Deshalb hatte der Stadttunnel keine Chance

Zu teuer – selbst bei Autofahrern

Die Kosten gaben den Ausschlag gegen das Zuger «Jahrhundertprojekt» (Bild: Archiv zentral+)

Keiner wollte ihn: Eine Umfrage bei rund 1’000 wahlberechtigten Zugern über die Ablehnungsgründe des Stadttunnels zeigt, dass das Bauprojekt schlichtweg zu teuer war. Überraschend dabei ist das Abstimmungsverhalten bei den Automobilisten und ÖV-Nutzern.

Dass die Meinungsbildung nicht einfach war, zeigt der Umstand, dass mehr als 60 Prozent der Gegner im Bauprojekt Vorteile für den Fuss- und Veloverkehr erkannten. Auch war mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung, dass das Projekt die Stadt vom Verkehr entlastet hätte. Die Kosten von 890 Millionen Franken waren aber schlichtweg zu hoch und gaben bei 54 Prozent der Nein-Stimmenden letztlich den Ausschlag für die Ablehnung. Mehr als zwei Drittel der Befragten waren ausserdem der Meinung, dass das Projekt nicht zum aktuellen Sparprogramm der Regierung passe.

Abgelehnt wurde das Projekt von allen Bevölkerungsschichten, Mobilitätsteilnehmern und Altersgruppen, wie die Nachbefragung bei 1’001 Stimmberechtigten zeigt.

 

 

Werweissen über verpasste Chancen

So wurden die hohen Kosten des Projektes sowohl bei Stadtzugern als auch bei der Bevölkerung anderer Gemeinden und sowohl bei Linken wie auch bei Bürgerlichen als Hauptkritikpunkt angegeben. Als wichtig beim persönlichen Entscheidungsprozess wurde zudem angegeben, dass das Projekt nicht zum gegenwärtigen Sparprogramm passe und ausserdem nur eine geringe Verkehrsentlastung mit sich bringe.

Auffallend ist bei den Auswertungen, dass sich alle Bevölkerungsgruppen durchs Band mehrheitlich gegen den Stadttunnel ausgesprochen hatten, unabhängig von Altersgruppe, Mobilitätsverhalten und Parteiaffinität. Unabhängig auch davon, wie oft sie in der Stadt Zug unterwegs sind.

«Wenn ich das Projekt früher hätte durchführen können, wäre das Resultat womöglich ein ganz anderes gewesen.»

Heinz Tännler, Zuger Baudirektor

Dass der Tunnel bei allen Bevölkerungsgruppen abgeschmettert wurde, könnte als Zeichen gewertet werden, dass der Tunnel am Volk vorbeigeplant war. Dem widerspricht der Zuger Baudirektor Heinz Tännler jedoch vehement: «Nein, das Projekt war gut und keine Fehlplanung. Das wurde uns immer wieder aus der Bevölkerung mitgeteilt.»

Vielmehr habe es laut Tännler am Timing gelegen. Die «Verdunklung des Finanzhimmels» habe die Ausgangslage schwierig gemacht: «Wenn ich das Projekt früher hätte durchführen können, zum Beispiel 2009, als eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer noch gar kein Thema war, wäre das Resultat womöglich ein ganz anderes gewesen.»

Klare Ablehnung im Juni

Die Stimmberechtigten des Kantons Zug haben den Bau des Stadttunnels Zug am 14. Juni 2015 mit einem Anteil von 62,8 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. An der Abstimmung hatten 61,3 Prozent der wahlberechtigten Zuger teilgenommen.

Befürworter in der Hoffnung auf Entlastung

Als positivstes Argument für einen Tunnel stand bei den Befürwortern insbesondere die Verkehrsentlastung. Weit dahinter erst wurde die Aufwertung der Stadt als Entscheidungsgrund genannt. Als weit weniger relevant wurde hingegen die Stärkung der Stadt Zug mittels Tunnel als Wirtschaftsmotor des Kantons genannt.

Wenig überraschend waren jedoch auch bei den Befürwortern die hohen Kosten der Hauptkritikpunkt.

Nein auch bei Bürgerlichen

Am stärksten zeigen sich die Unterschiede des Abstimmungsverhalten bei der Parteienaffinität: Personen, die nach eigenen Angaben einer bürgerlichen Partei nahestehen, haben die Vorlage mit 54 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Demgegenüber sprachen sich 74 Prozent der Personen mit einer links-grünen Einstellung gegen die Vorlage aus.

Das Nein zum Stadttunnel bedeutet jedoch nicht, dass der heutige Zustand als gut betrachtet wird: Nur 19 Prozent der Befragten sind der Meinung, es solle sich nichts ändern. Die grosse Mehrheit findet, es brauche eine alternative Lösung. Am meisten Zustimmung erhielten dabei die Erarbeitung von alternativen Umfahrungslösungen sowie punktuelle Verbesserungen im bestehenden Strassensystem.

«Wenn es eine Strasse sein soll, dann sehe ich nur die Tunnellösung.»

Heinz Tännler, Zuger Baudirektor

Alternative Umfahrungen? Klingt zwar gut, aber ist denn das realistisch? «Diesbezüglich haben wir noch überhaupt keine Lösung», tönt es einstimmig von Seiten des Kantons. «Wenn es eine Strasse sein soll, dann sehe ich nur die Tunnellösung.»

Häufig genannt als alternative Möglichkeiten wurden zudem stärkere Investitionen in den ÖV und in den Fuss- und Veloverkehr anstelle von Investitionen in neue Strassen.

Massnahmen gegen Autofahrer unbeliebt

Keine Alternativen stellen für die Befragten offenbar weitere Einschränkungen oder Mehrbelastungen der Automobilisten dar. Road Pricing – also die Einführung einer Strassennutzungsgebühr für Autofahrer – sowie eine Reduktion der Anzahl Parkplätze in der Stadt Zug schnitten ganz schlecht ab.

Methodik

Die Nachbefragung wurde im Auftrag der Baudirektion des Kantons Zug durch die Demoscope AG (Adligenswil) durchgeführt. Im Zeitraum vom 30. Juli bis 10. August 2015 wurden 1’001 wahlberechtigte Personen aus dem Kanton Zug telefonisch befragt. Die Messgenauigkeit beträgt +/- 3.1 Prozent.

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