Zukunftsforscher Mischa Stähli

«Zug ist fortschrittlich. Luzern hat grosses Zukunftspotenzial»

Lacht und freut sich auf eine bunte Zukunft: Mischa Stähli. (Bild: zvg)

Sind Zug und Luzern nur beschauliche Innerschweizer Städtchen? Oder doch vielmehr schweizweit Pioniere? Zukunftsforscher Mischa Stähli gibt einen Einblick, wie unsere Region dereinst funktionieren könnte. Und der «Matrix»-Fan erklärt, warum wir die Zukunft positiv angehen sollten.

zentralplus: Mischa Stähli, Sie halten regelmässig Referate darüber, wie die Zukunft aussehen könnte. Was geben Sie den jungen Menschen mit auf den Weg?

Mischa Stähli: Die Zukunft ist nicht etwas, das einfach kommt. Vielmehr wird sie von uns jeden Tag in der Gegenwart gestaltet. 

zentralplus: Was ist wegweisend für die junge Generation in unserer Region, in den Kantonen Luzern und Zug?

Stähli: Keine Angst vor der Zukunft zu haben, die Lust und den Willen zu haben, sich jederzeit weiterzuentwickeln, innovativ und kreativ zu bleiben. Gerade Zug ist technisch sehr fortschrittlich, Luzern als eine der beliebtesten Tourismusdestinationen ist ebenfalls in einem Markt mit grossem Zukunftspotenzial tätig.

zentralplus: Gegen solche modernen Tendenzen laufen auch viele Sturm. Doch eine Mehrheit findet wohl, dass wir uns nicht beklagen können: gute Medizin, kriegsverschont, keine extreme Armut, hoher Lebensstandard. Befinden wir uns tatsächlich im kleinen Paradies?

Stähli: Absolut. Die Schweiz ist ein Paradies! Hier haben wir viel Wasser, Frieden, hohe Sicherheit, super funktionierende Infrastruktur, Unternehmen mit hoher Innovationskraft und ein sehr gutes Umfeld für Unternehmen. Kurz: Die Schweiz macht sehr vieles sehr richtig.  

«Luzern ist als eine der beliebtesten Tourismusdestinationen in einem Markt mit grossem Zukunftspotenzial.»

zentralplus: Sie halten am Freitag in Luzern einen Vortrag vor Studierenden und werden die hiesige Mobilität unter die Lupe nehmen. Was fällt da auf?

Stähli: Wir werden uns in einem kleinen Workshop Gedanken über die Schweiz im Jahre 2050 machen. Dabei spielt die Mobilität natürlich eine zentrale Rolle. Ich bin sehr gespannt, was für Ideen und Visionen die Studierenden einbringen werden. 

Am Freitag in Luzern zu erleben: Zukunftsforscher Mischa Stähli. (Bild: zvg)

zentralplus: Vergleicht man mit Zürich, dann ist Luzern eher autofeindlich. Der richtige Weg?

Stähli: Ich glaube, dass sich der Verkehr in den nächsten Jahrzehnten extrem verändern wird. Mobilitätsdienstleistungen werden in den Vordergrund rücken, ein eigenes Auto zu besitzen, wird immer irrelevanter. Dies sieht man gut bei der jüngeren Generation: Die Quote der Jungen, welche den Führerschein machen, sinkt seit längerem. Selbst Auto zu fahren, wird unattraktiv. Lieber ein Fahrzeug über die App bestellen, von A nach B gelangen, aussteigen, und nicht 30 Minuten rumfahren, bis man einen Parkplatz gefunden hat. 

zentralplus: Das Auto steht uns also im Wege?

Stähli: Genau. Die Städte gewinnen an Attraktivität, wenn nicht die ganze Innenstadt zugeparkt ist und es je länger je weniger Autos auf den Strassen gibt. Dies ermöglicht ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten für die Stadtgestaltung. Dennoch müssen auch für das Gewerbe in der Stadt und für die Shops gute und attraktive Lösungen gefunden werden, um den Kunden weiterhin ein tolles Einkaufserlebnis zu bieten. 

zentralplus: Zug ist ein moderner Vorzeigekanton in der Schweiz. Was sind die Stärken für die Zukunft?

Stähli: Zug als kleiner und innovativer Kanton macht vieles richtig. Er setzt meines Erachtens auf die relevanten Zukunftsthemen wie Crypto- und Blockchain-Technologie. Hier sind wir erst am Anfang der Entwicklungen. Mit der rasant wachsenden Vernetzung von Gegenständen …

zentralplus: … wie im Internet der Dinge: Alles kommuniziert miteinander …

Stähli: … braucht es schnelle und sichere Zahlungs- und Kommunikationswege. Und diese werden mit ziemlicher Sicherheit Blockchain-basiert sein. Eine weitere Stärke ist sicher die Lage Zugs: 20 Minuten nach Zürich und 30 zum Flughafen. Sowie das sehr unternehmerfreundliche Umfeld. Plus: Zug ist mit dem See und den Bergen auch einfach traumhaft schön. 

zentralplus: Wie könnte sich Zug anders noch besser für die Zukunft aufstellen?

Stähli: Es ist wichtig, dass Zug nicht einfach nur zum Wohnort von Expats und zum Sitz von Konzernen wird, sondern für viele Menschen attraktiv ist. Ebenfalls sollte das Kleingewerbe, welches viel für das Ortsbild und die Wahrnehmung der Stadt macht, gestärkt und in zukünftige Entwicklungen miteinbezogen werden. Überdies ist es wichtig, auch interessante Angebote und ein spannendes Umfeld für die junge Generation zu haben, denn sonst werden die Jungen in die grossen Städte ziehen.

«In Zug fühlt man sich in der Natur und auf dem Land und ist trotzdem nah zu allem.»

zentralplus: Weshalb zieht es so viele überdurchschnittlich ausgebildete Ausländer in den finanzstarken Kanton?

Stähli: Die attraktiven Steuerbedingungen, die sichere politische Lage, die Nähe zu Zürich und zum Flughafen, die Nähe auch zum Tessin und Italien. Für Expats aus grossen Städten sind die Distanzen von Zug nach Zürich ein Katzensprung. Man fühlt sich in der Natur und auf dem Land und ist trotzdem nah zu allem. Ausserdem gibt es sehr interessante Arbeitsplätze in Zug. 

zentralplus: Welche Innovationen sind für Städte-Organisationen in Zukunft vor allem wichtig, damit sie à jour bleiben?

Stähli: Die Gemeinschaft und die Bevölkerung in Entwicklungen einzubinden und sie am Erfolg teilhaben zu lassen. Und gute technische Infrastruktur: Gerade Reisende aus Asien und auch die junge Generation wollen schnelles Internet überall, nahtlose Mobilität, attraktive Freizeitangebote, ein innovatives Gewerbe, Verweilmöglichkeiten und Grünflächen, Zugang zu allem – aber möglichst ohne eigenes Auto. Auch gilt es, gutes Standortmarketing zu betreiben und so innovative Unternehmen mit attraktiven Arbeitsplätzen anzuziehen. Dann kommen auch innovative und junge Leute, welche wiederum die Stadt lebendig machen. Nicht zuletzt ein gutes und für alle erschwingliches Kulturangebot und Möglichkeit für alle Bewohner, am Leben der Stadt teilhaben zu können. 

«Den Tante-Emma-Lädeli prognostiziere ich eine gute Zukunft, wenn sie innovativ sind.» 

zentralplus: Stichwort Automatisierung und Roboter: Da scheint in Zug noch nicht so viel zu laufen. Eher im luzernischen Willisau: Hier mischt Roland Brack mit 300 Robotern und 200 Angestellten den Schweizer Onlinehandel auf. Zukunftsmusik?

Stähli: Nein, Gegenwartsmusik. Brack ist ein tolles Beispiel für ein zukunftsgerichtetes, modernes Unternehmen, welches mit innovativen Technologien ein spannender und regionaler Arbeitgeber ist. Automatisierung und Robotik sind eine riesige Chance für die Industrie in der Schweiz und Europa, wieder vermehrt vor Ort zu produzieren und somit Arbeitsplätze zu schaffen. Und den Tante-Emma-Lädeli prognostiziere ich eine gute Zukunft, wenn sie innovativ sind. 

zentralplus: Welche anderen Megatrends werden in unserer Region wichtig sein?

Stähli: Sämtliche Megatrends wirken fast immer und fast überall. Vernetzung, Sicherheit, Natur, Gesundheit, Mobilität, Robotik und künstliche Intelligenz sind meines Erachtens sehr wichtig. 

zentralplus: Welche künstliche Intelligenz (KI) nutzen Sie?

Stähli: Die, die wir alle nutzen und um die wir nicht mehr herumkommen. Google, Facebook, recommended systems etc. KI ist schon an sehr vielen Orten.

Ein Roboter soll Mischa Stähli nicht nur Kaffee bringen, sondern ihn auch kreativ und geistig unterstützen. (Bild: zvg)

zentralplus: Von welchem freundlichen Helfer der KI-Generation träumen Sie?

Stähli: Von einem wirklich intelligenten, selbst denkenden KI-Assistenten, der mir nicht nur Kaffee bringt, sondern mich auch kreativ und geistig unterstützt.

zentralplus: Wann gibt es denn einen solchen?

Stähli: Hoffentlich schon sehr bald, Googles Sprachassistent ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. 

zentralplus: Welche Zukunftsromane und -filme beeindrucken Sie? Welche davon sind authentische Utopien oder Dystopien?

Stähli: Leider gibt es sehr wenige positive Zukunftsutopien. Wir sehen die Zukunft eher dystopisch, also zum Schlechten sich wendend. Zum einen, weil sich Dystopien besser verkaufen, zum anderen, weil es durchaus gewisse Tendenzen und somit auch Ängste in diese Richtung gibt. Das ist jedoch gefährlich, denn das menschliche Gehirn speichert diese Bilder und Zukunftsvisionen und wir steuern unbewusst darauf zu. Der Zukunftsfilm schlechthin ist für mich immer noch «Matrix». Als sehr realistisch erachte ich die «Tribute von Panem»-Reihe und «Cloud Atlas». Sehr schön und positiv ist zum Beispiel der Film «Tomorrow», der voll ist mit optimistischen Lösungen.

zentralplus: Sind Sie ein Zukunftsoptimist?

Stähli: Ja, ganz klar. Ich glaube daran, dass unsere Gedanken und Bilder die Zukunft kreieren. Ich bin ein grosser Verfechter positiver Zukunftsbilder. 

zentralplus: Wovor haben Sie denn Angst?

Stähli: Dass wir zu viel Angst haben und in einem Angstbewusstsein leben. Angst ist ein grosser Hemmer und der Feind des Glücks. Aus Angst lässt sich keine positive, für Mensch, Tier und Natur wundervolle Zukunft gestalten. 

Zukunftsforscher Mischa Stähli (34) beschäftigt sich bereits seit Jahren mit künstlicher Intelligenz und deren Chancen, Gefahren und Möglichkeiten. Nebenbei unterrichtet er über Themen der Zukunft am Bildungszentrum Luzern (BZLU), ist Partner bei ai Zurich und als Futures Thinker bei der Rivella-Gruppe tätig. Er lebt in Zürich.

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