Kantonsrat befindet über neues Abbaugebiet

«Wunden und Narben»: Diese Spuren hinterlässt der Kiesabbau im Kanton Zug

Kämpft an der Seite der Gemeinde Cham gegen eine weitere Kiesgrube: Felix Gysi, Präsident des Zuger Heimatschutzes. (Bild: bic)

Bei Cham-Niederwil soll eine weitere Kiesgrube geschaffen werden. Doch die Auswirkungen solcher Anlagen auf die Umwelt sind beträchtlich. Deshalb schaltet sich nun auch der Zuger Heimatschutz in die Debatte ein.

Wie viel Kies braucht der Kanton Zug für seine rege Bautätigkeit? Wie viel davon soll er auf eigenem Kantonsgebiet abbauen und welche Folgen hat das Ganze für die Umwelt und die Landschaft? Darüber wird im Kanton seit Jahren heftig diskutiert.

Insbesondere in Cham, in dessen Ortsteil Niederwil neben der bereits bestehenden Kiesgrube Ebnetwald weitere Anlagen mitten in der Natur geplant sind (zentralplus berichtete). Dafür müssten im Gebiet Hatwil/Hubletzen unter anderem nochmals ein kleiner Wald gerodet werden. Wo es heute Maisfelder gibt, soll in ein paar Jahren eine graue Kiesgrube liegen.

Gemeinde wehrt sich intensiv

Die Gemeinde wehrt sich mit Händen und Füssen gegen weitere Eingriffe in die Landschaft. So hat die Gemeindeversammlung dem Gemeinderat mit grosser Mehrheit den Auftrag erteilt, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln beim Kanton gegen die vorgesehene Grube einzusetzen.

Im Oktober soll sich nun das Parlament in Zug mit der Vorlage befassen. Konkret geht es um eine Anpassung beziehungsweise um die definitive Festsetzung des Abbauperimeters. Denn dieser musste aufgrund geologischer Gegebenheiten gegenüber dem ursprünglichen Richtplan umfassend angepasst werden. Abgebaut würde das Kies auch im neuen Perimeter von der Firma Risi.

«Im Juni 2003 wurde Niederwil sogar als Ortsbild des Monats ausgezeichnet.»

Drin Alaj, Gemeinderat Cham

Während der Richtplan vorsah, das Kies auf einer deutlich kleineren Fläche zu gewinnen, wurde das Areal in Richtung Osten bis zur Kantonsgrenze wesentlich erweitert. Denn die «Mächtigkeit des Vorstossschotters» lasse einen Abbauverzicht nicht zu, so die Begründung im entsprechenden Bericht. Neun bis zehn Millionen Kubikmeter Kies sollen demnach bis 2040 gefördert werden.

Heimatschutz schaltet sich ein

Sukkurs erhält die Gemeinde Cham jetzt vom Zuger Heimatschutz. Auch der Verband macht sich Sorgen bezüglich der Auswirkungen auf die Umwelt. Um auf die Problematik und die Auswirkungen des Kiesabbaus aufmerksam zu machen, hat die Organisation vor Kurzem eine Führung rund um Niederwil unter dem Motto «Wunden und Narben» organisiert. Rund 30 Personen haben daran teilgenommen.

Postkartenidylle im Zugerland: Der Heimatschutz sieht sie gefährdet.

«Wir stellen die Notwendigkeit der Gebietserweiterung zumindest infrage», gab sich Präsident Felix Gysi vor Ort zwar diplomatisch. Trotzdem müsse man diskutieren, ob es überhaupt neue Abbaugebiete braucht und ob wirklich jeder Kanton beim Kies selbstversorgend sein muss.

Beim Heimatschutz zeigt man sich über die Pläne insbesondere deshalb irritiert, weil der geplante Abbauperimeter in einem kommunalen und kantonalen Schutzgebiet liegt. Auch der Bund sieht in der Reussebene zwischen Niederwil und Knonau ein Naturdenkmal von nationaler Bedeutung.

Klicke auf die blauen Markierungen, um zu sehen, welche Spuren der Kiesabbau in der Landschaft hinterlässt.

«Die Einfuhr von Kies widerspricht auch dem Grundsatz aus der Region, für die Region

Reto Spiess, Amt für Raum und Verkehr Kanton Zug

In die gleiche Kerbe wie Gysi schlug folglich der Chamer Gemeinderat Drin Alaj: «Niederwil bei Cham gilt als eine Perle im Zugerland», ermahnte er die Anwesenden. Das Bundesamt für Kultur habe einst festgehalten, dass das Dorf sich fast wie ein Kalenderbild präsentiere. «Im Juni 2003 wurde Niederwil sogar als Ortsbild des Monats ausgezeichnet», so Alaj.

Kanton: «Der Import bringt Nachteile»

Auf die Kritik des Heimatschutzes und der Gemeinde hatte Reto Spiess, der beim Kanton Zug für die Planung des Kiesabbaus verantwortlich ist, eine klare Antwort: «Im Zuge der Diskussion über das Zuger Kieskonzept hat man sich 2008 auch mit dem Import auseinandergesetzt. Die letztlich klare Botschaft war aber, dass dies einige Nachteile mit sich bringen würde», sagte er unter den Augen seines Vorgesetzten, Regierungsrat Andreas Hostettler.

Spiess sprach die Umweltbelastung an, die durch den Transport mit der Bahn oder per Lastwagen einhergehen würde. «Es handelt sich um grosse Massen an Material, die über grosse Distanzen bewegt werden müssen.» Ausserdem würde so das Kies und folglich der damit hergestellte Beton verteuert, was sich im Kanton Zug letztlich in höheren Preisen beim Bauen niederschlagen würde.

Das geplante Abbaugebiet (rot). Vom Dorfrand Niederwil wären es rund 550 Meter bis zur Kiesgrube. Entlang der gelben Linie sind eine sieben Meter breite Zufahrtsstrasse für LKWs sowie ein Förderband vorgesehen.

«Die Einfuhr von Kies widerspricht auch dem Grundsatz aus der Region, für die Region», so Spiess weiter. Deshalb habe sich der Kantonsrat dezidiert für die Fortführung des Kiesabbaus innerhalb des Kantonsgebietes ausgesprochen.

Ein wesentlicher Punkt sei weiter, so Spiess, dass eine ausgebeutete Kiesgrube für das Auffüllen mit sauberem Aushubmaterial geeignet sei. «Stoppen wir den Kiesabbau im Kanton Zug, stehen wir folglich vor einem riesigen Aushubberg, der irgendwo abgelagert werden muss. Dafür müssten Deponiestandorte auf der grünen Wiese bestimmt und Erschliessungsstrassen gebaut werden.»

Reto Spiess betonte die Notwendigkeit des Kiesabbaus bei Niederwil.

Den Vorwurf einer Teilnehmerin der Führung, dass die Schaffung von Kiesgruben in erster Linie für das Entsorgen von Aushubmaterial diene, konnte Spiess nur bedingt entkräften. Er sprach von einer «interessanten Doppelnutzung». Bis sich die zugeschütteten, renaturierten und aufgeforsteten Flächen komplett erholt haben, dauere es aber mindestens 15 Jahre.

Ausserdem sei auch nicht gewährleistet, dass das Kies nicht in andere Regionen exportiert und ein somit ein Geschäft gemacht wird, wie eine andere Besucherin befürchtete. Auch werde der Kanton und somit die Bevölkerung finanziell kaum vom Abbau profitieren.

Nun ist es also am Kantonsrat, die (volks-)wirtschaftlichen und ökologischen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Eine Volksabstimmung ist nicht vorgesehen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M. Auersegler
    M. Auersegler, 10.09.2020, 11:46 Uhr

    Man kann natürlich auch jede Nutzung unseres Bodens in den Dreck ziehen. So ist allein schon die Aussage witzig bis irrwitzig, dass heute Maisfelder liegen wo in Zukunft eine graue Kiesgrube sein soll. JA, hoffentlich ist das so! Ein Maisfeld hat doch so gut wie keinen okölogischen Wert, wohingegen der Kiesabbau sehr viel Ruderalflächen, also potenzielle Lebensräume für selten Arten darstellt. Zb. die Uferschwalbe, Libellen oder Amphibien. In einem Maisfeld leben die mit Bestimmheit nicht – Pflanzenschutzmittel lassen grüssen.

    Und bezüglich Narben in der Landschaft…
    1. Meine ich gelesen zu haben, dass alles wieder aufgefüllt werden soll. Somit kann man ja getrost auch in ein paar Jahren den herrlichen Anblick auf und in das Maisfeld geniessen. In Zwischenzeit gibt es mit Sicherheit noch andere sehenswerte Getreidefelder. Vielleicht ist sogar ein Weizenfeld darunter. Dies wurde den Horizont allenfalls etwas erweitern – sozusagen als Kollateralerscheinung.

    2. Ein Leben ohne Narben… unvorstellbar oder? Da hätte man ja als Kind in Watte gepackt und im Zimmer eingesperrt gehört. Bloss dass keine Narbe entsteht. Mit dem Ergebnis das dies zum einen schlicht unnatürlich ist, das Kind verhaltensgestört wird und ganz schlimm, es wäre nichts passiert. Ja, es wäre nämlich nie auch nur irgendwas passiert. Es wäre nichts entstanden, es würde nichts erlebt, es würde einfach nur stinklangweilig sein. Die Schweiz ist kein Ballenberg.

    Herrgott nochmal. Der Rohstoff wird von uns allen konsumiert. Insofern ja, hat die Bevölkerung eben doch sehr viel davon… Sie können in Häusern leben und Arbeiten, auf Strassen oder Schienen fahren, Wasserkraft nutzen etc. Somit erhält die Bevölkerung, jedoch aber auch die Natur im Prinzip tausend mal mehr, als wenn eine Briefkastenfirma mehr sich bei uns niederlässt.

    Im Artikel zeigt sich einmal mehr der unschöne und selbstgefällige Zeitgeist, wonach wir einfach nur gerne konsumieren möchten und der Preis dann möglichst die etwas weniger reichen, die etwas weniger wichtigen und die etwas weniger kritischen Nachbarländer bezahlen sollen. Ein Hoch auf unseren Heimatschutz. Ein Hoch auf unsere Moralvorstellungen. Und ein Hoch auf den Nachbarn, der mir alle Sorgen abnehmen soll. 😉

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