Album-Premiere im Luzerner Südpol

Zeitlos in der Cloud: Jeans for Jesus sind zurück

Jeans for Jesus auf der Südpol-Bühne. (Bild: jwy)

Über eine Woche lang durften Jeans for Jesus im Südpol residieren und ihre neue Platte zur Bühnenreife bringen. So kam Luzern in den Genuss des ersten Konzerts seit Langem. Die vier Berner demonstrierten: An ihnen misst sich momentan der Schweizer Pop.

Ein weisses Halbrund umrahmt die Bühne. Und auch sonst viel Weiss: das E-Drum, die Gitarre, das Mik-Kabel, das Hemd, ja selbst die metallenen Getränke-Flaschen. Jeans for Jesus 2020: Das ist ein durchgestyltes Ganzes und ein reduziertes Equipment.

Über zwei Jahre war es still um die vier Berner und sie spielten keine Konzerte. Umso schöner, dass das Bühnen-Comeback im Luzerner Südpol noch vor der offiziellen (ebenfalls schon ausverkauften) Plattentaufe im März in Bern stattfand.

10 Tage lang haben Jeans for Jesus im Südpol-Club am neuen Bühnenprogramm gefeilt. Das Kulturhaus bietet Bands regelmässig solche Residenzen samt Künstlerwohnung. Sie hätten sich als von Universal gecastete Band nun erstmals ausserhalb der Cloud kennengelernt, witzelte Sänger Mike Egger.

Dank der Südpol-Residenz kam Luzern nun also zur Schweizer Premiere: Das neue dritte Album mit dem kryptischen Titel «19xx_2xxx_» erscheint am 24. Januar. Das Konzert im schon lange ausverkauften Südpol-Club war das Pre-Listening im kleinen Kreise. Dementsprechend viele Gäste und befreundete Musiker sind aus Bern und anderen Ecken angereist.

Viel Weiss, klinisches Licht: Jeans for Jesus treiben ihren ausgeklügelten Elektro-Pop weiter. (Bild: jwy)

Aufgeräumte Wucht

Die aufgeräumte Bühne mit E-Drum, Synthies, Sample-Geräten, Gitarre und zwei Miks hat nicht mehr viel vom Material-Durcheinander früherer Shows zu tun. Die beiden Sänger Mike Egger und Demian Jakob postierten sich je hinter einem Mikrofon-Ständer, an den Seiten Philippe Gertsch an den Synthesizern und Marcel Kägi am Beat.

Ihr Mundart-Sound hat sich weiterentwickelt – ausgeklügelter, findiger, heutiger. Das Amalgam aus verträumten Gesangsparts, verspielten Elektro-Sounds, harten Beats und Musik-Bruchstücken aus allen Ecken hat nicht mehr viel gemein mit einem gängigen Popkonzert.

Der gut einstündige Auftritt bestand aus mehreren Sets, in denen die Songs fliessend ineinander übergingen. Jeans for Jesus hieven das Ganze mit einer beeindruckenden Perfektion und lockeren Spielfreude auf die Bühne.

Vereint unter der Regencloud: Die Berner Jeans for Jesus. (Bild: zvg/Matthias Guenter)

Hightech-Pop in Mundart

Jeans for Jesus hatten schon mit ihrem Debüt 2013 den Anspruch, den Schweizer Mundartpop neu zu erfinden. Mit «Estavayeah» landeten sie einen ersten Sommerhit. Das Konzert zeigte die Entwicklung: Im Vergleich mit heute fällt der Song eher ab.

Mit ihren bisher zwei Alben und ungezählten Konzerten brachten sie’s auf die grössten Schweizer Festival-Bühnen, lancierten ein Unisex-Parfum (passend zum letzten Album) und liessen die halbe Musikszene ihre Songs remixen.

Auf den 16 Songs auf dem neuen Album treiben sie Mundartpop-Avantgarde nun weiter auf die Spitze. Hightech-Pop wird das genannt – fast zu viel Hightech für die Bühne. Teils wünscht man sich den wilderen Charakter früherer Konzerte zurück, wenn es allzu klinisch und durchdacht zu werden drohte.

1900 was? 2000 wo?

Den Albumtitel «19xx_2xxx_» kann man als Konzept verstehen: Im Dezember veröffentlichten Jeans for Jesus als Amuse-Bouche den französischen Song «1900 quelquechose» zusammen mit Stephan Eicher. Darin: Lauter projizierte 90er-Reminiszenzen in Laserschrift (Nokia! MTV! Wu-Tang Clan!).

Die erste Single des Albums ist nun die berndeutsche Version mit dem Titel «2000&irgendwo». Der Song ist derselbe, das Video auch. «19hundert und so / 2tusig und irgendwo», singt die Stimme zu fiependen Sounds.

Lost in Cloud

Diesen Song bekam man am Schluss des Konzerts zu hören – und er mausert sich zu einer neuen Mundart-Hymne. «Mir chöi nid los / mir wei nid zrügg / i wot ad gränzä vom iz.»

Jeans for Jesus verführten die Zuhörer, sich in der zeitlosen Cloud der digitalen Gegenwart zu verlieren. Lost in Time mit der Generation, für welche die 90er und das Millenium (wenn überhaupt) eine ferne Kindheitserinnerung sind.

Ein anderer leichtfüssiger neuer Hit ist «babyboomersuperstar», der den weichen Berner Dialekt mit vertrackten Beats und verspielten Samples vermengt. Die perfekte Botschaft an die «OK Boomers»: «Safe si, soziau u frei si / Du hesch üs ds Internet gäh, wüus Atombombä git.»

Die vier Berner spielten ein starkes Bühnen-Comeback. Jeans for Jesus, die Band mit dem besten Namen seit der Geburt Christi, sind weiter das Ding, an dem sich der Schweizer Pop misst.

Geglücktes Konzert-Comeback der Berner Band Jeans for Jesus. (Bild: jwy)
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