Immobilienexpertin gründet Unternehmen

Zugerin lanciert Tinder für die Wohnungssuche

Christine Hegglin erreichte mit ihrer Tauschbörse den dritten Rang des Zuger Jungunternehmerpreises. (Bild: zvg)

Ob Eigenheimbesitzer oder Mieterin: Viele Personen wollen ihr aktuelles Zuhause verlassen, finden aber keine neue Unterkunft. Ein Zuger Jungunternehmen möchte dieses Problem mit einer Tauschbörse lösen – eine Neuheit in der Schweiz.

Das Thema Wohnungsnot beschäftigt die Bevölkerung. Die Leerwohnungsziffer liegt sowohl im Kanton Zug als auch im Kanton Luzern unter 1 Prozent (zentralplus berichtete). Besonders eklatant ist die Situation im Kanton Zug. Mit 0,33 Prozent ist die Leerwohnungsziffer so tief wie in keinem anderen Kanton.

Viele beklagen, dass sie keine Wohnung finden. Die Erfahrung von Christine Hegglin, Inhaberin der Hegglin Group AG, einer Immobilienmaklerin in Zug, zeigt aber, dass das Problem noch woanders liegt. In Tausenden von Gesprächen habe sie festgestellt: «Viele Leute möchten aus ihrem Haus oder der Wohnung ausziehen, wollen dies aber nicht ohne direkte Anschlusslösung.»

Viele bleiben widerwillig an ihrem alten Wohnort

Insbesondere ältere Immobilienbesitzer seien extrem überfordert, sagt Hegglin gegenüber zentralplus. Sie erwähnt ein Beispiel einer älteren Frau, die kaum mehr die Treppen in ihrem Haus hinaufsteigen konnte. «Wenn diese Leute in ein neues Objekt ziehen wollen, müssten sie ihr bisheriges zuerst verkaufen, um die Anzahlung für ein neues Objekt tätigen zu können.» Der betroffene Besitzer müsste also zuerst sein Haus verkaufen, bevor er ein neues Zuhause gefunden hat. Dies habe Folgen: Viele Personen bleiben an ihrem alten Wohnort, obschon sie eigentlich lieber umziehen würden.

Daraus entwickelte Hegglin eine Idee, die sie in ihrem Start-up Hoyou AG umgesetzt hat. Anstatt die Immobilie zu verkaufen, kann man sie gegen eine andere tauschen. Wobei: Rechtlich gesehen handelt es sich hierbei eigentlich um einen Verkauf. Beispielsweise könnte ein älteres Ehepaar sein zu grosses Haus gegen die kleinere Wohnung einer Familie eintauschen, indem diese sich die Immobilie gegenseitig verkaufen. Für diese Idee hat das Jungunternehmen kürzlich beim Zuger Jungunternehmerpreis den dritten Platz belegt.

«Wir wollen nicht die klassischen überheblichen Makler sein.»

Christine Hegglin

Die ursprüngliche Idee von Hegglin richtete sich an Immobilienbesitzer. Inzwischen hat Hoyou auch ein Angebot für Mieterinnen. Die Idee: Wer umziehen möchte, kann die aktuelle Wohnung auf die Plattform laden und nach neuen Wohnungen suchen. Das Ganze funktioniert ähnlich wie gängige Datingplattformen – ein Tinder für die Wohnungssuche. Haben zwei Mieter oder Immobilienbesitzer gegenseitig Interesse an ihren Mietwohnungen oder Immobilien, gibt es ein «Match». In diesem Fall können die beiden Interessenten miteinander Kontakt aufnehmen.

Premium-Version gibt es mit Inkognito-Funktion

Das Standardangebot kostet 30 Franken im Monat. Ebenfalls ist eine Premium-Version für 60 Franken erhältlich. Die Vorteile: Unlimitierte «Matches» und anonymisierte Bilder der Objekte, falls die Eigentümerin oder die Mieterin bis zu einem «Match» Diskretion wünscht. Eigentümer von Immobilien haben auch die Möglichkeit, einen Tauschexperten zu buchen. Dieser verlangt 2 Prozent vom Verkaufspreis als Provision.

Die Angebote von Hoyou richten sich an alle Bevölkerungsgruppen, die eine neue Immobilie suchen, sagt Hegglin. Auf der Plattform gibt sich Hoyou forsch, potenzielle Kunden werden konsequent geduzt. «Wir wollen nicht die klassischen überheblichen Makler sein», begründet Hegglin.

Hoyou möchte ins Ausland expandieren

Bisher sei man mit dem Erfolg sehr zufrieden. So konnten die Tauschexperten bereits zwölf Transaktionen tätigen, vier weitere stehen kurz vor dem Abschluss. Hegglin nennt ein Beispiel: Ein älteres Ehepaar aus Baar besass ein Haus mit einem Pool. Ziel des Ehepaars war, innerhalb von fünf Jahren in eine zentrumsnahe Wohnung mit Lift umzuziehen. Bereits nach einer einzigen Besichtigung habe das Ehepaar einen Vertrag unterzeichnen können.

Gestartet hat Hoyou in der Region Zug. Nun expandiert das Unternehmen in die Regionen Zürich und Luzern. Die Ziele sind hoch gesteckt. «Wir wollen gesamtschweizerisch vertreten sein, längerfristig auch im Ausland», so Hegglin.

Hoyou ist nicht das erste Unternehmen, das die 43-jährige Mutter dreier Kinder gegründet hat. Bereits während des Studiums hatte sie ihre erste Idee eines Unternehmens umgesetzt – in einem Laden für marokkanische und indische Möbel und Dekorationen. Den Laden in der Luzerner Alpenstrasse gibt es noch heute.

Hegglin gründete bereits mehrere Firmen

Einen Bezug zur Immobilienbranche hat die Inhaberin der Hegglin Group AG aber schon seit sie klein ist. «Mein Vater war Architekt. Daher waren wir von Kindesbeinen an auf der Baustelle.» Im Jahr 2014 gründete sie mit der Aktiengesellschaft Room4you eine Firma, die Liegenschaften und Wohnungen kaufte, diese umbaute und als möblierte WG-Zimmer an Studenten vermietete.

Im Jahr 2017 versuchte Hegglin zum ersten Mal, ein in der Schweiz unbekanntes Modell in der Immobilienbranche zu etablieren. Damals präsentierte sie einen Lösungsansatz für ältere Immobilienbesitzer, die ihr gebundenes Geld aus ihrer Immobilie lösen, aber nicht umziehen wollten. Die Idee: Die Besitzer der Immobilie verkaufen das Haus, können aber im Haus wohnen bleiben. Der Käufer bezahlt das Haus aber nicht direkt, sondern überweist eine Rente an den ehemaligen Besitzer. Einfach gesagt handelt es sich um einen Verkauf der Immobilie in Raten mit einem gleichzeitigen Wohnrecht für den Käufer. Der Fachbegriff dafür nennt sich Immobilienverrentung.

Mit diesem Projekt, über das die «Luzerner Zeitung» im Jahr 2017 ausführlich berichtete, ist Hegglin aber gescheitert. Denn in der Schweiz fehlt die entsprechende Rechtsgrundlage für solche Verträge. Hegglin gefällt die Idee aber noch immer: «Ich hätte die Idee am liebsten weitergezogen. Wenn das Prinzip der Immobilienverrentung politisch verankert wäre, würde ich es sofort wieder aufnehmen», sagt sie gegenüber zentralplus.

Was fasziniert die 43-Jährige – die im Jahr 2019 zusammen mit einer Freundin ausserdem ein EMS-Fitnessstudio gründete – daran, immer neue Firmen zu gründen? «Ich sehe Bedürfnisse und Probleme in der Bevölkerung und stelle fest, dass entsprechende Lösungen fehlen. Die Immobilienbranche ist zudem nicht der Mode unterworfen. Denn alle müssen irgendwo wohnen.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Christine Hegglin, Inhaberin Hoyou AG
  • Angaben über Christine Hegglin IFJ Start-up Support
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Informationen des Zuger Jungunternehmerpreises 2023
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Cj007
    Cj007, 19.04.2023, 23:09 Uhr

    Einfach top diese Idee!!

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  • Profilfoto von Manjaro
    Manjaro, 19.04.2023, 12:18 Uhr

    Die Hegglin Group zeigte sich bis jetzt als DER klassische, überhebliche Immomakler in Zug. Duruch solche werden auch die Preise in die Höhe getrieben.

    Als Mieter, der an einem Verkaufsangebot interessiert ist wurde man einfach abgewiesen.

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