2000 Watt Gesellschaft Zug

Zug heizt bald ganze Stadtteile mit Seewasser

Marcel Hähni führt uns über die Halbinsel Chiemen und zeigt uns den Zentralschweizer Urwald. (Bild: zvg)

Weg mit den Ölheizungen, weg mit den Abgasen und den Kaminen: Zug steigt um auf Seewasser. Und heizt damit ganze Wirtschaftsareale. Zumindest ist das so geplant. Kosten 240 Millionen Franken. Wer zahlt? Die Wasserwerke Zug.

«Grüezi mitenand und willkommen in der Zukunft», sagt Stadtrat Andreas Bossard, er sitzt im obersten Stock des «Haus Zentrum», mit Blick auf die Stadt, und verkündet eine kleine Revolution: Die Stadt Zug will zusammen mit dem Kanton und der Wasserwerke Zug AG (WWZ) die Hälfte der Stadt mit Seewasser und Grundwasser heizen und kühlen. Und damit pro Einwohner 1000 Watt pro Jahr sparen. «Und wir geben damit der Stadt eine verbesserte Lebensqualität», sagt Bossard: «Die Kamine verschwinden, die Klimaanlagen auf den Dächern, die Luft wird sauberer, der Lärm leiser. Damit geht auch eine Wertsteigerung einher.»

 Und der Quantensprung geht so

Damit das klappt, brauchts Unternehmergeist: «Die Stadt braucht einen Quantensprung», sagt Bossard, «denn es stammen immer noch 90 Prozent unseres Energieverbrauchs aus fernen Ländern.» Und der Quantensprung geht so: Die Wasserwerke Zug (WWZ) ziehen in zwei Leitungen Wasser aus dem See in Richtung Norden, das zwischen sieben und 16 Grad warm ist, über Wärmetauscher kann damit auf Raumtemperatur geheizt werden. Oder gekühlt. Und zudem liefert die Anlage auch Energie in Form von Strom, wenn gewünscht: Anergie, nennt sich das System. «Und zwar zu einem Preis, der den heutigen Energiepreisen entspricht», sagt der Stadtökologe Walter Fassbind. Damit das klappt, haben sich Stadt, Kanton und WWZ zu einem Energieverbund zusammengeschlossen.

 WWZ zahlt

Das System ist allerdings nicht gratis: 240 Millionen sollen über die Jahrzehnte investiert werden. «Das ist ein Generationenprojekt», sagt Bauchef der Stadt Zug, André Wicki. Das Geld kommt aber nicht von Stadt oder Kanton. Stattdessen übernehmen die WWZ das volle Risiko. «Wir sind froh, dass wir in dieser Sache einen solventen Partner gefunden haben», sagt Wicki und fragt zur Sicherheit noch mal nach: «Stimmt doch, oder nicht?» «Stimmt», sagt Andreas Widmer, der CEO der WWZ, und betont, die WWZ hätte schon Erfahrung in der Realisation solcher Projekte. Bis 2018 soll die erste Wärme aus dem See abgegeben werden können.  

 «Wir haben das zusammen aufgegleist»

Wie können aber Stadt und Kanton Partner sein, wenn die WWZ alles bezahlt? «Wir haben das zusammen aufgegleist», sagt Andreas Bossard, «im Rahmen des Volksauftrags zur 2000–Watt Gesellschaft. Mit diesem System kommen wir der Vorgabe schon einiges näher.» «Und wir geben die nötige Konzession dafür», sagt Regierungsrat und Baudirektor Heinz Tännler. «Ohne die Unterstützung durch Stadt und Kanton wäre das Projekt nicht möglich», weiss Widmer.

 «Wärme, Kälte und Energie aus lokaler, erneuerbarer Quelle»

Der Plan: Die WWZ bauen die Leitungen und erschliessen die Gebäude im Perimeter, wenn deren Besitzer das wünschen. Das System basiert auf Freiwilligkeit. «Wir übernehmen die Installationskosten für die Infrastruktur in den Gebäuden», sagt CEO Widmer, «und verrechnen einfach eine Anschlussgebühr. Und ab dann kann man Wärme, Kälte und Energie aus erneuerbarer und lokaler Quelle beziehen, zu einem Marktpreis.»

Zwingen müsse man niemanden zum Beitritt, da ist sich auch Fassbind sicher: «mit einem Anschluss kann man zu Marktpreisen lokale, erneuerbare Energie beziehen. Das wird vielen einleuchten, dass das sehr sinnvoll ist.» Mitmachen können alle Hausbesitzer im Perimeter, der Wärmetauscher braucht nicht mehr Platz als eine herkömmliche Heizung.

Diese Gebiete sollen schrittweise erschlossen werden. Die erste Wärme aus dem Zugersee will die WWZ bis 2018 abgeben können.

Diese Gebiete sollen schrittweise erschlossen werden. Die erste Wärme aus dem Zugersee will die WWZ bis 2018 abgeben können.

(Bild: zvg)

 «Auch aus Eigennutz interessant»

Geplant ist das neue System in den Zonen der Stadt, in denen viele Geschäftsgebäude stehen, vom Verwaltungszentrum des Kantons an der Abachstrasse bis zum Siemensareal und darüber hinaus ins Gebiet Neufeld. «Für uns ist das Projekt nicht nur politisch interessant, sondern auch aus Eigennutz», sagt Baudirektor Heinz Tännler: «Wir verpflichten uns mit unseren Gebäuden freiwillig zu einer Abnahme von Seewärme, das ist für uns von grossem Interesse.»

Clevere Idee

So weit so gut, Heizungen mit Seewasser gibt es schon, auch in der Stadt Zug. Neu ist aber die schiere Fläche, die der zu gründende Energieverbund auf diese Weise in mehreren Etappen mit Energie versorgen will. Und andererseits das damit gekoppelte «Smart Grid»: Eine clevere Idee, mit der die WWZ eine Nische im Strommarkt finden. «Das Smart Grid muss man sich als Netz vorstellen, das einerseits dafür sorgt, dass immer da Energie verbaucht wird, wo es gerade welche braucht, und andererseits dafür, dass immer dann Strom gekauft und verbraucht wird, wenn er günstig ist.»

Das System profitiere von der Energiewende und davon, dass der Strommarkt durch die erneuerbaren Energien instabiler geworden ist, sagt Fassbind: «Die neuen Energieformen sind vom Wetter abhängig und von anderen Faktoren. Das bedeutet, es gibt kein Gleichgewicht mehr zwischen Angebot und Nachfrage. Und wo es einen Nachfrageüberschuss gibt, da kann unser Smart Grid profitieren.»

«Die Stadt Zug ist schon Energiestadt, und zwar mit Gold-Label. Und wird jetzt ein weiteres Mal Pionier», sagt Bossard. «Und die WWZ war schon immer Pionierin. Die Aktien werden steigen, das mal so als Insidertipp.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hagenbuch Heinrich
    Hagenbuch Heinrich, 18.07.2019, 15:43 Uhr

    Mit Interesse habe ich die Publikationen über das Seewasserheizwerk der Stadt Zug gelesen. Erstaunt haben mich allerdings die Zahlen, die publiziert wurden. Gemäss Pressemitteilungen wird mit Seewasser von 5°C das Wasser des Sekundärkreislaufs auf 70°C aufgeheizt. Weil auf beiden Seiten der Wärmepumpe ein Wärmetauscher erforderlich ist, muss die Wärmepumpe eine Temperaturdifferenz von mindestens 70°C schaffen. Nach den Gesetzen der Thermodynamik und weil der Wärmepumpengütegrad kaum höher als 0.5 ist, dürfte die Leistungszahl der Wärmepumpenanlage kaum höher als 2.5 sein. Dazu kommen noch die Verluste der Pumpen für die Förderung des kalten und des warmen Wassers. Das bedeutet, dass in der vom Heizwerk gelieferten Wärme 40 – 50% elektrische Energie steckt. Diese elektrische Energie wird im Winter mit grosser Wahrscheinlichkeit von einem deutschen Kohlekraftwerk (mit einem Wirkungsgrad von vielleicht 30%) erzeugt. Bei diesen Überlegungen kommt dazu, dass die Verbraucher das die Temperatur von 70°C zum Heizen nicht verwenden können und mit Mischventilen auf 30 – 50°C vermindern müssen. Der zusätzliche Energiebedarf für das Aufheizen auf 70° (anstatt nur auf die vom Verbraucher benötigte Temperatur) wird beim Verbraucher wieder vernichtet.

    Deshalb wundere ich mich sehr, weshalb dieses Projekt sinnvoll sein soll. Vielleicht können Sie mir helfen.

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