Grosse Nachfrage seit Corona

Zug: Hier helfen sich Opfer von Narzissmus selbst

Mit den Selbsthilfegruppen soll den Betroffenen gezeigt werden, dass sie in ihrer Situation nicht alleine sind. (Bild: Priscilla Du Preez / Unsplash)

In Zug gibt es ab Oktober eine neue Selbsthilfegruppe für Frauen, die «Opfer von Narzissten» geworden sind. Gemäss Gründerin Chris Oeuvray steigt die Nachfrage nach solchen Angeboten rasant – auch wenn das Thema nur zögerlich die notwendige Beachtung erhalte.

Die eigene Mutter hält das Kind bewusst klein und bevormundet es bis ins hohe Alter. Der Ehepartner zweifelt mit gezielten Äusserungen die Selbstwahrnehmung an. Der Chef lässt seine Launen ungefiltert an Mitarbeitern aus und erniedrigt sie unaufhörlich.

Narzissmus kann verschiedenste Formen annehmen. Diese Situationen ähneln sich jedoch darin, dass diese narzisstischen Personen in ihrem Umfeld Leid verursachen. Doch das Problem zu erkennen fällt den Opfern oftmals schwer – und noch schwerer ist es, sich dem Sog der narzisstischen Person zu entziehen.

Aus diesem Grund hat die Zugerin Chris Oeuvray im August gemeinsam mit Martina Müller den Verein «Opfer von Narzissten» gegründet (zentralplus berichtete). Der Verein organisiert ab Oktober jeweils am Dienstag eine Selbsthilfegruppe, wo sich Opfer von Narzissten miteinander austauschen können. Damit bestehen in Zug nun drei solche Formate. Denn auch die Beratungsstelle Triangel in Zug organisiert jeweils am Montag und am Mittwoch eine Selbsthilfegruppe für Opfer von narzisstischen Personen.

Drei Selbsthilfegruppen an drei verschiedenen Tagen – braucht es dieses grosse Angebot? «Ja», ist Chris Oeuvray überzeugt. «Weil immer mehr Aufklärung zu Narzissmus stattfindet, werden sich auch immer mehr Opfer ihrer Situation bewusst. Doch viele wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, schämen sich vielleicht sogar dafür», führt Oeuvray aus, die selbst schon in einer Beziehung mit einem Narzissten war.

Die beiden Copräsidentinnen des Vereins «Opfer von Narzissmus» Martina Müller und Chris Oeuvray. (Bild: co-narzissmus.com)

Das Ziel der Gruppe ist darum der gemeinsame Erfahrungsaustausch. Mit den Selbsthilfegruppen soll den Betroffenen gezeigt werden, dass sie in ihrer Situation nicht alleine sind und sie sich nicht schämen müssen. «Die Gruppen sollen eine Solidarität unter den Betroffenen erzeugen. Es geht darum, dass sie sich gegenseitig unterstützen können.»

Zerstörung des Selbstwertgefühls

Diese Solidarität sei sehr wichtig für Opfer, die unter der Beziehung zu einer narzisstischen Personen leiden. «Ein Narzisst destabilisiert sein Opfer systematisch. Er isoliert es aus seinem Umfeld, es kommt zu ständigen direkten und indirekten Beleidigungen. Dadurch wird das Selbstwertgefühl der Person systematisch zerstört, bis sie sich schwach fühlt und völlig vom Narzissten abhängig ist», erklärt Chris Oeuvray.

Es sei es extrem schwierig, aus diesem Abhängigkeitsverhältnis herauszukommen, führt die Zugerin weiter aus und zieht den Vergleich zu einem Drogenentzug. «Eine Beziehung zu einem Narzissten ist wie eine Droge. Man tut alles für diese Person. Wenn man sich dann loslöst, muss man durch einen richtigen Entzug.»

Diese Phase des Entzugs sei sehr schmerzhaft und Rückfälle sind darum – wie bei Drogen – häufig. Darum müssen die betroffenen Personen während dieser Zeit begleitet werden. Sei es bloss durch eine Person, die zuhört und Trost spendet. Dies ist der Zweck der Selbsthilfegruppe.

Angebot nur für Frauen

Einziges Ausschlusskriterium in der Zuger Selbsthilfegruppe ist das Geschlecht. Denn das Angebot richtet sich nur an Frauen. Damit wollen Oeuvray und Müller keinesfalls suggerieren, dass nur Frauen Opfer einer narzisstischen Person werden können. Dieser Fall komme aber häufiger vor. «Zudem fühlen sich die betroffenen Frauen sicherer, wenn sie sich innerhalb einer reinen Frauengruppe austauschen können», ergänzt Oeuvray.

«Männer sind zwar statistisch weniger häufig Opfer von Narzissmus. Allerdings ist die Dunkelziffer hoch, weil sich Männer schämen, sich an jemanden zu wenden.»

Chris Oeuvray, Copräsidentin «Opfer von Narzissten»

Es sei aber extrem wichtig, dass auch männliche Opfer von Narzissmus eine Anlaufstelle hätten. Denn auch solche Fälle gäbe es zahlreiche. «Männer sind zwar statistisch gesehen weniger häufig Opfer von Narzissmus. Allerdings ist die Dunkelziffer hoch, weil sich Männer noch stärker schämen als Frauen, sich mit ihrem Leiden an jemanden zu wenden.» Oeuvray ist in der Schweiz bisher kein Ort bekannt, wo sich Männer untereinander über diese Situation austauschen können.

Starke Nachfrage nach Austausch

Dass die Selbsthilfegruppe nun im Oktober lanciert wird, ist kein Zufall. Denn vor rund einem Jahr hat Chris Oeuvray einen fiktiven Thriller geschrieben, der beschreibt, wie es sich anfühlen kann, Opfer eines Narzissten zu sein.

Seither hat die Zugerin zahlreiche Rückmeldungen von Personen erhalten, die sich in der beschriebenen Situation wiedererkannten und nach einem Ort fragten, an dem sie sich über ihre Erfahrungen austauschen konnten. «Unter den Anfragen stammten auch zahlreiche von Personen, die ich nicht kannte und die auch nicht in Zug leben. Das zeigte mir, wie weit das Problem tatsächlich verbreitet ist.»

Zudem hatte auch die Corona-Pandemie einen Einfluss darauf, dass die Nachfrage nach einem Austausch unter Opfern von Narzissten in den letzten Monaten stark gestiegen ist. Durch den Lockdown sei es nicht mehr möglich gewesen, der Situation in der Freizeit oder auf Reisen auszuweichen, wie Oeuvray sagt. «Aufgrund der Pandemie musste man sich mit dieser toxischen Beziehung auseinandersetzen. Dadurch wurde vielen erst bewusst, dass sie auch davon betroffen sind.»

Physische Treffen sind nun wieder möglich

Weil aber aufgrund der Corona-Massnahmen ein Treffen in grösseren Gruppen nicht angezeigt war, organisierte Chris Oeuvray zuerst eine Online-Selbsthilfegruppe. Nun mit der langsamen Normalisierung der Corona-Situation empfiehlt sich auch ein regelmässiges, physisches Treffen der Selbsthilfegruppe.

Zusätzlich zur Selbsthilfegruppe biete der Verein «Opfer von Narzissten» regelmässige Fachreferate zum Thema an. Daran können auch Männer teilnehmen. Das erste Fachreferat findet am 27. September um 19 Uhr in der B&B Sports Bar in Zug statt.

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