Unverhofft aktuelles Drama

Zeichner aus Zug ist mit neuem Trickfilm auf Oscar-Kurs

Die beiden Regisseure Frederic Siegel (links) und Benjamin Morard bei der Arbeit an ihrem Kurzfilm. (Bild: zvg)

Zug goes Hollywood. Der Kurzfilm «The Lonely Orbit» steht in der engeren Auswahl für die diesjährige Oscar-Verleihung in Los Angeles. Wir haben mit dem Zuger Regisseur Frederic Siegel über die Entstehung des Films gesprochen.

«The Lonely Orbit» spielt in der nahen Zukunft und handelt von einem Satellitentechniker, der seine Einsamkeit zu bewältigen versucht, indem er durch Kurznachrichten in ständigem Kontakt mit seinen alten Freunden steht. Als er seine Aufgaben vernachlässigt, verlässt ein Satellit dessen Orbit, was zu einer Kettenreaktion und zum Kollaps des gesamten Funknetzes der Welt führt.

Die Geschichte rund um das Thema Einsamkeit und Distanz wirkt wie ein Produkt der Coronakrise. Doch die Story des Kurzfilms «The Lonely Orbit» wurde 2016 geschrieben – lange bevor Corona überhaupt ein Thema war.

Geschichten aus dem Leben

«Die Idee zum Film hatte ich 2015, noch während meines Animationsstudiums an der Hochschule Luzern», sagt der Zuger Frederic Siegel (29), der den Film zusammen mit dem Obwaldner Filmemacher Benjamin Morard (30) realisiert hat.

Das zentrale Thema des Films sei Isolation – ein Gefühl, das Siegel selber nach dem Studium sehr vertraut war. «Man studiert jahrelang mit denselben Leuten und plötzlich gehen alle getrennte Wege.» Später sei er oft nur noch virtuell mit seinen Studienfreunden verbunden gewesen. «Was bleibt, ist die digitale Kommunikation.»

Film als Metapher

Generell geht Siegel bei seinen Filmen von den eigenen Empfindungen aus – und von der Optik. «Ich habe meist ein Bild, bevor ich eine Geschichte habe.» Im Fall von «The Lonely Orbit» sei das ein Satellit gewesen. «Der Satellit ist für mich eine Metapher für den Menschen. Er ist mit allem verbunden und doch alleine.» Die eigentliche Story des Films hat Siegel dann zusammen mit seinem Co-Regisseur entwickelt.

Nachdem Siegel und Morard über zwei Jahre lang an der Geschichte gefeilt und Fördergelder beantragt hatten, startete die eigentliche Produktion. Rund zehn Monate lang haben die beiden Künstler mit einem Budget von über 100'000 Franken Vollzeit an dem Projekt gearbeitet – unter Mithilfe von weiteren Animatoren, einem Musiker, Sound Designer und Sprechern. Der Film entstand in Handarbeit. «Wir haben den Film von Hand auf Pads gezeichnet. Die Zeichnungen wurden dann direkt in den Computer übernommen.» Entstanden ist ein neun Minuten langer Film, der im Sommer 2019 am Neuchâtel International Fantastic Film Festival Premiere feierte.

Der kurze Making-Of-Clip gibt einen Einblick in die Entstehung des Films:

Aber wie kam es zur Teilnahme für den wohl begehrtesten Filmpreis der Welt? «Unser Film hat an einem der wenigen Oscar-relevanten Filmfestivals gewonnen und sich damit für die Teilnahme qualifiziert.» Siegel glaubt nicht, dass die Corona-Situation einen Einfluss auf den Erfolg des Films gehabt hat. «Aber sie zeigt, dass uns das Thema bewegt und begleitet.»

Kaum Chancen auf den Oscar?

«The Lonely Orbit» steht nun zusammen mit 94 anderen Filmen auf der Longlist. Anfangs Februar werden aus diesen Filmen zehn Werke für die Shortlist ausgewählt und davon wiederum fünf für die eigentliche Nomination. Welcher Film an den diesjährigen Oscars das Goldmännchen nach Hause bringt, wird sich am 25. April zeigen.

«Es war der erste Film, den ich ausserhalb der geschützten Umgebung der Ausbildung gemacht habe. Quasi der erste Film in der echten Welt.»

Frederic Siegel, Filmemacher

Grosse Chancen rechnet sich Siegel nicht aus. «Dafür haben wir zu wenig Lobby-Arbeit betrieben.» Erfreut ist er trotzdem, den Film nach mehreren Siegen an nationalen und internationalen Festivals auf Oscar-Kurs zu sehen. Besonders weil es eine ganze Weile dauerte, bis Siegel seinen Frieden mit dem Film gemacht hat.

Nach dem Film ist vor dem Film

«Es war der erste Film, den ich ausserhalb der geschützten Umgebung der Ausbildung gemacht habe. Quasi der erste Film in der echten Welt.» Dementsprechend waren andere Herangehensweisen gefragt. Siegel musste auch Abstriche machen. «Für die Zusammenarbeit mit den Förderstellen musste ich Kompromisse eingehen.» Als der Film dann fertig war, war Siegel nicht vollständig von seinem Werk überzeugt. Aber die Zeit – und die Festivalerfolge – gaben die nötige Bestätigung. «Heute bin ich zufrieden und stolz auf das, was wir geleistet haben.»

Oscar hin oder her, Frederic Siegel hat bereits das nächste Projekt am Start. «Ich habe Entwicklungsförderung bekommen und arbeite derzeit am Script und Storyboard», so der Filmemacher. Im Gegensatz zu «The Lonely Orbit» wird der neue Film ein Einzelprojekt. «Ich arbeite vorerst alleine», so Siegel, der heute in Zürich lebt und mit anderen Animationskünstlern die Filmschmiede «Team Tumult» leitet.

Den ganzen Film gibt's hier zu sehen:

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