Schulbehörden ein «griffiges Instrument» zur Verfügung stellen. Die Schulbehörden könnten bereits heute von Stellenbewerbern einen Strafregisterauszug verlangen, bisher fehlte jedoch die rechtliche Grundlage. Diese Lücke solle geschlossen werden.

Am 1. Januar Spezialprivatauszug eingeführt

Eine nötige Begriffserklärung dazu: Der Begriff Strafregisterauszug ist veraltet. Am 1. Januar 2015 wurde auf Bundesebene nach der Pädophileninitiative der sogenannnte Sonderprivatauszug (SPA) eingeführt. Er erfasst im Unterschied zum «Privatauszug» nur Taten mit pädosexuellem Hintergrund. Darin sind Tätigkeitsverbote, Kontakt- oder Rayonverbote aufgrund von Strafurteilen vermerkt.

Die Konsequenzen des Gesetzes

Gemäss Bildungsdirektor Stephan Schleiss wäre Zug der erste Kanton, der so detaillierte Auskünfte von Stellenbewerbern im Schulbereich verlangt. Lehrpersonen haben danach einen aktuellen Sonderprivatauszug (und gemäss Kantonsratsbeschluss einen Privatauszug) vorzulegen. Dies ist zwingend, ansonsten kann der Arbeitgeber die Person nicht anstellen. Gemäss Schleiss müssten nicht alle Bewerber flächendeckend die Auszüge vorlegen, sondern nur diejenigen, welche in die Endauswahl kommen. Doch auch bereits angestellte Lehrer sind gewarnt: Eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines pädosexuellen Delikts hat automatisch die fristlose Kündigung zur Folge. Aufgrund des bisherigen Gesetzes bestand keine Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber.

Gemäss Pfister waren die Kommission wie auch der Regierungsrat mehrheitlich der Meinung, dass der SPA genügt. Der Regierungsrat wie auch die Kommissionsmehrheit wollen die Verhältnismässigkeit und den Persönlichkeitsschutz wahren. Die Gefahr sei gross, dass das Bundesgericht das Zuger Gesetz sonst kassiere. Die Schulbehörden könnten den Privatauszug bereits heute verlangen, wenn sie wollten, das müsse man nichts ins Gesetz schreiben.

Die SVP und auch die FDP verlangten zusätzlich zum SPA auch einen Privatauszug vom Bewerber, der alle rechtskräftigen Verurteilungen einer Person erfasst – inklusive Verkehrsdelikte oder «Jugendsünden». Wir gewichten den Schutz der Schulkinder höher als die gesetzlichen Bedenken und wollen auch den Privatauszug», fand FDP-Sprecher Peter Letter.

Im Grundsatz einig, aber Hickhack über den Weg

In der Eintretensdebatte waren sich alle im Grundsatz einig, dass die Zuger Schulen keine Lehrpersonen mit pädosexuellen Neigungen anstellen oder beschäftigen dürfen und Kinder besser geschützt werden müssten.

«Die gleichen Leute, die jetzt eine Verschärfung bei den Lehrern fordern, wollen Aufklärung und Sexualkunde aus dem Unterricht verbannen.»

Zari Dzaferi, SP-Sprecher

Für die Alternative-die Grünen genügt der vom Regierungsrat verlangte SPA. SP-Sprecher Zari Dzaferi erklärte, die Sozialdemokraten unterstützten den Regierungsratsantrag. Die Anpassung des Schulgesetzes sei jedoch nur ein Schritt zum Schutz vor sexuellen Übergriffen. Es brauche mehr Aufklärung der Kinder an den Schulen. «Die gleichen Leute, die jetzt eine Verschärfung bei den Lehrern fordern, wollen Aufklärung und Sexualkunde aus dem Unterricht verbannen.»
Dzaferi, selbst Sekundarlehrer, bezeichnete die Debatte als wahlkampftaugliches «Showthema». Zumal alle im Saal für einmal völlig einer Meinung seien und Kinder vor Pädophilen schützen wollten. Nur den Weg sehe man anders. SVP-Motionär Thomas Werner konterte: «Dass du das hier als Showthema bezeichnest, widert mich an. Ich habe in den 15 Jahren meines Berufs Sachen gesehen, die du dir nicht vorstellen kannst.» Der SP-Kantonsrat entschuldigte sich daraufhin, dass er allenfalls negative Gefühle bei Werner erzeuge.

Schweizer Stellenbewerber benachteiligt?

SVP-Kantonsrat Jürg Messmer brachte das Thema der ausländischen Stellenbewerber aufs Tapet. Nur die Schweiz und Liechtenstein würden den Sonderprivatauszug kennen. Andere Länder nicht. «Das ist deshalb eine Ungleichbehandlung der Schweizer Lehrer.»
Der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss widersprach seinem Parteikollegen und kehrte die Sache um. Der Schweizer Bewerber habe im Gegenteil einen Vorteil, wenn er gemäss SPA «sauber» sei, während man sich beim ausländischen Bewerber nicht sicher sei. Der Vorschlag des Regierungsrats wahre die Verhältnismässigkeit und bewege sich in den gesetzlichen Grundlagen, sagte Schleiss. Der am 1. Januar eingeführte SPA sei den Lehrpersonen «auf den Leib geschneidert». Für bereits angestellte Lehrer, die sich etwas zuschulden kommen lassen und rechtskräftig verurteilt wurden, habe das neue Gesetz die fristlose Kündigung zur Folge (siehe auch Box).

«Leichte Fälle» nicht ersichtlich

In der Detailberatung brachte Thomas Werner (SVP) noch einige Argumente aus seiner Berufspraxis als Online-Fahnder ein, die über die Parteipolitik hinausgingen. Die Vorlage des Regierungsrats verankere im Schulgesetz einzig, was auf Bundesebene die neue Regel sei. Sie gehe nicht weit genug, fand er. Der Sonderprivatauszug beziehe sich nur auf ausgesprochene Berufsverbote, diese seien aber ganz selten. Gemäss Werner wurden verschiedenste sexuelle Handlungen von den Gerichten in der Vergangenheit als «leichte Fälle» beurteilt. Wenn ein Lehrer einer Schülerin in den Schritt greift, ihr über die Kleider über die Brüste streicht oder ihr einen Zungenkuss gibt, werde das von Gerichten als «leichter Fall» gesehen. Werner: «Das ist in der Praxis so und wird sich auch nicht ändern.» Zug soll deshalb mit gutem Beispiel im Kinderschutz vorangehen – und nicht nur darüber reden.

«Man muss ihnen nicht alles im Gesetz vorschreiben.»

Martin Pfister, Kommissionspräsident

Fataler Automatismus

Kommissionspräsident Martin Pfister gab zu bedenken, dass man einen Automatismus schaffe, der eine Anstellung womöglich verunmögliche wegen eines geringen Delikts. Pfister nannte als Beispiel die einvernehmliche Jugendliebe zwischen zwei Minderjährigen.
Auch wehrte sich Pfister dagegegen, die Schulbehörden als «blöd» hinzustellen. «Man muss ihnen nicht alles vorschreiben im Gesetz.» Wichtig sei, dass die Behörden künftig aufmerksam seien.
Esther Haas (ALG) gab zu bedenken, dass es auch Schweizer gebe, die im Ausland verurteilt wurden, beispielsweise in Thailand. Diese Delikte tauchten im Auszug gar nicht auf. Sie sprach sich für eine optimierte Fassung des Gesetzes aus.

Abstimmungen sehr schwierig

Die Abstimmung über den von der SVP beantragten Einleitungssatz zum Gesetz, nach dem die Schule einer Lehrperson künden muss, wenn diese im Privatauszug einen Eintrag hat, erfolgte mit 37 zu 37 Stimmen. Das Zünglein an der Waage spielte Kantonsrats-Vizepräsident Thomas Lötscher (FDP): «Ich bedanke mich herzlich für diesen fulminanten Einstieg. Ich fälle den Stichentscheid und entscheide mich für ein Ja.»

Damit hat der Kantonsrat in der bereinigten Fassung des Gesetzes den Einleitungssatz der SVP in Bezug auf den Privatauszug mit 38 zu 37 Stimmen angenommen. In einer weiteren Abstimmung sprach sich der Rat mit 42 Ja- zu 32 Nein-Stimmen für die bereinigte Fassung mit dem Zusatz zum Privatauszug aus – und gegen den Vorschlag des Regierungsrats. Zudem stimmten die Parlamentarier einer Zusatzklausel zu, wonach ausländische Stellenbewerber für Lehrerposten einen «gleichwertigen» Auszug aus ihrem Land vorlegen müssen.

Das Gesetz ist damit noch nicht unter Dach und Fach: Es wird eine zweite Lesung zum Gesetz geben.

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