Gebäude der Alfred Müller AG wird kernsaniert

Steinhausen: Bekannte Immobilienfirma wirft Mieter raus

Co-Präsident des Zuger Mieterverbands Urs Bertschi ist nicht einverstanden damit, wie gewisse Hausbesitzer mit ihren Mietern umgehen. (Bild: wia/zvg)

Die Alfred Müller AG will eines ihrer Gebäude in Steinhausen sanieren. Die zwei Dutzend Mieter müssen ihre Wohnungen definitiv verlassen. Der Liegenschaftsbesitzer findet, anders gehe es nicht. Der Mieterverband widerspricht.

«Seien Sie mir nicht böse, ich möchte anonym bleiben, weil ich Angst habe, in der Gemeinde keine Wohnung mehr zu bekommen.» Mit diesem Satz beginnt ein Schreiben, das zentralplus vor einiger Zeit erreichte. «Ich bin seit Geburt in Steinhausen zu Hause und nun verliere ich meine Wohnung nach mehr als 30 Jahren», heisst es weiter.

Das Gebäude an der Zugerstrasse 2 und 4 soll ab Juni kommenden Jahres kernsaniert werden. Alle Mieter müssten raus, erklärt die anonyme Person weiter. Dass die Häuser saniert werden müssten, sei zwar unbestritten. Die Gebäude stammen aus den 70er-Jahren. Bisher sei nie etwas saniert worden. «Aber, so radikal und gleich so viele Wohnungen auf einmal?»

«Der Wohnungsmarkt in Steinhausen ist absolut ausgetrocknet!»

Besorgte Person aus Steinhausen

Und weiter: «Der Wohnungsmarkt in Steinhausen ist absolut ausgetrocknet!» Leute, die jahrelang in der Gemeinde gewohnt hätten, sogar hier aufgewachsen seien, würden kein Daheim mehr finden.

Mietzinsreduktion bis zum Kündigungstermin

Die Alfred Müller AG, die Besitzerin der Liegenschaft, bestätigt auf Anfrage von zentralplus: Die Bewohnerinnen des besagten Hauses müssen ausziehen. Othmar Bertolosi, Medienverantwortlicher der Alfred Müller AG, erklärt: «Aufgrund der umfassenden Sanierungsmassnahmen auch im energetischen Bereich ist es nicht möglich, dass die Mieterinnen und Mieter in den Wohnungen bleiben.» Betroffen sind 23 private Mietparteien sowie ein gewerblicher Mieter.

Bertolosi sagt weiter: «Wir haben die Mieterinnen schon frühzeitig über die Sanierungsmassnahmen informiert und ihnen für die verbleibende Zeit eine Mietzinsreduktion angeboten.» Weiter seien sehr kurze Kündigungsfristen zu Gunsten der Mieter möglich, ebenso eine erleichterte Wohnungsübergabe. «Dieses Angebot hat der überwiegende Teil der Mieterinnen und Mieter angenommen», sagt der Mediensprecher.

«Wir sind mit den Mieterinnen und Mietern in Kontakt.»

Othmar Bertolosi, Medienverantwortlicher Alfred Müller AG

Um weitere Unterstützung sei die Alfred Müller AG bisher noch nicht konkret angefragt worden. «Wir sind aber mit den Mieterinnen und Mietern in Kontakt.» Auf die Frage, ob es Möglichkeiten gäbe, dass die gekündigten Mieter in andere Liegenschaften des Unternehmens ziehen können, erklärt Bertolosi: «Die Alfred Müller AG verfügt über ein grosses Immobilienportfolio. Das eröffnet unter Umständen Möglichkeiten für die Mieterinnen und Mieter. Wir werden das bei Leerständen in unserem Portfolio sicher berücksichtigen.»

An der Fassade des Hauses an der Zugerstrasse 2 zeigt sich, dass Sanierungsarbeiten nötig sind. (Bild: wia)

Wo kein Vormieter, da kein einschränkender Vormieterzins

Urs Bertschi, der Co-Präsident des Zuger Mieterverbands, hatte bis zur Anfrage von zentralplus keine Kenntnis über die Wohnungskündigungen in Steinhausen. Er erklärt: «Wenn ein Vermieter eine Liegenschaft leer kündigt, birgt dies für ihn nebst einem optimierbaren Bauablauf vor allem die Möglichkeit, die neuen Mietzinsen unabhängig vom früheren Mietzins ansetzen zu können und damit auch in die Höhe treiben zu können. Hier argumentieren die Vermieter dann mit der Orts- und Quartierüblichkeit. Dies habe sich unter anderem im Fall des Hochhauses an der St.-Johannes-Strasse in Zug gezeigt, «wo Neumietende faktisch einen doppelten Mietzins zu berappen haben»(zentralplus berichtete).

«Eine deutliche Mietzinserhöhung dürfte auch in Steinhausen das Ziel sein.»

Urs Bertschi, Co-Präsident Mieterinnenverband Zug

Bezüglich dem Bau in Steinhausen gibt Bertschi zu bedenken: «Eine deutliche Mietzinserhöhung dürfte auch hier das Ziel sein. Wer Steinhausen kennt, weiss, dass in der Nähe in den letzten Jahren einige Neubauten entstanden sind. Diese definieren letztlich eine höhere, weil auf Neubauten basierende Orts- und Quartierüblichkeit, nach denen sich die Mietpreise wohl richten dürften. Hier gilt es dann aber genau hinzuschauen», so Bertschi. Auf die Frage, um wie viel die Mietpreise an der Zugerstrasse steigen werden, hiess es bei der Alfred Müller AG: «Es sind keine Luxuswohnungen geplant.»

Bertschi plädiert für eine stärkere soziale Verantwortung

Bertschi ist überzeugt: «Grundeigentümer im Kanton Zug sollten angesichts des spärlichen Wohnraums anstelle ihres ausgeprägten Renditedenkens endlich eine soziale Verantwortung entwickeln.» Klar sei es notwendig, ältere Gebäude zu ertüchtigen.

«Doch das lässt sich auch anders machen. Etwa, indem man den Mietparteien für die Zeit der Sanierung Ersatzwohnungen anbietet und ihnen eine Rückkehr zu einem moderat erhöhten Mietpreis ermöglicht.» Dies werde an der St.-Johannes-Strasse immerhin teilweise der Fall sein. Oder aber, man saniere die Wohnungen gestaffelt und lasse die Mieterinnen vorübergehend in jenen Wohnungen leben, die aufgrund natürlicher Fluktuation leer stünden.

Bei der Gemeinde Steinhausen ist man über die Totalsanierung und den Mietkündigungen informiert. Der zuständige Gemeinderat Markus Amhof erklärt auf Anfrage: «Totalsanierungen mit Rückbau bis auf die Grundsubstanz sind in der Regel mit einer Kündigung sämtlicher Mieterwohnungen verbunden.»

Dies insbesondere, wenn die Liegenschaft über einen einzigen Trakt verfüge. «Die Alfred Müller AG hat der Gemeinde die Notwendigkeit einer Totalsanierung aufgezeigt.» Auch habe die Firma gegenüber der Gemeinde betont, dass mit den Mietern eine Lösung in anderen Liegenschaften gesucht werde, so Amhof.

Problem der Leerkündigungen scheint grösser zu werden

Es scheint, als würde sich das Problem im Kanton Zug verstärken: Wohnraum, der zu günstigen oder moderaten Preisen vermietet wurde, wird oft abgerissen oder kernsaniert, den Mietern wird gekündigt. Der genannte Block an der St.-Johannes-Strasse ist nur ein Beispiel. Vor wenigen Monaten ereignete sich an der Zugerstrasse in Baar ein weiterer Fall. Dort wurden 18 Mietparteien unter dem Vorwand ominöser Gründe rausgeworfen (zentralplus berichtete).

Dies bestätigt auch Urs Bertschi: «Solche Fälle häufen sich signifikant. Es scheint ein neuer Trend in Zug vorzuherrschen. Viele Hausbesitzer fackeln nicht lange, bisherigen Mietern zu künden.» Die Vermieter würden dafür zwar Kritik für ihr Vorgehen ernten, welche aber schnell wieder verrauche. «Und neue Mieter finden sich im Kanton Zug ohne jedwedes Risiko, selbst wenn die Mietpreise markant gestiegen sind.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Urs Bertschi
  • Anonymes Schreiben
  • Anfrage bei der Gemeinde Steinhausen (unbeantwortet bis Redaktionsschluss)
  • Schriftlicher Austausch mit Othmar Bertolosi
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10 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 15.03.2023, 18:25 Uhr

    Selbstverständlich müssen für diese Kernsanierung alle raus. Wenn man etwas fürs Klima machen möchte muss man damit rechnen dass Hauser entsprechend energieeffizient umgestaltet werden müssen.

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    • Profilfoto von Steinhauser
      Steinhauser, 15.03.2023, 20:18 Uhr

      Dass alle raus müssen, bezweifelt niemand. Die Frage ist bloss, wohin?

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    Hulda, 15.03.2023, 17:23 Uhr

    Wenn ein Haus Kernsaniert wird geht es nun am einfachsten alle Raus, ich habe es 2x gesehen beim einten wurden Draussen Container mit WC,s und Wasch Duschanlagen Aufgestellt, wir sahen gerne um 7 Uhr vom Fenster wie alle Rannten,, in einem Hochhaus 54 Mieter mit 4 und 3 Zimmer konnten die Mieter drin bleiben, Möbel hin und her Wände Raus Bad Raus,, .Küche Raus auf der einen Etage 4 Wohneinheiten wurde Recht begonnen ,diese mussten nun rüber zur linken Seite zum Nachbar Duschen Alles, da kommen neue Stromleitungen, Abwasser ect in die Wohnungen, Das ist nicht einfach Dreck,Staub,Lärm.

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    Quasimodo, 15.03.2023, 15:17 Uhr

    Die Alfred Müller AG engagiert sich bestimmt sicher nicht im sozialen Wohnungsbau. Da geht es um Gewinnoptimierung und wenn da doppelt soviel Gewinn aus dem Quadratmeter herauspowern lässt, dann wird nicht lange gefackelt. Die Firmen, die Expats anlocken und beschäftigen, zahlen für die Unterbringung dieser Leute jeden Preis und die einheimischen Wohnungssuchenden bleiben Aussen vor respektive können die verlangten Mieten schon gar nicht mehr bezahlen. Die hinterste und letzte Besenkammer lässt sich in der Agglomeration Zug noch vermieten. Falls noch irgendwo Wohnraum zu finden ist dann höchstens im Bostadel, Einzelzimmer möbliert und
    «all inclusive».

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    • Profilfoto von Mirjam
      Mirjam, 15.03.2023, 20:16 Uhr

      Richtig Quasimodo: Der soziale Wohnungsbau ist kein Herzanliegen der Alfred Müller AG. Alfred Müller selbst wiederum gründete die Stiftung St. Martin und unterstützt Projekte in Kamerun im Brunnenbau. Natürlich legt sich die Firma auch sonst gerne das ökologische und soziale Mäntelchen um; ist ja heute ein Must im Business. Aber wenn es um die Maximierung von Renditen geht, so ist diese soziale Ader inexistent. Dabei hätte der Immo-Gigant sicher einige Wohnungen im Köcher, die er diesen geplagten Mietern vorzugsweise offerieren könnte. Auch die Gemeinde Steinhausen verfügt über fünf Notwohnungen. Die Mieter sollen doch dort auch anklopfen. Der grüne Gemeinderat Andreas Hürlimann ist wiederum Präsident der Wohnbaugenossenschaft Steinhausen. Leider werden dort 25 Wohnungen erst per 2024 gebaut. Die Gemeinde wäre eindeutig in der Pflicht, mehr Wohnraum zu gestalten. Aber so lange alle Gemeinderäte selbst in flauschigem Wohnraum sicher hausen, wird nicht viel passieren. Deshalb: klopft an diese Türen oder wie Jacqueline Badran im Magazin des Mieterverbandes ankündigt: «Wir müssen auf die Strasse!»

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      • Profilfoto von Quasimodo
        Quasimodo, 16.03.2023, 10:43 Uhr

        Ich möchte noch nachschieben, dass da im Moment einiges schief läuft in punkto Wohnungsbau respektive Wohnungsangebot. Dieses Problem existiert im ganzen Land aber im Kanton Zug ist dieser Exzess in keiner Hinsicht mehr zu überbieten. Die Wohnungsknappheit nur auf die Zuwanderung und auf die Flüchtlinge zu reduzieren greift nun mal etwas zu kurz. Frau und Herr Schweizer beanspruchen auch immer mehr Wohnraum denn bei Scheidungen müssen die Kinder ja auch die Möglichkeit zur Doppelunterbringungen bei beiden Eltern haben. Im Moment boomt unsere Wirtschaft und die Jungen werden schnell flügge und suchen sich eine eigene Wohnung. Sobald dann wieder «strube» Zeiten kommen, dann ziehen diese Jungen
        wieder zurück ins Hotel Mama ins gemachte Nest. Unsere Politiker sind nun gefordert, Nägeln mit Köpfen zu machen und konjunkturgerecht bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen.

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    Franz, 15.03.2023, 08:29 Uhr

    Die behördlichen Auflagen machen solche Sanierungen zusätzlich umfangreicher und damit teurer: energetische Dämmungen, Photovoltaik auf Dach und immer mehr an Fassaden, Ladestationen für E-Autos, Wärmepumpen. Moderate Mietzinserhöhungen sind deshalb illusorisch. Das ist die Kehrseite der Energiewende.

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    Peter Meier, 15.03.2023, 06:07 Uhr

    Und was passiert mit der Poststelle, die im selben Haus ist? Wird diese geschlossen?

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      Valeria Wieser, 21.03.2023, 17:40 Uhr

      Guten Tag, gemäss Informationen der Post soll diese während der Bauzeit in einem Provisorium unterkommen.

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    Steinhauser, 15.03.2023, 05:46 Uhr

    Das wird in Steinhausen in den kommenden Jahren noch x-fach passieren. Auch die Mieter in der Zugerstrasse 5 müssen per März 2024 alle ausziehen. Ich hoffe, dass sich der Gemeinderat von Steinhausen bewusst ist (!), dass mit den Leerkündigungen auch sehr viele soziale Verflechtungen kaputt gehen und das soziale Leben in der Gemelnde verkümmert. Der Mittelstand bricht weg, weil sich die Leute die Mieten zu 1000.- pro Zimmer nicht mehr leisten können und in den Aargau oder nach Luzern umziehen müssen. Und plötzlich fehlen die Mitglieder in den Vereinen und in der Feuerwehr. Vom Gemeinderat hätte ich erwartet, dass er sich dafür einsetzt, dass die Leute auch in Steinhausen bleiben können.

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