Amt statt Kultur im geschichtsträchtigen Bau?

Zieht doch das Verwaltungsgericht ins Theilerhaus?

Im Theilerhaus an der Hofstrasse 13 in Zug zieht ab 2024 das Verwaltungsgericht ein.

(Bild: zVg/ Wikipedia CC)

Das Zuger Theilerhaus sollte eigentlich ein Ort der Kultur und der Geschichte werden. Die entsprechenden Konzepte sind bereits detailliert ausgearbeitet und liegen bereit für die Umsetzung. Nun jedoch könnte es sein, dass der Vision eines grosssen Kulturorts der Garaus gemacht wird.

«Die Kulturwerkstatt kommt!», hiess es 2011 euphorisch. Das Zuger Theilerhaus sollte eine Plattform für Kultur werden, wo es Freiräume für Kunst, Experimente, Ausstellungen, Performances, kleinere Konzerte gibt. Die damalige Zuger Kulturbeauftragte hatte viel Herzblut ins Konzept gesteckt. Das historische Zuger Haus, dass in den Achtzigern just vor der Abrissbirne gerettet worden war, sollte ein starkes, pulsierendes kulturfreudiges Herz erhalten. Und der Regierungsrat sagte dazu Ja.

Konkret: Ja zum Feinkonzept bezüglich der bereits lange geplanten, kulturellen Nutzung des Theilerhauses. Ein kultureller Treffpunkt sollte entstehen für die Zuger Bevölkerung, aber auch für die Quartierbevölkerung und die Schulen in der Umgebung. Eine kleine Beiz ist laut diesem Konzept geplant, zudem Ateliers und eine Plattform, auf welcher die Zuger Industrie- und Technikgeschichte erzählt wird (zentralplus berichtete). Letztere ist keine zufällige Nutzung. Das Theilerhaus gilt als Geburtsort der Landis & Gyr.

Das Theilerhaus nach der ersten Aufstockung, rechts die Shedhallen, um 1914. (Firmenarchiv Landis & Gyr)

Das Theilerhaus nach der ersten Aufstockung, rechts die Shedhallen, um 1914. (Firmenarchiv Landis & Gyr)

Ein Legislaturziel – schon seit zwei Amtszeiten

Lange wird die Konzeptionierung des Hauses nun bereits in der Politik herumgeschleppt. Es ist nun die zweite Amtszeit, in der die «Realisierung des Kulturbetriebs im Theilerhaus» von der Zuger Regierung als Legislaturziel definiert wurde. – Nun scheint sich der Wind jedoch gedreht zu haben. Plötzlich ist die Rede – noch hinter vorgehaltener Hand, aber dennoch deutlich vernehmbar – davon, dass doch anstelle der Kultur das Verwaltungsgericht Einzug halten solle im Theilerhaus. Dies wurde zentralplus von mehreren Quellen bestätigt.

«Die Konzepte sind derzeit in der Schublade. Nicht etwa, weil sie schlecht wären, sondern weil in den letzten Jahren die Finanzsituation des Kantons in Schieflage geraten ist.»

Stephan Schleiss, Zuger Kulturdirektor

Wir fragen in der kantonalen Exekutive nach. Der Zuger Kulturdirektor Stephan Schleiss beteuert, im Moment nichts zu diesem Geschäft sagen zu können. Die Konzepte zum Theilerhaus seien derzeit in der Schublade. «Nicht etwa, weil sie schlecht wären, sondern weil in den letzten Jahren die Finanzsituation des Kantons in Schieflage geraten ist», so Schleiss.

Bald kommt ein Aussprachepapier in den Regierungsrat

Bald werde im Regierungsrat ein Aussprachepapier behandelt, welches auch das Gebiet Hofstrasse und damit das Theilerhaus betreffe. Dazu, ob diesbezüglich auch über einen Einzug des Zuger Verwaltungsgerichts im historischen Haus debattiert werde, äussert sich der Kulturdirektor nicht.

Und er verweist weiter an die Baudirektion, wo das Geschäft bearbeitet werde. Dort jedoch verweist man ebenfalls auf die kommende Sitzung, «an der verschiedene Szenarien diskutiert und geprüft werden».

«Gastronomie, Industriekultur, Kunstproduktion und Veranstaltungen sollen den seit 30 Jahren leer stehenden Zeugen der Zuger Industriegeschichte wachküssen.»

Aldo Caviezel, Zuger Kulturbeauftragter

Und der Zuger Kulturbeauftragte? Auch Aldo Caviezel möchte den baldigen Entscheid des Regierungsrates abwarten und sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht konkret äussern zum Theilerhaus. Er sagt einzig: «Wir im Amt für Kultur wären auf jeden Fall bereit für die Umsetzung des attraktiven Nutzungskonzeptes. Dieses sowie eine vertiefte Machbarkeitsstudie der Sanierung liegen seit Herbst 2015 ausgearbeitet in der Schublade, wir müssten diese nur noch hervorziehen.» Und Caviezel ergänzt: «Gastronomie, Industriekultur, Kunstproduktion und Veranstaltungen sollen den seit 30 Jahren leer stehenden Zeugen der Zuger Industriegeschichte wachküssen.»

 «Wenn das Verwaltungsgericht ins Theilerhaus einzieht, wird man der Geschichte dieses Gebäudes in keiner Weise gerecht. Zudem wäre das ein grosser Fehlschlag für die Kulturszene.»

Prisca Passigatti, ehemalige Zuger Kulturbeauftragte

Der ehemaligen Zuger Kulturbeauftragten, die 2009 vom Regierungsrat mit dem Kulturkonzept beauftragt worden war, ist bereits zu Ohren gekommen, dass die Zukunft des Theilerhauses vielleicht doch nicht kultureller Natur sein wird. Prisca Passigatti erklärt: «Die Regierung war sich damals bewusst, dass es sich beim Theilerhaus um ein wichtiges Gebäude handelt und dieses als Geburtsstätte der Landis & Gyr eine grosse Bedeutung hat für den Kanton Zug.» Entsprechend viel Arbeit haben Passigatti und ihr Team ins Dossier gesteckt.

Ihre Worte bezüglich eines möglichen Kurswechsels der Regierung sind klar: «Wenn das Verwaltungsgericht ins Theilerhaus einzieht, wird man der Geschichte dieses Gebäudes in keiner Weise gerecht. Zudem wäre das ein grosser Fehlschlag für die Kulturszene.» 

Dies nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass seit den 80er-Jahren, in denen das Haus vor dem Abriss gerettet wurde, laut Passigatti immer klar gewesen sei, dass dem Gebäude eine kulturelle Nutzung zukommen sollte.

Die Politik macht bereits mobil

Auch die Kantonsrätin Susanne Giger, die damals bei der Ausgestaltung des Konzepts als Kulturvertreterin mit an Bord war, hat erst gerade von einem möglichen Einzug des Verwaltungsgerichts ins Theilerhaus gehört. «Falls das tatsächlich stimmt, ist das ein sehr mutloser Entscheid der Regierung», sagt die Parteilose, die der Fraktion Alternative – die Grünen angehört. «Denn im Gegensatz zum Kulturkonzept muss diese Option wohl nicht in den Kantonsrat.» Die Regierung habe wohl Angst von einer Abfuhr.

«Mit dem Einzug des Verwaltungsgerichts wären viele Leute vor den Kopf gestossen.»

Susanne Giger, parteilose Kantonsrätin

Giger kritisiert, dass der Regierungsrat damit den Weg des geringsten Widerstands gehen würde, wohl gerade wegen der aktuellen Sparwut. Das Konzept habe die Regierung jedoch noch vor den Finanzschwierigkeiten bewusst immer wieder hinausgezögert. Sie ist überzeugt: «Generationen von Zugern haben gehofft, dass eine kulturelle Nutzung ins Theilerhaus einzieht. Mit dem Einzug des Verwaltungsgerichts wären viele Leute vor den Kopf gestossen.» Und Giger kündigt gleich an, dass man sich wohl auf politischem Weg wehren werde, sollten sich die entsprechenden Vermutungen bewahrheiten.

Der Verein Industriepfad Lorze hatte das Warten satt

Andere im ausgearbeiteten Konzept berücksichtigte Parteien haben sich indes bereits von der Hoffnung auf ein kulturelles Haus verabschiedet. So etwa der Verein Industriepfad Lorze, der im Theilerhaus Ausstellungsräumlichkeiten erhalten hätte. «Aufgrund des jahrelangen Wartens auf eine Lösung haben wir uns für eine andere Lösung entschieden, damit wir unsere Exponate so bald wie möglich zeigen können», erklärt der Präsident Ulrich Straub. Und auch er hat kritische Worte übrig für die Regierung: «Als einziger Ansprechpartner für Industriegeschichte haben wir uns vom Kanton nicht ernst genommen gefühlt.»

Das Theilerhaus nach einer weiteren Aufstockung und mit einem neuen Haupteingang in der Mitte, um 1918. (Firmenarchiv Landis & Gyr).

Das Theilerhaus nach einer weiteren Aufstockung und mit einem neuen Haupteingang in der Mitte, um 1918. (Firmenarchiv Landis & Gyr).

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